Schöffel stellt sich vor
Schöffel stellt sich vor
 Datum: 28.12.2021  Text: Thomas Ebert 

Firmenporträt Schöffel

Drücken Sie die Eingabetaste zum Suchen
Firmenporträt Schöffel
Ein Familienunternehmen in 8. Generation, das verwaltet sich doch von alleine? Von wegen. Der Outdoor-Ausrüster Schöffel hat sich stets gewandelt, um vorne zu bleiben.
Wir schreiben das Jahr 1804. Friedrich Schiller vollendet gerade seinen «Wilhelm Tell», ohne je selbst in der Schweiz gewesen zu sein, und im bayerischen Schwabmünchen erhält Georg Schöffel die Lizenz zum Strumpfhandel. Weil sein Sohn Josef fünf Jahre später in der Schlacht von Abensberg auch noch dem Kronprinzen das Leben rettet und zum Dank eine lebenslange Leibrente erhält, kann die junge Firma Schöffel auf einem soliden Fundament bauen.

Eineinhalb Jahrhunderte lang wird mit Strickwaren gehandelt, doch als Ludwig Schöffel aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr heimkehrt, stehen die Zeichen auf Veränderung. Hubert Schöffel, Jahrgang 1930 und begeisterter Berggänger, dreht das Unternehmen auf links.

1961 kauft er eine alte Lederhosenfabrik auf, erstmals in der Firmengeschichte handelt man nicht nur mit Waren, sondern stellt sie selbst her. Der Absatz der Strassenhosen läuft jedoch schleppend, Schöffel muss sogar Kurzarbeit anordnen. Gleichzeitig beginnt das Wirtschaftswunder zu wirken: die Fünf-Tage-Woche setzt sich durch, Wochenenden gehören ab sofort den Familien, der Wanderausflug wird massentauglich. Hubert Schöffel erkennt die Zeichen der Zeit und setzt ab 1967 voll auf Outdoor-Bekleidung, die damals noch nicht so hiess.

Eine Wanderhose mit elastischem Bund, ein Schlupfblouson, der unter den Münchner Studenten zum It-Piece wird und schliesslich, in den 80er-Jahren, die erste Gore-Tex-Jacke. Hubert Schöffel setzt als erster in Deutschland auf das wind- und wasserdichte, atmungsaktive Laminat und ordert ohne einen einzigen Auftrag Material für 24'000 Jacken – am Ende geht das Spiel auf. Es sind Meilensteine in der Bergsportausrüstung und Sargnägel für Lederhose, Wolljanker und Kniestrümpfe.
Schöffel stellt sich vor
Schöffel stellt sich vor
Historisch - die Schöffel Fabrik früher

Tradition verpflichtet

So schwer es ist, zwanzig Jahrzehnte Firmengeschichte auf ein paar Zeilen zu komprimieren – eines wird im Falle Schöffels deutlich: ein Familienunternehmen in achter Generation ist kein Tanker, den man einmal auf Kurs bringt und dann laufen lässt. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Und wer durch Schöffels Firmensitz in Schwabmünchen geht, der sieht neben Hubert Schöffels beeindruckender Kunstsammlung in der Chefetage vor allem ein altes Rohwarenlager, das 2015 komplett entkernt und zum loftartigen Kreativzentrum umgebaut wurde.

Denn wie fast jeder grosse Textilhersteller fertigt auch Schöffel nicht mehr in Mitteleuropa, sondern fast ausschliesslich in Asien. Von den gut 180 Näherinnen sind heute noch rund 20 Arbeitsplätze übrig, verteilt auf Reparatur und Prototypen-Fertigung. Im neuen, 600 Quadratmeter grossen «Development Center», das mit viel Licht, hohen Decken und gläsernen Meetingräumen zum Kreieren einladen soll, sind die Wände über und über mit Stoffmustern, Moodboards und Kollektionsentwürfen gepflastert.

An den 25 Schreibtischen arbeiten Marktforscher und Produktentwickler nicht getrennt, sondern im direkten Austausch. Genau deshalb ist für Henrik Vogel, Innovationsmanager bei Schöffel, hier das «Epizentrum» der Firma. Der 39-jährige Textilbetriebswirt und Bergretter, war wie auch der CEO von Schöffel Schweiz, Peter Jud (siehe Interview S. 62) massgeblich am jüngsten Wurf von Schöffel beteiligt: einer Bekleidungslinie für Skitourengeher, die zum Winter 2019 neu entwickelt wurde.

Im Schöffel-Produkt-Kosmos, der intern in Bereiche, Segmente und Kapseln unterteilt wird, gilt die Skitourenkollektion laut Marketing-Managerin Kathrin Lörch als «Leuchtturmkapsel». Sie dient auch als Testballon für andere angesagte Sportarten, in die Schöffel vorstossen möchte, etwa den Bike- und Freeride-Bereich.
Schöffel stellt sich vor
Schöffel stellt sich vor
Die Firma in 7. Generation - Hubert und Peter Schöffel
Denn die Zeiten, in denen Schöffel sich auf Wanderausrüstung für die kaufkräftige, aber eben auch spitze Zielgruppe der 40- bis 60-Jährigen fokussierte (so Peter Schöffel in einem Zeitungsinterview Ende 2017), sind vorbei. Eine «spürbare Verjüngung in Kampagnen und Produkten», sagt Kathrin Lörch, habe es in den letzten Jahren gegeben, Zielgruppen würden generell nicht mehr nach Alter klassifiziert: «Heute sind die Älteren ja teilweise fitter als die Jüngeren», so Lörch.

In den Schöffel-Lookbooks dominieren junge Gesichter, seit drei Jahren verkauft Schöffel eine «Outleisure»-Kollektion, also modische und zugleich funktionelle Freizeitbekleidung. Und wie in den 80er-Jahren, als man frühzeitig auf Gore-Tex setzte, bleibt Schöffel auch technisch am Ball. Primaloft Next Evolve-Isolierung, S.Café-Garne aus Polyester und geruchshemmendem Kaffeesatz – in den neuen Kollektionen findet sich die ganze Klaviatur aktueller Textiltrends.

Naturgemäss liegt in solch einer Verjüngungskur mit frischen Kollektions-Kapseln auch die Gefahr, sich zu verzetteln. Zwischen Schöffels TV-Spots einerseits, deren eingängiger Claim «Ich bin raus» nicht zuletzt auf die Natursehnsüchte urbaner Schichten abzielt, und dem langjährigen Engagement als Ausrüster diverser Ski-Nationalmannschaften andererseits, besteht inzwischen doch eine ordentliche Spannweite an Image-Möglichkeiten. Lörch steckt das Feld über die Leistung ab: «Wir sind nicht die Höher-schneller-Weiter-Ausrüster. In welcher Zeit unsere Kunden auf den Berg gehen, ist uns egal», und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: «Das karierte Hemd wird bei Schöffel nie ganz aussterben.»

«10 Prozent mehr Silicon Valley» wünschte sich Huberts Schöffels Sohn Peter, der seit 30 Jahren die Geschicke der Firma leitet, zum Firmenjubiläum 2017. Nicht nur die Stelle des Innovationsmanagers schuf er neu, auch die Leitung der Abteilungen Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb hat Schöffel binnen einen Jahres neu besetzt. «Der Wandel bei Schöffel ist spürbar, es wurde enorm in Digitalisierung investiert», sagt Kathrin Lörch.
Schöffel stellt sich vor
Schöffel stellt sich vor

Schöffel stellt sich vor
Schöffel stellt sich vor
Die Mode von früher - historische Kleidung von Schöffel

Kreation statt Produktion

Bei all dem Wandel beweist Schöffel vor allem in einem Punkt Konstanz: Die Firma bleibt zu 100 Prozent ein Familienunternehmen. «Generationenvertrag statt Quartalsbericht», sagt Peter Schöffel gerne. Mit 200 Mitarbeitern und 100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr rangiert Schöffel an Rang zwei der deutschen Hersteller von funktioneller Outdoor- und Skibekleidung. Grösser ist nur die Marke mit der Hundepfote, die nach turbulenten Jahren inzwischen einem Golfausrüster aus den USA gehört. «Verkaufen will ich auch nicht. Mir geht es ausschliesslich um die Erhaltung unserer Werte, unserer Tradition und den Generationenauftrag.

Weniger ist mehr, ist einer meiner Grundsätze. Deshalb lassen wir auch die Finger von Rucksäcken oder Schuhen«, bekannte Peter Schöffel Anfang 2019 in einem Familieninterview mit dem Stern. Apropos Familie: Die Staffelübergabe der Gesamtleitung ist bereits angestossen. Peter Schöffels Kinder arbeiten bereits beide im Unternehmen, Sohn Jakob gilt mit 21 Jahren bereits als designierter Nachfolger. Man darf gespannt sein, welchen Wandel die neunte Generation plant.
Meilensteine
1804
Georg Schöffel erhält die Konzession zum Handel mit Strickwaren

1961
Hersteller statt Händler: Hubert Schöffel startet die Produktion von Strassenbekleidung

1967
Im «Werk 1» näht Schöffel erstmals selbst Wander- und Bergbekleidung.

1976
Erfindung der modischen «Jethose», die über die Skistiefel gezogen wird.

1983
Der Berganorak Tibet mit brandneuem Gore-Tex-Laminat wird zum Verkaufsschlager

1990
Peter Schöffel wird Geschäftsführer, ist es heute noch und steigert den Umsatz um 70 Prozent

2016
Im ehemaligen Rohwarenlager wird das Development Center eröffnet

2019
Schöffel bringt erstmals eine eigene Skitourenkollektion heraus