Steile Lines über dem Meer – Ski & Sail in Nordnorwegen
Eiskaltes Wasser. Tief verschneite Fjorde. Ein alter Zweimaster auf Kurs Nordost. An Bord: eine Gruppe schneehungriger Skandinavier auf der Suche nach noch nie befahrenen Couloirs am 70. Breitengrad in Nordnorwegen. Ein eiskaltes Abenteuer am nördlichsten Rand Europas.
Der Wind pfeift über das Deck der Opal. Der Finne Antte Lauhamaa und der Norweger Daniel Furberg scannen zusammen die zerklüftete und von steilen Couloirs durchzogene Bergflanke, die vor ihren Augen aus dem Nordmeer wächst, während der fast 70 Jahre alte Zweimastschoner fast lautlos durch das stahlblaue Wasser gleitet. Sie sind dicht dran an ihrem Ziel. Durchs Fernglas fixieren sie den einen steile Couloir: mehr als 500 enge Tiefenmeter Adrenalin zwischen schroffen Felsen. Freerider Antte hatte die Rinne auf Google Earth entdeckt. Nur vom Wasser mit einem kleinen Beiboot zu erreichen, und mit einer der Hauptgründe ihres Segeltörns durch die Fjorde Nordnorwegens. Das Wetter passt. Endlich.
Knapp eine Woche zuvor: Der Start des Abenteuers «70° Nord» verläuft im wahrsten Sinne turbulent. Ein starker Sturm, begleitet von heftigen Schneefällen, zieht über die Lyngen Alps. Schon nach einem Tag steckt die Expedition in Hamnnes auf der Insel Uløya am nördlichen Ende des Lyngenfjords fest, bevor der Segeltörn so richtig begonnen hat. Das Wetter nördlich des Polarkreises wechselt schnell. So schnell, dass die Vorhersage mehr einer wilden Lotterie gleicht denn einer seriösen Prognose. «Das Wetter …», meint Antte lakonisch. «Ich kann mich in Lyngen an keinen Winter mit so vielen schweren Stürmen erinnern.» Der 40-jährige Profiskifahrer weiss, wovon er spricht. Seit knapp 20 Jahren erkundet er die Lyngen Alps per Telemark- und Freerideski, arbeitet als Guide und hilft, den lokalen Lawinenbericht zu erstellen.
Durch den heftigen Wind und gut 50 Zentimeter Neuschnee ist die Lawinenlage äusserst gespannt. Und die Gruppe zum Herumsitzen verdammt. Am Tag zuvor hatte eine grosse Lawine zwei Autos auf der Strasse zwischen Lyngen und Tromsö unter sich begraben. Für die Besatzung um den deutschen Kapitän Philipp Grözinger steht fest: An eine Weiterfahrt in Richtung Norden ist bei dem Sturm nicht zu denken. Antte und seine Kumpels nehmen die Lage mit finnischer Gelassenheit: «Die unbefahrenen Couloirs warten. Und wie es aussieht, warten sie auch noch bis zum nächsten Jahr.»
Knapp eine Woche zuvor: Der Start des Abenteuers «70° Nord» verläuft im wahrsten Sinne turbulent. Ein starker Sturm, begleitet von heftigen Schneefällen, zieht über die Lyngen Alps. Schon nach einem Tag steckt die Expedition in Hamnnes auf der Insel Uløya am nördlichen Ende des Lyngenfjords fest, bevor der Segeltörn so richtig begonnen hat. Das Wetter nördlich des Polarkreises wechselt schnell. So schnell, dass die Vorhersage mehr einer wilden Lotterie gleicht denn einer seriösen Prognose. «Das Wetter …», meint Antte lakonisch. «Ich kann mich in Lyngen an keinen Winter mit so vielen schweren Stürmen erinnern.» Der 40-jährige Profiskifahrer weiss, wovon er spricht. Seit knapp 20 Jahren erkundet er die Lyngen Alps per Telemark- und Freerideski, arbeitet als Guide und hilft, den lokalen Lawinenbericht zu erstellen.
Durch den heftigen Wind und gut 50 Zentimeter Neuschnee ist die Lawinenlage äusserst gespannt. Und die Gruppe zum Herumsitzen verdammt. Am Tag zuvor hatte eine grosse Lawine zwei Autos auf der Strasse zwischen Lyngen und Tromsö unter sich begraben. Für die Besatzung um den deutschen Kapitän Philipp Grözinger steht fest: An eine Weiterfahrt in Richtung Norden ist bei dem Sturm nicht zu denken. Antte und seine Kumpels nehmen die Lage mit finnischer Gelassenheit: «Die unbefahrenen Couloirs warten. Und wie es aussieht, warten sie auch noch bis zum nächsten Jahr.»
Geballte Gourmet- und Arktiskompetenz
So dümpelt die Opal im Hafen von Hamnnes. Draussen tobt der Sturm. Unter Deck bollert der kleine Schwedenofen und am schweren Holztisch diskutiert die Gruppe tief über Karten und Wetterbericht gebeugt die weiteren Optionen. Mit Rat und Tat unterstützen hier auch die beiden anderen Besatzungsmitglieder, die Isländer Höskuldur Jónsson und Eirikur Gudmundsson. Höskuldur ist nicht nur ein beinharter Kajakfahrer und ein Bär von einem Mann. Die meiste Zeit des Jahres verbringt er auf Segelschiffen in der Arktis zwischen Grönland und Spitzbergen. Und Eirikur ist eigentlich Koch in einem Edelrestaurant in Oslo. In der kleinen Kombüse zaubert Eirikur mehrmals am Tag aus einfachen Zutaten und frisch gefangenem Fisch wahre Festessen für die Gruppe. Das macht ihn aktuell zum wichtigsten Mann an Bord.
Tiefschnee im Birkenwald
Misslaunig die Zeit totschlagen ist nicht. Die neunköpfige Gruppe aus Freunden, Fotografen und Guides zieht es auf die andere Seite des Fjords. Die Birkenwälder bei Djupvik in Kåfjord locken mit unverspurtem, hüfttiefem Pulverschnee. «Fast wie Hokkaido», schwärmt Antte mit dicken Schneeflocken auf Schultern und Kapuze und breitem Grinsen im Gesicht. Der Norweger Daniel, Snowboarder und Gründer der Snowboardmarke Furberg, verschwindet mit dem Board nach einem meterhohen Backflip im Powder, um kurz danach lässig um die Birken zu surfen. «Vielleicht einer der besten Powder-Tage ever!» Von wegen «Down Day», die Stimmung ist gut, der Tag im Birkenwald allerding auch ziemlich sportlich. Denn die Baumgrenze liegt in Nordnorwegen nur auf knapp 400 Metern über dem Meer. Um hier Tiefenmeter zu sammeln, geht es etliche Male im hüfttiefen Schnee wieder durch die Birken nach oben – jedes Mal völlig unverspurt versteht sich. Ein richtiger Kraftakt. Doch Höskuldur hat vorgesorgt: An Deck der Opal wartet nicht nur kaltes Dosenbier, sondern für die müden Knochen ein hölzerner Hottub und – wie könnte es anders sein – eine finnische Sauna auf die «Birkebeiner».
«Die Birkenwälder locken mit unverspurtem, hüfttiefem Pulverschnee. «Fast wie Hokkaido», schwärmt Antte mit einem breiten Grinsen im Gesicht.»
Die Berge der Lyngen Alps, diesem knapp 100 Kilometer lange Gebirgszug zwischen Ulls- und Lyngenfjord, haben sich vom absoluten Geheimtipp zum «Frühjahrsklassiker» der europäischen Freeride- und Skitourenszene gemausert. Von München oder Zürich aus schafft man es per Flieger bequem in unter sechs Stunden nach Tromsø. Schneesicher, einsam und, dank «summit to sea», der absolute Kontrast zu den Alpen. Die Skitouren bieten nicht nur unglaubliche Ausblicke über die Fjorde, sie starten und enden auch meist direkt am Wasser. Für einen Nordfinnen wie Antte und seine skandinavischen Freunde scheint aber selbst die eigentlich abgelegenen Gegend rund um Lyngen zu überlaufen. Gut, dass sich das Wetter stabilisiert und die Opal endlich wieder in See stechen kann. Das Ziel: Kurs Nord, Nordost in Richtung Finnmark.
Die Opal schippert zwischen Uløya und dem Festland durch einen schmalen Seitenarm des Fjords, entlang an kleinen Inseln mit schroffen Felswänden weiter nach Skjervøy. In dem kleinen Örtchen auf Skjervøya, einer der kleinen Inseln vor der Küste, landete nicht nur Fridtjof Nansen 1896 mit seiner Fram nach seiner dreijährigen Arktisexpedition. Der durch eine Bucht geschützte Hafen ist für viele der Nachbarinseln auch die einzige Verbindung in die Zivilisation. «Viele der Siedlungen sind so abgelegen, dass sie nur per Schiff erreicht werden können», erklärt Antte. Im Winter bedeutet das oft wochenlange Einsamkeit. Genau diese Art der Abgelegenheit sucht die Gruppe – Tiefschneehänge, die womöglich noch nie zuvor einem Menschen durchpflügt wurden.
Die Opal schippert zwischen Uløya und dem Festland durch einen schmalen Seitenarm des Fjords, entlang an kleinen Inseln mit schroffen Felswänden weiter nach Skjervøy. In dem kleinen Örtchen auf Skjervøya, einer der kleinen Inseln vor der Küste, landete nicht nur Fridtjof Nansen 1896 mit seiner Fram nach seiner dreijährigen Arktisexpedition. Der durch eine Bucht geschützte Hafen ist für viele der Nachbarinseln auch die einzige Verbindung in die Zivilisation. «Viele der Siedlungen sind so abgelegen, dass sie nur per Schiff erreicht werden können», erklärt Antte. Im Winter bedeutet das oft wochenlange Einsamkeit. Genau diese Art der Abgelegenheit sucht die Gruppe – Tiefschneehänge, die womöglich noch nie zuvor einem Menschen durchpflügt wurden.
Aussenposten der Zivilisation
So ein Aussenposten der Zivilisation ist das 25 Kilometer über das offene Nordmeer gelegene Reinfjord. Ein paar Häuschen, sieben Einwohner – sonst nichts. Einmal pro Woche kommt das Speedboot von Skjervøy mit den wichtigsten Dingen – vorausgesetzt das Wetter passt. Ansonsten ist man in Reinfjord auch mal zwei Wochen auf sich alleine gestellt. Im alten Hafen macht die Opal fest. Rund um die Siedlung könnte man tagelang Skitouren gehen, ohne einen Hang zweimal zu befahren. Eine erste, entspannte Tour führt an den Häusern vorbei auf den Boazovuoncahaca. Der Anstieg ist entspannt und genau richtig, um nach dem Sturm die Schneesituation zu checken.
Glücklicherweise hat es hier offensichtlich bei Weitem nicht so gestürmt wie in Lyngen. Die Schneedecke scheint stabil. Und am Gipfel klart es auf und zum ersten Mal seit Tagen blitzt die Sonne durch die letzten Wolkenfetzen. Vom flachen Gipfelplateau eröffnet sich ein gigantischer Ausblick auf die umliegenden verschneiten Inseln. 700 Meter unterhalb des Boazovuoncahaca klatschen die Wellen des tiefblauen Nordmeers an die Felsen. Und dort, wo die Sonne auf das Wasser trifft, glitzert es golden. Nach 200 Tiefenmetern über einen breiten, flachen Rücken wartet die erste Rinne. Am Seil gesichert, checken sie akribisch die Schneestabilität. «Sieht gut aus, lass es uns probieren», meint Antte, setzt den ersten Turn und verschwindet in einer Wolke aus Schnee.
Glücklicherweise hat es hier offensichtlich bei Weitem nicht so gestürmt wie in Lyngen. Die Schneedecke scheint stabil. Und am Gipfel klart es auf und zum ersten Mal seit Tagen blitzt die Sonne durch die letzten Wolkenfetzen. Vom flachen Gipfelplateau eröffnet sich ein gigantischer Ausblick auf die umliegenden verschneiten Inseln. 700 Meter unterhalb des Boazovuoncahaca klatschen die Wellen des tiefblauen Nordmeers an die Felsen. Und dort, wo die Sonne auf das Wasser trifft, glitzert es golden. Nach 200 Tiefenmetern über einen breiten, flachen Rücken wartet die erste Rinne. Am Seil gesichert, checken sie akribisch die Schneestabilität. «Sieht gut aus, lass es uns probieren», meint Antte, setzt den ersten Turn und verschwindet in einer Wolke aus Schnee.
«Auf diesen Moment haben Antte und die anderen hingefiebert.
Mit dem Beiboot bringt Höskuldur sie grüppchenweise an den Fuss dieserunglaublichen Rinne.»
Mit dem Beiboot bringt Höskuldur sie grüppchenweise an den Fuss dieserunglaublichen Rinne.»
Den nächsten Morgen können alle kaum erwarten. Gespannt stehen alle an Deck, legen die Schwimmwesten an, packen sorgfältig Rucksäcke und Material. Auf diesen Moment haben Antte und die anderen hingefiebert. Der eigentliche Grund, warum sie hier sind: der grosse Couloir, den Antte auf Google Earth am Jøkelfjord entdeckt hatte. Mit dem Beiboot bringt Höskuldur sie grüppchenweise an den Fuss der Rinne am knapp 1000 Meter hohen Áibmadasgáisá. Mit Ski und Boards am Rucksack arbeiten sie sich durch den tiefen Schnee hinauf. Danach: 500 Tiefenmeter, mehr als 40 Grad steil, direkt bis ans Meer, gefüllt mit fluffigem Powder. Nachweislich die Erstbefahrung dieser gewaltigen Rinne. «Das Beste, was ich bisher gefahren bin. Eine unglaubliche Schönheit», sagt Antte glücklich, bevor er ins Gummiboot klettert. Das Grinsen in den Gesichtern könnte nicht breiter sein. Höskuldur hat die Sauna schon angefeuert, während der Zweimaster in die Abendsonne segelt, zurück in die Zivilisation. Zurück am Jøkelfjord bleibt zumindest der Name. Den Couloir haben die Erstbefahrer auf «Opal» getauft – im Andenken an das Schiff, das ihr Abenteuer am 70. Breitengrad erst ermöglicht hat.
Tipps und Informationen
Skitouring
Alle Infos zu Skitouring-Möglichkeiten,
Übernachtungen, sonstigen Infos zu Lyngen unter
visit-lyngenfjord.com
Ski & Sail
Informationen zur Kombination Ski & Sail
rund um Lyngen. Sechs Tage an Bord inklusive Guide, Mahlzeiten kosten ca. 2950,- CHF.
northsailing.no
Flüge
mit Swiss und SAS ab circa 750,- CHF
Reisezeit
Zwischen Mitte Februar und Ende Mai. Beste Zeit: Ende März bis Ende April.
Die Tage sind länger und die Schneebedingungen sicherer.
Unbedingt
Komplette Lawinenausrüstung, Biwaksack und GPS-Gerät. Sämtliche Gipfel tragen Sami-Namen und sind – zumindest für Mitteleuropäer – unaussprechlich.
Im Notfall kann man so die genauen Koordinaten durchgeben.
Alle Infos zu Skitouring-Möglichkeiten,
Übernachtungen, sonstigen Infos zu Lyngen unter
visit-lyngenfjord.com
Ski & Sail
Informationen zur Kombination Ski & Sail
rund um Lyngen. Sechs Tage an Bord inklusive Guide, Mahlzeiten kosten ca. 2950,- CHF.
northsailing.no
Flüge
mit Swiss und SAS ab circa 750,- CHF
Reisezeit
Zwischen Mitte Februar und Ende Mai. Beste Zeit: Ende März bis Ende April.
Die Tage sind länger und die Schneebedingungen sicherer.
Unbedingt
Komplette Lawinenausrüstung, Biwaksack und GPS-Gerät. Sämtliche Gipfel tragen Sami-Namen und sind – zumindest für Mitteleuropäer – unaussprechlich.
Im Notfall kann man so die genauen Koordinaten durchgeben.