Pioniertat – mit dem Seekajak um Spitzbergen
Reif für die Inseln?
Zwei Neuseeländer und ein Norweger haben 2015 die 2300 Kilometer lange Erstumrundung der vier Hauptinseln Spitzbergens per Seekajak versucht. 71 Tage lang kämpften die drei Abenteurer mit Packeis, Polarbären und dem arktischen Wetter.
Der Nebel umgibt uns wie trübe Trunkenheit. So dicht sind die grauen Schwaden, dass wir kaum die Spitzen unserer Kajaks erkennen können. Nur die kleinen Wellen, die unsere Boote in das eiskalte Wasser schneiden, spenden Orientierung – sie verraten, in welche Richtung wir paddeln. Und obwohl das Meer spiegelglatt vor uns liegt, hat sich in unserer Gruppe Seekrankheit breitgemacht. Das monotone Paddeln und der Schlafmangel tun ihr Übriges: Wir sind kurz davor, durchzudrehen.
Seit unzähligen Stunden haben wir kein Land mehr gesehen. Ohnehin hält die Küste nichts ausser einer 160 Kilometer langen und 25 Meter hohen Klippe aus Gletschereis für uns bereit. Hätten wir eine Route entlang des Ufers gewählt, wäre die permanente Gefahr gewesen, von herabfallenden Eisbrocken erwischt zu werden. Ausserdem treibt in Küstennähe besonders viel Packeis im Wasser, wodurch wir wohl nur sehr langsam vorangekommen wären. Deshalb hatten wir uns für den direkten Weg entschieden, anstatt die 20 Kilometer breite Bucht auszufahren. Nun sitzen wir also fast orientierungslos und mit vor Kälte zitternden Händen in unseren voll beladenen Seekajaks inmitten einer 27-stündigen Querung auf offener See.
Endlich, sieben Stunden später, taucht das Ende der Gletscherkante vor uns aus dem Nebel auf. Als Belohnung für unsere Strapazen erwartet uns hier ein spektakuläres Naturschauspiel: eine rund 20 Meter hohe Eiswand, aus der sich ein gigantischer Wasserfall direkt ins Meer ergiesst. Dankbar für die Abwechslung paddeln wir zum Fuss des Wasserfalls und betrachten die Wogen aus der Nähe. So dicht liegen bei einer Expedition wie unserer Glück und Leid beieinander. Willkommen auf Spitzbergen!
Seit unzähligen Stunden haben wir kein Land mehr gesehen. Ohnehin hält die Küste nichts ausser einer 160 Kilometer langen und 25 Meter hohen Klippe aus Gletschereis für uns bereit. Hätten wir eine Route entlang des Ufers gewählt, wäre die permanente Gefahr gewesen, von herabfallenden Eisbrocken erwischt zu werden. Ausserdem treibt in Küstennähe besonders viel Packeis im Wasser, wodurch wir wohl nur sehr langsam vorangekommen wären. Deshalb hatten wir uns für den direkten Weg entschieden, anstatt die 20 Kilometer breite Bucht auszufahren. Nun sitzen wir also fast orientierungslos und mit vor Kälte zitternden Händen in unseren voll beladenen Seekajaks inmitten einer 27-stündigen Querung auf offener See.
Endlich, sieben Stunden später, taucht das Ende der Gletscherkante vor uns aus dem Nebel auf. Als Belohnung für unsere Strapazen erwartet uns hier ein spektakuläres Naturschauspiel: eine rund 20 Meter hohe Eiswand, aus der sich ein gigantischer Wasserfall direkt ins Meer ergiesst. Dankbar für die Abwechslung paddeln wir zum Fuss des Wasserfalls und betrachten die Wogen aus der Nähe. So dicht liegen bei einer Expedition wie unserer Glück und Leid beieinander. Willkommen auf Spitzbergen!
Das Verlangen
Abenteuer und Wildnis haben mich schon als Kind fasziniert. Und je älter ich wurde, desto grösser wurde der Drang, die Welt zu erkunden und an entlegene Orte zu reisen. Also begann ich früh, als Tour-Guide in der Wildnis zu arbeiten, und reiste kreuz und quer durch die Welt. Doch nach ein paar Jahren spürte ich dieses Verlangen in mir. Das Verlangen, etwas zu schaffen, was noch niemand vorher geschafft hat. Bis zum Jahr 2010 konnte ich dieses Begehren verdrängen, doch dann bekam ich den Auftrag, in Norwegen eine Seekajakbasis aufzubauen und hörte das erste Mal von Spitzbergen: Das Archipel liegt nördlich des Polarkreises mitten im Arktischen Ozean zwischen Grönland, Nordnorwegen und Russland. Der Grossteil der zahllosen Eilande ist ganzjährig vom Eis der Arktis eingeschlossen. Es gab schon mehrere Versuche, die vier Hauptinseln Spitsbergen (dt. Spitzbergen), Nordaustlandet (dt. Nordostland), Barentsøya und Edgeøya per Kajak zu umrunden – alle scheiterten an den unbarmherzigen Küsten von Nordaustlandet, der nördlichsten der vier Inseln.
Die Idee war geboren. Doch ausgerechnet im gleichen Jahr versuchte sich eine andere Expedition an dem Vorhaben – und musste nach 24 Tagen wegen einer Eisbärenattacke per Helikopter evakuiert werden. Schockiert? Ja, schon. Aber zu meiner eigenen Überraschung steigerte das meine Motivation nur noch mehr.
Die Idee war geboren. Doch ausgerechnet im gleichen Jahr versuchte sich eine andere Expedition an dem Vorhaben – und musste nach 24 Tagen wegen einer Eisbärenattacke per Helikopter evakuiert werden. Schockiert? Ja, schon. Aber zu meiner eigenen Überraschung steigerte das meine Motivation nur noch mehr.
Das Team
Träumereien sind das eine, sie Wirklichkeit werden zu lassen, ist etwas völlig anderes. Die grösste Herausforderung war es, zwei Leute zu finden, die verrückt, stark und erfahren genug für meine Pläne waren. Das erste Expeditionsmitglied fand ich relativ bald in Norwegen: Per Gustav Porsanger – genannt «PG» – ist semiprofessioneller Skifahrer, Jäger und hat jahrelang in der norwegischen Armee gedient. Seine Erfahrungen im Seekajak hielten sich damals zwar in Grenzen, dafür erfüllte er alle anderen Attribute, die es für eine derartige Expedition braucht.
Bis wir unseren dritten «Mann» fanden, gingen allerdings noch knapp vier Jahre ins Land. Während eines Heimatbesuchs in Neuseeland unternahm ich einen Campingtrip an der wilden Nordwestküste. Eines Abends beobachtete ich, wie eine junge Frau in ihrem Seekajak völlig alleine durch die massive Brandung anlandete, und war sofort beeindruckt. Die Neuseeländerin Tara Mulvany war gerade dabei, als erste Frau und als dritter Mensch überhaupt Neuseeland komplett per Kajak zu umrunden, was sie wenig später tatsächlich schaffte. Im Jahr darauf lernten wir uns besser kennen, reisten zusammen durch Nordamerika, und schliesslich sagte auch sie für den Rekordversuch rund um Spitzbergen zu.
Bis wir unseren dritten «Mann» fanden, gingen allerdings noch knapp vier Jahre ins Land. Während eines Heimatbesuchs in Neuseeland unternahm ich einen Campingtrip an der wilden Nordwestküste. Eines Abends beobachtete ich, wie eine junge Frau in ihrem Seekajak völlig alleine durch die massive Brandung anlandete, und war sofort beeindruckt. Die Neuseeländerin Tara Mulvany war gerade dabei, als erste Frau und als dritter Mensch überhaupt Neuseeland komplett per Kajak zu umrunden, was sie wenig später tatsächlich schaffte. Im Jahr darauf lernten wir uns besser kennen, reisten zusammen durch Nordamerika, und schliesslich sagte auch sie für den Rekordversuch rund um Spitzbergen zu.
Der Besuch
Am 27. Juli 2015 wurde der Traum Realität und wir schoben in der 2000-Einwohner-Stadt Longyearbyen an der Westküste Spitzbergens unsere voll beladenen Seekajaks in den Isfjord. Doch schon in der dritten Nacht wurden wir daran erinnert, dass unser Vorhaben alles andere als ungefährlich werden würde: Mitten in der Nacht wachte ich auf. Etwas drückte auf meine Füsse – oder irgendjemand. Mit einem Ruck sass ich aufrecht. Im schwachen Licht konnte ich erkennen, dass eine Pranke auf die dünne Zeltwand drückte, während eine zweite weiter unten meine Füsse fixierte. Mit dem Ellbogen stiess ich PG an und hauchte: «Gib mir das Gewehr!» Erstaunt schaute mich mein Expeditionskollege an – scheinbar hatte ich ihn aus dem Tiefschlaf gerissen. Ich deutete auf das Fussende unseres Zelts. Nun begriff PG die Situation und schnappte sich die Flinte. Doch bevor er abdrücken konnte, erhob sich der tierische Besuch und entfernte sich von unserem Zelt. Aber war er wirklich weg? Plötzlich hörten wir einen lauten Knall. Im ersten Moment befürchtete ich, dass sich beim Weglegen des Gewehrs versehentlich ein Schuss gelöst hatte. Doch der Knall kam von draussen – das Tier musste in unseren mobilen Elektrozaun gelaufen sein, den wir eigentlich zum Schutz vor Bären um unser Lager gezogen hatten. «Unser» Eisbär hatte ihn aber scheinbar mühelos überwunden. Als PG aus dem Zelt schaute, scherzte er: «Das war ein Bär, allerdings ein ziemlich kleiner. Den hätte ich locker niedergerungen!» Erst am Abend zuvor hatten wir darüber diskutiert, ab wann wir mit unserer Nachtwache gegen die Eisbären anfangen sollten. «Natürlich erst, wenn wir den ersten Bären zu Gesicht bekommen», hatten wir noch gefeixt. Nach diesem Erlebnis verging keine einzige Nacht mehr, in der nicht mindestens einer von uns mit dem Gewehr im Anschlag Wache hielt. Lektion gelernt!
Die Blockade
Nun sind wir also mittendrin in unserem langersehnten Abenteuer. Der erste Bär, die erste lange Querung, viel Adrenalin, viel Endorphin – das alles fühlt sich grandios an. Nach unserem nächtlichen Besuch des Jungbären bekommen wir wochenlang kein Exemplar des grössten Landraubtiers der Erde zu Gesicht. Ausser einigen Belugawalen, vereinzelten Walrössern und zwei Polarfüchsen sehen wir an der Westküste kaum ein Tier. Halb so wild, denn im Kopf konzentrieren wir uns voll auf die bevorstehende Herausforderung: die Umrundung von Nordostland. Und die wird auch ohne tierischen Besuch wild genug ...
Wir sind mittlerweile fast einen Monat unterwegs und erreichen die nordwestliche Ecke der Insel. Doch unser Fortkommen wird von Mutter Natur eingebremst: Packeis versperrt uns den Weg. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als in einer alten Jagdhütte auf Nordostland unser Lager aufzuschlagen und auf Tauwetter zu warten. Doch wann werden die Temperaturen wieder steigen? Ein hiesiger Segler, den wir hier treffen, nimmt uns alle Hoffnung: «Dieses Jahr wird das Eis nicht mehr tauen. Ich lebe hier seit 48 Jahren, und wenn das Eis zu dieser Jahreszeit noch nicht aufgebrochen ist, wird es in diesem Sommer auch nicht mehr schmelzen.»
Doch so schnell wollen wir nicht aufgeben. Nach fünf Tagen bekommen wir Besuch: Eine norwegische Expedition entert unser Refugium. Wir wussten von ihnen und hatten sie schon erwartet, war die Hütte doch der einzige logische Ort, um auf die Schmelze zu warten. Im Licht der Mitternachtssonne lernen wir das Team kennen und tauschen Erfahrungen aus. Ihr Ziel ist die erste Umrundung von Nordostland per Kajak, während wir ja die ganze Inselgruppe umpaddeln wollen. Auch wenn unsere Ziele nicht identisch waren, so machte uns die Situation doch irgendwie zu so etwas wie Rivalen. Dennoch: Das Abenteuer, das wir alle anstrebten, schaffte ein Band der Kameradschaft.
Als uns die Norweger nach einigen Tagen eröffnen, dass sie trotz des Eises weiterpaddeln werden, sind wir sehr überrascht. Sie gehen, wir warten. Doch schon zwei Tage später ist es so weit: Das Eis ist – entgegen der Vorhersage des einheimischen Seglers – grösstenteils geschmolzen, so können auch wir die Nordküste in Angriff nehmen. Schon am zweiten Morgen tauchen in der Ferne die Kajaks unserer norwegischen Mitstreiter auf. Sie hatten viel Zeit im Labyrinth aus Eis verloren, die wir in offenem Fahrwasser wettmachen konnten. Entlang der Nordküste überholen wir uns mehrmals gegenseitig. Ein Rennen, das hatten wir zuvor gemeinsam entschieden, wollten wir nicht aufkommen lassen, sondern den ursprünglichen Plan beibehalten. Das letzte Mal sehen wir ihr Camp am Anfang des Austfonna-Gletschers – kurz vor der schwersten Etappe der gesamten Expedition.
Wir sind mittlerweile fast einen Monat unterwegs und erreichen die nordwestliche Ecke der Insel. Doch unser Fortkommen wird von Mutter Natur eingebremst: Packeis versperrt uns den Weg. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als in einer alten Jagdhütte auf Nordostland unser Lager aufzuschlagen und auf Tauwetter zu warten. Doch wann werden die Temperaturen wieder steigen? Ein hiesiger Segler, den wir hier treffen, nimmt uns alle Hoffnung: «Dieses Jahr wird das Eis nicht mehr tauen. Ich lebe hier seit 48 Jahren, und wenn das Eis zu dieser Jahreszeit noch nicht aufgebrochen ist, wird es in diesem Sommer auch nicht mehr schmelzen.»
Doch so schnell wollen wir nicht aufgeben. Nach fünf Tagen bekommen wir Besuch: Eine norwegische Expedition entert unser Refugium. Wir wussten von ihnen und hatten sie schon erwartet, war die Hütte doch der einzige logische Ort, um auf die Schmelze zu warten. Im Licht der Mitternachtssonne lernen wir das Team kennen und tauschen Erfahrungen aus. Ihr Ziel ist die erste Umrundung von Nordostland per Kajak, während wir ja die ganze Inselgruppe umpaddeln wollen. Auch wenn unsere Ziele nicht identisch waren, so machte uns die Situation doch irgendwie zu so etwas wie Rivalen. Dennoch: Das Abenteuer, das wir alle anstrebten, schaffte ein Band der Kameradschaft.
Als uns die Norweger nach einigen Tagen eröffnen, dass sie trotz des Eises weiterpaddeln werden, sind wir sehr überrascht. Sie gehen, wir warten. Doch schon zwei Tage später ist es so weit: Das Eis ist – entgegen der Vorhersage des einheimischen Seglers – grösstenteils geschmolzen, so können auch wir die Nordküste in Angriff nehmen. Schon am zweiten Morgen tauchen in der Ferne die Kajaks unserer norwegischen Mitstreiter auf. Sie hatten viel Zeit im Labyrinth aus Eis verloren, die wir in offenem Fahrwasser wettmachen konnten. Entlang der Nordküste überholen wir uns mehrmals gegenseitig. Ein Rennen, das hatten wir zuvor gemeinsam entschieden, wollten wir nicht aufkommen lassen, sondern den ursprünglichen Plan beibehalten. Das letzte Mal sehen wir ihr Camp am Anfang des Austfonna-Gletschers – kurz vor der schwersten Etappe der gesamten Expedition.
Die Bäreninsel
Der Austfonna-Gletscher, an der Ostküste Spitzbergens, erstreckt sich auf einer Länge von 160 Kilometern in Form einer meterhohen, aus dem Wasser emporsteigenden Wand aus Eis. Auf der gut erreichbaren Halbinsel Isispynten wollen wir ein letztes Mal übernachten. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir nicht, ob es entlang des Gletschers noch weitere erreichbare Schlafplätze geben wird – oder ob wir die gesamte Strecke in einem 40-stündigen Kraftakt am Stück paddeln werden müssen. Als wir auf Isispynten anlegen, verdunkelt sich der Himmel, Wind kommt auf. Während wir das Lager aufbauen, erspäht Tara in einiger Entfernung einen cremefarbenen Fleck im Schnee. Ein riesiger Eisbär hat sich dort zur Ruhe gelegt, döst friedlich vor sich hin. Vor der Expedition waren wir davor gewarnt worden, dass die Polarbären aggressiver sind, wenn das Eis einmal aufgebrochen und die Jagd damit für sie schwieriger geworden ist. Trotzdem: Nach kurzer Rücksprache mit PG und Tara sind wir uns einig – lieber die Insel mit dem Bären teilen, als bei dem immer schlechter werdenden Wetter weiterzupaddeln.
Doch gerade nachdem wir unsere Zelte aufgebaut haben, kommt, was kommen musste: Der Eispetz rollt sich auf den Rücken, streckt erst genüsslich alle viere von sich – und tapst anschliessend gemütlich auf uns zu. Lehrbuchartig beginnen wir, den Bären anzubrüllen und wild mit den Armen zu wedeln – keine Reaktion. Also feuern wir einige Warnschüsse und eine Leuchtrakete ab. Ok, das funktioniert, der weisse Riese macht sich aus dem Staub. Glück gehabt! Diesem Besuch folgen weitere, mehr Bären, und wir sind schwer damit beschäftigt, sie durch akustische und optische Einschüchterungen von uns fernzuhalten.
Doch gerade nachdem wir unsere Zelte aufgebaut haben, kommt, was kommen musste: Der Eispetz rollt sich auf den Rücken, streckt erst genüsslich alle viere von sich – und tapst anschliessend gemütlich auf uns zu. Lehrbuchartig beginnen wir, den Bären anzubrüllen und wild mit den Armen zu wedeln – keine Reaktion. Also feuern wir einige Warnschüsse und eine Leuchtrakete ab. Ok, das funktioniert, der weisse Riese macht sich aus dem Staub. Glück gehabt! Diesem Besuch folgen weitere, mehr Bären, und wir sind schwer damit beschäftigt, sie durch akustische und optische Einschüchterungen von uns fernzuhalten.
Die entscheidende Etappe
Wir haben genug, wollen endlich wieder aufs vermeintlich sichere Wasser. Rund acht Stunden paddeln wir in atemberaubender Eiswelt. Doch bevor wir uns an die letzten 110 Kilometer senkrechter Gletscherwandküste machen, wollen wir noch einen Rastplatz suchen. Vor uns landet eine Gruppe Eismöwen im schwarzen Wasser. Eine von ihnen löst sich aus der Gruppe und steuert direkt auf PGs Boot zu. Merkwürdig. Beim genauen Hinsehen erkenne ich, dass ich mich geirrt habe: Es ist der Kopf eines schwimmenden Eisbären. Laut rufend warne ich PG – und er gibt seinem eigentlich schnellen Seekajak die Sporen. Doch die Könige der Arktis sind hervorragende Schwimmer, und obwohl PG sich mächtig ins Zeug legt, kann er das Tier nicht abschütteln. Jetzt muss es schnell gehen, kurzerhand mische ich mich in das Rennen ein und versuche, PGs Verfolger zu verwirren. Es klappt, irgendwann gibt er genervt auf, klettert auf eine dicke Eisscholle und beäugt uns von dort aus skeptisch. Wir suchen das Weite.
Nach diesem unfreiwilligen Wettrennen entdecken wir schliesslich eine flache Stelle in der Gletscherwand, die stabil genug für unser Vorhaben aussieht. Mühsam und wackelig klettern wir aus den Booten, hinauf auf die Eiskante, und holen unsere voll beladenen Gefährte mit einem Flaschenzug nach. Die Szenerie ist magisch, wenngleich auch nicht ganz ungefährlich: Auf einem kalbenden Gletscher, der in beide Richtungen bis zum Horizont reicht, errichten wir unser Lager. Die Aussicht auf die vielen Eisberge, die im Meer weissblau leuchtend vorbeitreiben, ist besser als jeder Hollywood-Blockbuster. Einen ganzen Tag Auszeit gönnen wir uns hier, bekämpfen den Schlafmangel und tanken auf, bevor wir zuerst unsere Kajaks und dann uns selbst zurück ins 4 Grad kalte Wasser abseilen, um die bevorstehende Etappe in Angriff zu nehmen. Und die hat es in sich: erst 27, dann 19 Stunden, jeweils am Stück gepaddelt. Als wir in der Bucht anlanden, liegen unsere Akkus im roten Bereich. Aber trotz aller Erschöpfung sind wir überglücklich, die schwerste Etappe hinter uns zu haben. Fünf Tage später erreicht auch das norwegische Team die Bucht. Für sie ist das Abenteuer hier vorbei. Wir gratulieren, mit der Gewissheit, dass unser Ziel noch ein gutes Stück entfernt ist: Auf uns warten noch knapp 1000 Kilometer bis nach Longyearbyen, dem Start- und Endpunkt unseres Abenteuers.
Nach diesem unfreiwilligen Wettrennen entdecken wir schliesslich eine flache Stelle in der Gletscherwand, die stabil genug für unser Vorhaben aussieht. Mühsam und wackelig klettern wir aus den Booten, hinauf auf die Eiskante, und holen unsere voll beladenen Gefährte mit einem Flaschenzug nach. Die Szenerie ist magisch, wenngleich auch nicht ganz ungefährlich: Auf einem kalbenden Gletscher, der in beide Richtungen bis zum Horizont reicht, errichten wir unser Lager. Die Aussicht auf die vielen Eisberge, die im Meer weissblau leuchtend vorbeitreiben, ist besser als jeder Hollywood-Blockbuster. Einen ganzen Tag Auszeit gönnen wir uns hier, bekämpfen den Schlafmangel und tanken auf, bevor wir zuerst unsere Kajaks und dann uns selbst zurück ins 4 Grad kalte Wasser abseilen, um die bevorstehende Etappe in Angriff zu nehmen. Und die hat es in sich: erst 27, dann 19 Stunden, jeweils am Stück gepaddelt. Als wir in der Bucht anlanden, liegen unsere Akkus im roten Bereich. Aber trotz aller Erschöpfung sind wir überglücklich, die schwerste Etappe hinter uns zu haben. Fünf Tage später erreicht auch das norwegische Team die Bucht. Für sie ist das Abenteuer hier vorbei. Wir gratulieren, mit der Gewissheit, dass unser Ziel noch ein gutes Stück entfernt ist: Auf uns warten noch knapp 1000 Kilometer bis nach Longyearbyen, dem Start- und Endpunkt unseres Abenteuers.
Die Zielgerade
Doch im Vergleich zum ersten Teil unserer Expedition sind die kommenden drei Wochen eher eintönig. Fast wie eine Art Auslaufen nach dem Sport – wären da nicht die aufziehenden Winterstürme, die uns kräftigen Gegenwind und Schneefall schicken. Als wir die Hinlopenstrassse, eine Meerenge zwischen den Inseln Spitzbergen und Nordostland, hinter uns lassen, verschwindet endlich der graue Nebel. Sonne im Gesicht – was für ein Genuss! Zum Abend senkt sie sich als feuerroter Ball, tüncht den Himmel in schillernde Farben, um schliesslich zum ersten Mal während unseres Kajakabenteuers komplett hinterm Horizont abzutauchen. Jeder Paddelschlag bringt uns nun den Annehmlichkeiten der Zivilisation ein Stück näher – ein unbeschreibliches Gefühl.
Als wir am 5. September in Longyearbyen anlanden, kann ich meine Tränen nicht zurückhalten. Nach 71 Tagen und rund 2300 Kilometern haben wir als erste Menschen überhaupt die vollständige Umrundung aller vier Inseln des Spitzbergen-Archipels per Seekajak erfolgreich beendet. Überglücklich fallen wir uns in die Arme. In den letzten Wochen sind wir über uns hinausgewachsen. Die unglaublichen Strapazen und Entbehrungen haben uns ans Limit gebracht. Doch die Erschöpfung weicht der unglaublichen Erleichterung und Freude, das selbst gesteckte Ziel tatsächlich erreicht zu haben. Aus meinem Traum wurde Wirklichkeit!
Als wir am 5. September in Longyearbyen anlanden, kann ich meine Tränen nicht zurückhalten. Nach 71 Tagen und rund 2300 Kilometern haben wir als erste Menschen überhaupt die vollständige Umrundung aller vier Inseln des Spitzbergen-Archipels per Seekajak erfolgreich beendet. Überglücklich fallen wir uns in die Arme. In den letzten Wochen sind wir über uns hinausgewachsen. Die unglaublichen Strapazen und Entbehrungen haben uns ans Limit gebracht. Doch die Erschöpfung weicht der unglaublichen Erleichterung und Freude, das selbst gesteckte Ziel tatsächlich erreicht zu haben. Aus meinem Traum wurde Wirklichkeit!
Eisinseln im hohen Norden
Das Archipel Spitzbergen liegt nördlich des Polarkreises im arktischen Ozean. Die Jahresdurchschnittstemperatur auf der zu Norwegen gehörenden Inselgruppe liegt bei – 7 °C und ein Teil der zahllosen Eilande ist ganzjährig vom Eis der Arktis eingeschlossen.
Die vier grössten Inseln des Archipels sind Spitzbergen (norwegisch Spitsbergen), Nordostland (Nordaustlandet), Barentsøya und Edgeøya – insgesamt zählen aber rund 400 Inseln und Schären zu Spitzbergen. Insgesamt leben vor Ort rund 2600 Menschen dauerhaft, davon gut 2000 im Verwaltungszentrum Longyearbyen. Die meisten Bewohner sind Polarforscher oder Bergarbeiter – Spitzbergen verfügt über reiche Kohlevorkommen. Seit der Eröffnung des internationalen Flughafens in Longyearbyen ist das Archipel von der norwegischen Stadt Tromsø aus in knapp zwei Stunden erreichbar, wodurch sich in den vergangenen Jahrzehnten ein florierender Tourismus entwickelt hat. Spitzbergen verfügt über eine eigene Universität (UNIS), die den Forschern vor Ort als Basislager dient. Ausserhalb der Ortschaften gibt es auf den Inseln kaum Strassen oder befestigte Wege.
Teilweise Umrundungen per Kajak von Spitzbergen sind schon in der Vergangenheit gelungen, die Hauptinsel wurde bereits 1990 erfolgreich umpaddelt. Einzig Nordostland blieb bisher unbezwungen, viele Expeditionen scheiterten am Packeis. Ein weiteres Problem stellt die 160 Kilometer lange Eiskappe des Austfonna-Gletschers dar, die keine Möglichkeiten zum Ausruhen oder Abwettern auf festem Grund bietet. 2015 gelang nun gleich zwei Gruppen die Umrundung Nordostlands: der Gruppe um Jaime Sharp (Per Gustav Porsanger (39, Norwegen), Tara Mulvany (25, Neuseeland) und Jaime Sharp (33, Neuseeland)) und der norwegischen Gruppe «Nordaustland 2015», die am 14. August Kinnvisa erreichte, wo ihre Expedition begonnen hatte.
Weitere Informationen zu der Reportage und zu Jaime Sharp unter: worldwildadventureexp.blogspot.de
Die vier grössten Inseln des Archipels sind Spitzbergen (norwegisch Spitsbergen), Nordostland (Nordaustlandet), Barentsøya und Edgeøya – insgesamt zählen aber rund 400 Inseln und Schären zu Spitzbergen. Insgesamt leben vor Ort rund 2600 Menschen dauerhaft, davon gut 2000 im Verwaltungszentrum Longyearbyen. Die meisten Bewohner sind Polarforscher oder Bergarbeiter – Spitzbergen verfügt über reiche Kohlevorkommen. Seit der Eröffnung des internationalen Flughafens in Longyearbyen ist das Archipel von der norwegischen Stadt Tromsø aus in knapp zwei Stunden erreichbar, wodurch sich in den vergangenen Jahrzehnten ein florierender Tourismus entwickelt hat. Spitzbergen verfügt über eine eigene Universität (UNIS), die den Forschern vor Ort als Basislager dient. Ausserhalb der Ortschaften gibt es auf den Inseln kaum Strassen oder befestigte Wege.
Teilweise Umrundungen per Kajak von Spitzbergen sind schon in der Vergangenheit gelungen, die Hauptinsel wurde bereits 1990 erfolgreich umpaddelt. Einzig Nordostland blieb bisher unbezwungen, viele Expeditionen scheiterten am Packeis. Ein weiteres Problem stellt die 160 Kilometer lange Eiskappe des Austfonna-Gletschers dar, die keine Möglichkeiten zum Ausruhen oder Abwettern auf festem Grund bietet. 2015 gelang nun gleich zwei Gruppen die Umrundung Nordostlands: der Gruppe um Jaime Sharp (Per Gustav Porsanger (39, Norwegen), Tara Mulvany (25, Neuseeland) und Jaime Sharp (33, Neuseeland)) und der norwegischen Gruppe «Nordaustland 2015», die am 14. August Kinnvisa erreichte, wo ihre Expedition begonnen hatte.
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