Auf den Spuren der Berber – Mountainbiken in Marokko
Berge wie bizarre Paläste, gigantische Felswüsten, paradiesische Oasen und Menschen wie aus einem Märchenfilm – damit verzaubern die grossen Gebirgszüge im Norden Afrikas. Eine Biketour wie aus Tausendundeiner Nacht durch das steinige Herz Marokkos.
Die Sonne brennt. Es ist beinahe heiss – und das Mitte November. Kein Wunder: Der felsige Untergrund, in den sich die Stollen der Mountainbike-Reifen gerade krallen, liegt auf afrikanischem Boden. Genauer gesagt, in Marokko, an den südlichen Ausläufern des Hohen Atlas. Kurz nach Sonnenaufgang haben Lena und Flo Tamaloute verlassen. Die lehmfarbenen Türme der Kasbahs des kleines Örtchens wirken wie aus Tausendundeiner Nacht, Nacht, eingebettet zwischen Canyons und felsigen Bergmassiven. Ein paar Kilometer weiter öffnet sich ein Hochplateau, gesäumt von imposanten, burgartig anmutenden Felsmassiven mit eindrucksvollen Tafelbergen. «Beinahe wie in Utha», sinniert Flo gebannt. Er ist als Bikeguide schon in vielen Bergregionen herumgekommen. Doch so überwältigt wie hier war er selten. Eine Landschaft wie aus einem Monumental-Western. Kein Mensch weit und breit. Flo gibt seinem Bike die Sporen, klettert einen supersteilen Anstieg hinauf, an dem die Reifen förmlich zu kleben scheinen, und surft über versteinerte Wellen wieder bergab. Ein Ritt wie durch einen gigantischen natürlichen Bikepark.
Zwar entdecken allmählich immer mehr Mountainbiker, welches Potenzial die historisch entstandenen Nomandenwege im Hohen Atlas für Velo-Abenteuer bergen, doch die meisten geführten Gruppen rollen über breite Schotterpisten. Und die Bergpfade gehören immer noch weitgehend den Berbern, die noch heute mit ihren Schaf- und Ziegenherden als Nomaden und Halbnomaden durch die karge Gebirgslandschaft ziehen. So wie es ihre Vorfahren schon vor Jahrtausenden taten.
Einige Kilometer weiter führt die Route Flo und Lena auf eine mit Geländewagen befahrbare Schotterpiste. Die Luft über der Hochebene flirrt. Aus der Ferne nähern sich drei kleine Staubwolken. Zwei französische Enduro-Motorradfahrer samt Begleitfahrzeug. Als sich der Staub legt, taucht am Streckenrand eine Schafherde auf. Beinahe wüstenartig wirkt die Berglandschaft hier. Zwischen den Steinen suchen die Tiere nach ein paar trockenen Halmen. Es sieht aus, als würden sie am Fels knabbern. Keine Spur von saftigen Almwiesen wie in den Alpen. Doch sobald sich die Augen an die Felslandschaft gewöhnt haben, entdecken sie mittendrin stachlige, aber grüne Pflanzenpolster, Grasbüschel und hin und wieder sogar ein paar Blümchen.
Zwar entdecken allmählich immer mehr Mountainbiker, welches Potenzial die historisch entstandenen Nomandenwege im Hohen Atlas für Velo-Abenteuer bergen, doch die meisten geführten Gruppen rollen über breite Schotterpisten. Und die Bergpfade gehören immer noch weitgehend den Berbern, die noch heute mit ihren Schaf- und Ziegenherden als Nomaden und Halbnomaden durch die karge Gebirgslandschaft ziehen. So wie es ihre Vorfahren schon vor Jahrtausenden taten.
Einige Kilometer weiter führt die Route Flo und Lena auf eine mit Geländewagen befahrbare Schotterpiste. Die Luft über der Hochebene flirrt. Aus der Ferne nähern sich drei kleine Staubwolken. Zwei französische Enduro-Motorradfahrer samt Begleitfahrzeug. Als sich der Staub legt, taucht am Streckenrand eine Schafherde auf. Beinahe wüstenartig wirkt die Berglandschaft hier. Zwischen den Steinen suchen die Tiere nach ein paar trockenen Halmen. Es sieht aus, als würden sie am Fels knabbern. Keine Spur von saftigen Almwiesen wie in den Alpen. Doch sobald sich die Augen an die Felslandschaft gewöhnt haben, entdecken sie mittendrin stachlige, aber grüne Pflanzenpolster, Grasbüschel und hin und wieder sogar ein paar Blümchen.
Auf der Fährte des «Wüstenfuchses»
Ein «Wüstenfuchs» war es, der Flo die Idee für diese aussergewöhnliche Biketour in den Kopf gepflanzt hatte. Der marokkanische Ultraläufer und Bergführer Mohamad Ahansal hat den legendären Wüstenmarathon «Marathon des Sables» fünfmal gewonnen. Gleichzeitig hat er sich als Outdoor-Veranstalter etabliert und organisiert Trekking-Touren durch den Hohen Atlas. Ob man nicht auch einen Teil dieser Routen mit dem Mountainbike absolvieren könne, hatte sich Flo bei einem ersten Kennenlernen neugierig erkundet. «Klar», grinste Mohamad damals vielsagend, «du wirst staunen!» Und so entstand der Plan einer Durchquerung von den Tälern an der Südseite des Hohen Atlas durch das südlich anschliessende Jbel-Sarhro-Gebirge bis zu den Ausläufern der Sahara.
Staunend ziehen Lena und Flo ein paar Kilometer weiter die Bremsen, nachdem sie von der Schotterpiste auf einen schmalen Pfad abgezweigt sind. Mitten in dieser öden Wildnis stehen plötzlich zwei kleine Jungen am Wegesrand. Kaum älter als sechs, sieben Jahre. Irgendwo hinter der nächsten oder übernächsten oder überübernächsten Hügelkette sind wohl ihre Eltern. Doch für die Nomadenjungen sind die beiden vollgefederten Velos viel spannender, als Ziegen zu hüten. Nach ein paar Fotos schwingen sich Lena und Flo wieder in den Sattel. Etwa zwei Kilometer weiter legen sie nochmals einen kurzen Fotostopp ein. Und die beiden Jungen stehen an der nächsten Kurve schon wieder mit grossen Augen an der Strecke. Wie hingezaubert.
Nicht weniger grosse Augen machen Flo und Lena, als der Weg aus einem Canyon hinunter nach Ait Youl führt. Zwischen rauen Felsmassiven wachsen stolze Kasbahs in den blauen Himmel. »Das sind typische Wohnburgen der Berber«, erklärt Mustafa, ein Verwandter Mohamads, der Flo und Lena als einheimischer Guide begleitet. Die Bauwerke sind nur zu einem geringen Teil aus Stein gemauert.Die Wände bestehen aus getrocknetem Lehm, vermischt mit Schottersteinen und Spreu vom Weizen. Das hält das Raumklima im Inneren im Sommer kühl und im Winter halbwegs warm. Fenster gibt es nur wenige. Durch schmale Schlitze in den Wänden, durch die spärlich Licht ins das dämmrige Innere eindringt. Diese Öffnungen dienten früher auch als Schiessscharten, wenn der Ort gegen feindliche Stämme verteidigt werden musste.
Staunend ziehen Lena und Flo ein paar Kilometer weiter die Bremsen, nachdem sie von der Schotterpiste auf einen schmalen Pfad abgezweigt sind. Mitten in dieser öden Wildnis stehen plötzlich zwei kleine Jungen am Wegesrand. Kaum älter als sechs, sieben Jahre. Irgendwo hinter der nächsten oder übernächsten oder überübernächsten Hügelkette sind wohl ihre Eltern. Doch für die Nomadenjungen sind die beiden vollgefederten Velos viel spannender, als Ziegen zu hüten. Nach ein paar Fotos schwingen sich Lena und Flo wieder in den Sattel. Etwa zwei Kilometer weiter legen sie nochmals einen kurzen Fotostopp ein. Und die beiden Jungen stehen an der nächsten Kurve schon wieder mit grossen Augen an der Strecke. Wie hingezaubert.
Nicht weniger grosse Augen machen Flo und Lena, als der Weg aus einem Canyon hinunter nach Ait Youl führt. Zwischen rauen Felsmassiven wachsen stolze Kasbahs in den blauen Himmel. »Das sind typische Wohnburgen der Berber«, erklärt Mustafa, ein Verwandter Mohamads, der Flo und Lena als einheimischer Guide begleitet. Die Bauwerke sind nur zu einem geringen Teil aus Stein gemauert.Die Wände bestehen aus getrocknetem Lehm, vermischt mit Schottersteinen und Spreu vom Weizen. Das hält das Raumklima im Inneren im Sommer kühl und im Winter halbwegs warm. Fenster gibt es nur wenige. Durch schmale Schlitze in den Wänden, durch die spärlich Licht ins das dämmrige Innere eindringt. Diese Öffnungen dienten früher auch als Schiessscharten, wenn der Ort gegen feindliche Stämme verteidigt werden musste.
Affenfinger aus Stein und andere Märchengestalten
Kurz hinter den letzten Kasbahs hat die Canyon-Landschaft des Dadès-Tals Flo und Lena wieder. «Wie in einem Märchen», flüstert Lena immer wieder, völlig verzaubert von der Kulisse. Die Formen der Felstürme erinnern an bizarre Fabelwesen. Und die Gesteinsformation der «Monkey Fingers» gleicht tatsächlich einer überdimensionalen Affenhand. Noch mehr Kasbahs und noch mehr farbenprächtiges Märchenleben gibt es eine Stunde später in Boumalne Dadès. Im Zentrum der 12'500-Einwohner-Stadt am Flussufer des Dadès ist heute Souk – Markt. Stände mit Süssigkeiten, Obst und Gemüse wechseln mit bunten Bergen von Gewürzen. Ein Stück weiter gackern Hühner, meckern Ziegen, und überall ein schillerndes Gewühl aus Bergbewohnern, aus Jungen und Alten, mittendrin ehrwürdige Gestalten. Männer in Kaftanen, mit blitzenden Augen unter den Turbanen. Frauen mit blau-grünen Augen und gleichfarbigen Tätowierungen im Gesicht und an den Händen.
Traum oder Wirklichkeit? Mohamad hat wohl nicht zu viel versprochen. Dieser Mountainbike-Trip gleicht einer Zeitreise in die ferne Vergangenheit. Auf der Weiterfahrt vermischen sich die Bilder der kargen Berglandschaft mit den Impressionen des Marktes zu einer orientalisch unwirklichen Melange. Zauberhaft! Nicht ganz. Die Felder in der Ebene südlich von Boumalne Wirken aus der Ferne wie mit blauen Blumen gesprenkelt. Doch die entpuppen sich aus der Nähe als weggeworfene Plastiktüten, die der Wind angeweht hat. Wie einzigartig und schützenswert diese Märchenwelt ist, ist offenbar nicht allen klar.
Mit jeder Pedalumdrehung werden die Häuser von Boumalne kleiner. Aus der Ferne wirkt die Kulisse der Lehm- und Steinmauern der Stadt nun wie eine Burg, hinter der sich am Horizont die bis zu 4000 Meter hohen, dick verschneiten Flanken des Hohen Atlas auftürmen. Auch wenn es hier südlich des mächtigen Bergkammes tagsüber sommerlich warm ist, hält ebenso wie in den Hochlagen des Hohen Atlas im November der Winter Einzug. Bei der Anfahrt über die Passstrassen zwei Tage zuvor tobte ein Unwetter. Manche Streckenabschnitte verwandelten sich in wilde Bäche, die selbst per Geländewagen kaum noch befahrbar waren. Autogrosse Felsblöcke, die von den Berghängen auf die Strassen gepoltert waren, erschwerten das Durchkommen.
Traum oder Wirklichkeit? Mohamad hat wohl nicht zu viel versprochen. Dieser Mountainbike-Trip gleicht einer Zeitreise in die ferne Vergangenheit. Auf der Weiterfahrt vermischen sich die Bilder der kargen Berglandschaft mit den Impressionen des Marktes zu einer orientalisch unwirklichen Melange. Zauberhaft! Nicht ganz. Die Felder in der Ebene südlich von Boumalne Wirken aus der Ferne wie mit blauen Blumen gesprenkelt. Doch die entpuppen sich aus der Nähe als weggeworfene Plastiktüten, die der Wind angeweht hat. Wie einzigartig und schützenswert diese Märchenwelt ist, ist offenbar nicht allen klar.
Mit jeder Pedalumdrehung werden die Häuser von Boumalne kleiner. Aus der Ferne wirkt die Kulisse der Lehm- und Steinmauern der Stadt nun wie eine Burg, hinter der sich am Horizont die bis zu 4000 Meter hohen, dick verschneiten Flanken des Hohen Atlas auftürmen. Auch wenn es hier südlich des mächtigen Bergkammes tagsüber sommerlich warm ist, hält ebenso wie in den Hochlagen des Hohen Atlas im November der Winter Einzug. Bei der Anfahrt über die Passstrassen zwei Tage zuvor tobte ein Unwetter. Manche Streckenabschnitte verwandelten sich in wilde Bäche, die selbst per Geländewagen kaum noch befahrbar waren. Autogrosse Felsblöcke, die von den Berghängen auf die Strassen gepoltert waren, erschwerten das Durchkommen.
«Whiskey Berbère» – ein süsses Willkommen
Bald erreichen Lena und Flo die ersten Ausläufer der Jbel-Sarhro-Gebirges. Die ersten kleinen, zackigen Felsmassive erinnern an bizarre Ungeheuer. Hinter einem davon ducken sich in einer sandigen Ebene ein paar Häuser mit kleinen, schlichten Türmchen. Fensterlos. Tagdilt. Mit etwas ausgedörrter Kehle rollen Flo und Lena durch das Eingangstor in den Innenhof der Gîte. «Whiskey berbère?», fragt Herbergsvater Omar. Lena kuckt etwas irritiert. «Alkohol? Ist der hier nicht tabu?» Als wenig später Omar die traditionellen kleinen Gläser auf den Tisch stellt, dämmert es ihr. Nein, das ist kein Schnaps, sondern Tee. In hohem Bogen giesst Omar die belebende Mischung aus chinesischem Grüntee und Marokkanischer Minze in die Gläser. Je höher, desto besser, eine Zeremonie der Gastfreundschaft. «Ganz schön süss», lacht Lena, als sie ein erstes Mal nippt. Auch das ist ein Stück Gastfreundschaft: wenig Zucker – wenig Freundschaft, viel Zucker – viel Freundschaft. «Bismillah ... im Namen Allahs, Prost!»
Derweilen bereitet Achmed, der die beiden Bike-Abenteurer zusammen mit Guide Mustafa begleitet, nebenan das Dinner vor. Eine Komposition für den Gaumen, die die Sinne betört. Die traditionelle Harirasuppe mit Linsen und Kichererbsen, fein abgeschmeckt mit Ingwer, Safran, Paprika und Koriander. Im nächsten Gang serviert Achmed Tajine mit Kartoffen, Huhn, Rindfleisch und Trockenpflaumen. Und da Mountainbiker nie genug Kohlenhydrate bekommen können, krönt Achmed das Mahl zum Nachtisch mit Berbernudeln – feinfädrigen Teigwaren, garniert mit Zimt, Zucker und Nüssen.
Die Extraportion Energie kann nicht schaden. Denn am nächsten Morgen windet sich die Schotterpiste immer höher hinauf in die Lavaberge des Jbel-Sarhro-Massivs. Städte gibt es in dem 430 Kilometer langen und 50 bis 150 Kilometer breiten Gebirgszug nicht. Ein paar kleine, karge Dörfer und einsame Nomadensiedlungen sind die einzigen Zeugen der Zivilisation, die diese felsige Einsamkeit durchbrechen. Kein Wunder, Wasser ist in dem letzten grossen Gebirgszug vor der Sahara Mangelware. Flo und Lisa spüren das Wüstenklima am eigenen Körper. Seit sie der Ruf des Muezzin am Morgen geweckt hat, plagen sie Hals- und Kopfschmerzen. «Das liegt an der trockenen Luft», erklärt Mustafa. Nach den ersten Serpentinen ist Tiout erreicht. Eine kleine Siedlung inmitten der Felswüste. Kinder heften sich ans Hinterrad, laufen kilometerweit hinterher, scheinbar ohne ausser Atem zu kommen. Langsam wird klar, weshalb Mohamad ein so erfolgreicher Ultraläufer ist. Wer hier zügig vorwärtskommen will, dem bleiben nur zwei Alternativen: laufen oder reiten. Das Leben in den marokkanischen Bergen ist hart. Härter, als man es aus der verklärten, romantischen Perspektive des Reisenden wahrnimmt. Ein gesellschaftliches Problem kennen die Bewohner hier jedenfalls nicht: übergewichtige, durch Bewegungsarmut degenerierte Computer-Kids.
Derweilen bereitet Achmed, der die beiden Bike-Abenteurer zusammen mit Guide Mustafa begleitet, nebenan das Dinner vor. Eine Komposition für den Gaumen, die die Sinne betört. Die traditionelle Harirasuppe mit Linsen und Kichererbsen, fein abgeschmeckt mit Ingwer, Safran, Paprika und Koriander. Im nächsten Gang serviert Achmed Tajine mit Kartoffen, Huhn, Rindfleisch und Trockenpflaumen. Und da Mountainbiker nie genug Kohlenhydrate bekommen können, krönt Achmed das Mahl zum Nachtisch mit Berbernudeln – feinfädrigen Teigwaren, garniert mit Zimt, Zucker und Nüssen.
Die Extraportion Energie kann nicht schaden. Denn am nächsten Morgen windet sich die Schotterpiste immer höher hinauf in die Lavaberge des Jbel-Sarhro-Massivs. Städte gibt es in dem 430 Kilometer langen und 50 bis 150 Kilometer breiten Gebirgszug nicht. Ein paar kleine, karge Dörfer und einsame Nomadensiedlungen sind die einzigen Zeugen der Zivilisation, die diese felsige Einsamkeit durchbrechen. Kein Wunder, Wasser ist in dem letzten grossen Gebirgszug vor der Sahara Mangelware. Flo und Lisa spüren das Wüstenklima am eigenen Körper. Seit sie der Ruf des Muezzin am Morgen geweckt hat, plagen sie Hals- und Kopfschmerzen. «Das liegt an der trockenen Luft», erklärt Mustafa. Nach den ersten Serpentinen ist Tiout erreicht. Eine kleine Siedlung inmitten der Felswüste. Kinder heften sich ans Hinterrad, laufen kilometerweit hinterher, scheinbar ohne ausser Atem zu kommen. Langsam wird klar, weshalb Mohamad ein so erfolgreicher Ultraläufer ist. Wer hier zügig vorwärtskommen will, dem bleiben nur zwei Alternativen: laufen oder reiten. Das Leben in den marokkanischen Bergen ist hart. Härter, als man es aus der verklärten, romantischen Perspektive des Reisenden wahrnimmt. Ein gesellschaftliches Problem kennen die Bewohner hier jedenfalls nicht: übergewichtige, durch Bewegungsarmut degenerierte Computer-Kids.
Verloren in der Felswüste
Gegen Mittag ist die Passhöhe des Tizi n’Tazazert (2283 m) erreicht. Am Felsen nistet ein kleines Café. Eine Frau mit wettergegerbtem Gesicht verkauft Andenken. Ringsum – nichts. Nichts als Gipfel und Grate. Etwas unterhalb der Passhöhe deutet Guide Mustafa auf einen Trail, der sich ein steiniges Tal hinabwindet. «Ein Berber-Trail», meint Mustafa und zeigt weit, weit hinab ins Tal. «Dort unten ist ein weiterer kleiner Bergkamm. Da müsst ihr drüber. Wir treffen uns dann bei Bab n'Ali.» Sagt’s und verschwindet mit Achmed im Geländewagen auf der Schotterpiste, um das Nachtlager vorzubereiten. Also, ab auf den Trail! Flott lassen sich die ersten Kurven mit dem Bike durchzirkeln. Doch schon bald treiben zusätzlich zur Nachmittagshitze hohe Felsstufen und loser, grober Schotter den Schweiss auf die Stirn. Flo zieht die Bremse: eine Abzweigung. Und da unten noch eine dritte Pfadspur. Wo geht’s lang? Nach einigen Versuchen und kurzen Erkundungsfahrten stellt sich heraus: Ein klarer Weg ist nirgendwo zu erkennen. Sich jetzt quer durch die immer wieder von kleinen Schluchten durchzogene Felslandschaft zu schlagen, das wird dauern. Stunden. In ein paar Stunden wird es dunkel. «Berber-Trail!», grummelt Flo immer wieder vor sich hin. «Diese Berber müssen wohl gute Pfadfinder sein.» Am Ende bleibt nur eines: Rückzug. Flo und Lena schultern ihre Bikes und buckeln sie bergauf, zurück zur Passstrasse. Schade, eigentlich. Schotterpiste statt Singletrail. Doch sicher ist sicher. Und verdient das Panorama auch hier das Prädikat «atemberaubend». Kurz bevor die beiden die kleine Gîte am Fusse der Felsformation Bab n'Ali erreichen, geht die Sonne hinter den Felstürmen der beiden bizarren Tafelberge unter. Eine Szenerie wie im Monument Valley. Bald glitzern über Bab n'Ali die ersten Sterne – der Auftakt zu einer funkelnden, klaren Sternennacht, wie sie nur die Wüsten weitab vom Licht der Zivilisation hervorzaubern können.
Einer Sage zufolge handelt es sich bei den beiden Felsen Bab n'Ali um eine Hochzeitsgesellschaft. Der linke Felsen ist der Bräutigam, der rechte die Braut mit ihren Kindern. Lena und Flo feiern am nächsten Morgen mit – bei einem Ausritt auf traumhaften Singletrails. Die führen weiter in einen Wald aus oben abgerundeten Steinsäulen. Zwischendrin findet sich der eine oder andere überdimensionale versteinerte Dromedar-Höcker für einen Ritt wie in der Achterbahn.
Einer Sage zufolge handelt es sich bei den beiden Felsen Bab n'Ali um eine Hochzeitsgesellschaft. Der linke Felsen ist der Bräutigam, der rechte die Braut mit ihren Kindern. Lena und Flo feiern am nächsten Morgen mit – bei einem Ausritt auf traumhaften Singletrails. Die führen weiter in einen Wald aus oben abgerundeten Steinsäulen. Zwischendrin findet sich der eine oder andere überdimensionale versteinerte Dromedar-Höcker für einen Ritt wie in der Achterbahn.
Wo die Freiheit wohnt – ein Ort wie am Ende der Welt
Doch die Quittung für den Spass kommt sofort. Hinter dem nächsten Joch wartet erneut eine verblockte, steile Tragestrecke. Etwas misstrauisch blickt Lena zu Mustafa. Doch der lächelt versöhnlich. «Wir sind schon richtig hier.» Er schnappt sich Lenas Bike und trägt es bis zum Beginn des nächsten Hochtals. Dort bleibt Lena für einen Moment der Atem weg. Nicht wegen der Anstrengung. Im Gegenteil. Ein sanft ansteigender Trail schlängelt sich durch eine Ansammlung von Felstürmen, die im Halbrund eine Art natürliches Amphitheater bilden. Mittendrin, von der Sonne angestrahlt wie von einem Bühnenscheinwerfer, liegt hinter Steinmauern das Lager einer Nomadenfamilie. Am Himmel ziehen Adler und Bussarde ihre Kreise. Wenn es einen Ort am Ende der Welt gibt, dann liegt er wohl hier. »Die Berber«, erzählt Mustafa, »bezeichnen sich selbst als Imazighen, das bedeutet so viel wie‹ freie Menschen ›.» Vielleicht ist es ja auch ein Zeichen von Freiheit, nicht alle Schritte der »Segnungen« der westlichen Zivilisation mitzugehen. Hier jedenfalls liegt der Gedanke nahe. Die Berge hier wirken wie eine Schutzburg gegen die Versuchungen der Moderne. Ein Refugium der Ruhe. Der Gelassenheit. Ein Ort, an dem man bleiben möchte. Zumindest ein paar Augenblicke.
Die Frauen im Lager wenden sich ab, kein Fremder soll sie ansehen. Doch dann regt sich etwas. Ein Junge kommt herüber zum Pfad. Erst zögernd, dann lässig schlendernd, dann im Laufschritt. Wie heisst du? «Rachid», kommt die Antwort. Und dann deutet er auch schon auf den Bike-Sattel. Das Velo ist für ihn drei Grössen zu gross, doch egal, diese Chance will sich Rachid nicht entgehen lassen. Im Stehen tritt er in die Pedale, wackelt, schaukelt, holpert über die Felsen wie auf einem Hochrad. Da schleicht seine Schwester daher. Sie schiebt ein Klapprad mit Bonanza-Lenker. Die Kette fehlt. Flo und Lena würden gerne helfen, doch auch sie haben keinen Ersatz.
Nach einer kleinen Pause schwingen sich Flo und Lena auf die Velos. Rachid und seine Schwester schauen etwas traurig hinterher. Sie wissen wohl, was sie da gerade verpassen. In unzähligen Kurven windet sich der Singletrail hinab ins Tal, zum nächsten Dorf. Als Flo eine halbe Stunde später anhält, dringen die ersten Laute von unten herauf. Ein Hahn schreit. Noch ein Stück weiter. Schafe blöken. Dann meckern Ziegen. Kinderrufe mischen sich darunter, hell und unbeschwert. Zurück aus der Bergwüste, zurück im Grün. An einem Bachlauf wachsen Palmen. Unter einer hat Achmed eine Decke ausgebreitet. Lachend tischt er auf: Reis mit Fisch, Tomaten, Gurken, Eier, Orangen. «Bismillah ...!»
Die Frauen im Lager wenden sich ab, kein Fremder soll sie ansehen. Doch dann regt sich etwas. Ein Junge kommt herüber zum Pfad. Erst zögernd, dann lässig schlendernd, dann im Laufschritt. Wie heisst du? «Rachid», kommt die Antwort. Und dann deutet er auch schon auf den Bike-Sattel. Das Velo ist für ihn drei Grössen zu gross, doch egal, diese Chance will sich Rachid nicht entgehen lassen. Im Stehen tritt er in die Pedale, wackelt, schaukelt, holpert über die Felsen wie auf einem Hochrad. Da schleicht seine Schwester daher. Sie schiebt ein Klapprad mit Bonanza-Lenker. Die Kette fehlt. Flo und Lena würden gerne helfen, doch auch sie haben keinen Ersatz.
Nach einer kleinen Pause schwingen sich Flo und Lena auf die Velos. Rachid und seine Schwester schauen etwas traurig hinterher. Sie wissen wohl, was sie da gerade verpassen. In unzähligen Kurven windet sich der Singletrail hinab ins Tal, zum nächsten Dorf. Als Flo eine halbe Stunde später anhält, dringen die ersten Laute von unten herauf. Ein Hahn schreit. Noch ein Stück weiter. Schafe blöken. Dann meckern Ziegen. Kinderrufe mischen sich darunter, hell und unbeschwert. Zurück aus der Bergwüste, zurück im Grün. An einem Bachlauf wachsen Palmen. Unter einer hat Achmed eine Decke ausgebreitet. Lachend tischt er auf: Reis mit Fisch, Tomaten, Gurken, Eier, Orangen. «Bismillah ...!»
Sternenzelt überm Wüstensand
Ein lockeres Ausrollen, so lässt der Blick auf die Karte vor der letzten Etappe am nächsten Tag vermuten. Sie führt durchs Draa-Tal, durch Plantagen von Dattelpalmen bis zu den Ausläufern der Sahara. Doch die Strecke hat es in sich. Die sandigen Trails saugen schier die Kraft aus den Oberschenkeln. Es ist deutlich heisser als an den Tagen in den Bergen. Der Staub klebt auf der Haut. Dornen, die sich in die Reifen bohren, provozieren mehr als nur einen Plattenstopp. Lisa und Flo sind erleichtert, als in der Nähe von Zagora am Horizont die ersten Dünen auftauchen. Für das letzte kurze Teilstück durch den Wüstensand hat Mustafa einen Tuareg mit Dromedaren organisiert. Der bringt sie zum Lager in der Wüste, wo Mohamad wartet. Als der Mond aufgeht, erzählt er aus seiner Jugend als armer Nomadenjunge. Hier ist er aufgewachsen. »Wir sind als Kinder immer viel gelaufen«, sagt er, »oft hinter Ziegen und Schafen her«. Er und sein Bruder Lahcen rannten beim Marathon des Sables oft lange Strecken nebenher und wunderten sich, wieso die Läufer so langsam waren. Irgendwann durften sie dann selbst an dem Rennen teilnehmen. Mohamad hat den Wüstenmarathon fünfmal, Lahcen gar zehnmal gewonnen. Sie reihten sich unter die weltbesten Ultraläufer ein. Und mittlerweile organisieren sie selbst Marathonrennen in ihrer Heimat. Ein wahres Wüstenmärchen. Dann schnappt sich Koch Ahmed eine Djembé, eine Berbertrommel. Minuten später schliesst sich Mustafa mit einem Tamburin dem Rhythmus an. Die Tour geht so unglaublich und märchenhaft zu Ende, wie sie begonnen hat. Bald ist eine wilde Session im Gange – und das ganz ohne Alkohol. »Unser Schnaps ist der Minztee ...«, lacht Ahmed und legt ein wirbelndes Solo hin, «... der Whiskey Berbère». Über den Dünen der Wüste glitzert ein Sternenhimmel wie aus Tausendundeiner Nacht.
Trails im Märchenland Marokko
Die Gebirgszüge des Hohen Atlas und des Jbel Sarhro Gebirges in Marokko bieten ein enormes Potenzial für Mountainbike-Touren. Neben den Hauptrouten, die als Schotterpisten auch für motorisierte Fahrzeuge ausgebaut sind, durchzieht ein dichtes Netz an Berberpfaden die Berge. Sie verbinden einsame Bergdörfer oder führen zu Nomadensiedlungen in den Bergen und Hochtälern. Viele dieser Wege sind mit dem Mountainbike gut befahrbar, einige aber auch sehr ruppig oder stark verblockt. Mit Tragepassagen zwischendurch muss man je nach Route immer wieder rechnen. Wer abseits der Schotterpisten unterwegs ist, sollte sich einem Guide mit guten Ortskenntnissen anvertrauen, denn exakte Karten, die Aufschluss über die Qualität und Befahrbarkeit der Wege geben, gibt es nicht. Ebenso wenig Wegweiser.
HÖHENLAGE
ca. 700 – 4167 Meter (Jbel Toubkal)
CHARAKTER
Die Landschaft des Hohen Atlas bietet einen imposanten Wechsel aus Hügellandschaften, Felsmassiven, tiefen Canyons und teils fruchtbaren, teils wüstenartigen Hochtälern. Das südlich des Hohen Atlas gelegene Jbel Sarhro Gebirge ist noch felsiger und trockener und entsprechend noch weniger erschlossen. Offizielle und markierte Mountainbike Trails gibt es kaum, auch wenn das Netz an Bergpfaden enorm ist.
BESTE JAHRESZEIT
Frühjahr (April, Mai) und Herbst (September bis Anfang November); im Sommer mit Ausnahme der Hochlagen sehr heiss.
GUIDING
Mohamad Ahansal (spricht Deutsch), ahansal-brothers.com
Auch verschiedene Bikereise-Veranstalter bieten komplett organisierte Biketouren in Marokko an.
UNTERKUNFT
Guide Mohamad Ahansal organisiert auch Übernachtungen und Verpflegung in Gîtes sowie Transfers zu Start- und Endpunkten der Routen. Individuelle Gestaltung der Routen möglich.
ANREISE
Flug nach Marrakesch; per Auto oder Taxi-Shuttle in den Hohen Atlas, je nach Region ist dafür ein halber bis ganzer Tag Fahrt zu veranschlagen.
HÖHENLAGE
ca. 700 – 4167 Meter (Jbel Toubkal)
CHARAKTER
Die Landschaft des Hohen Atlas bietet einen imposanten Wechsel aus Hügellandschaften, Felsmassiven, tiefen Canyons und teils fruchtbaren, teils wüstenartigen Hochtälern. Das südlich des Hohen Atlas gelegene Jbel Sarhro Gebirge ist noch felsiger und trockener und entsprechend noch weniger erschlossen. Offizielle und markierte Mountainbike Trails gibt es kaum, auch wenn das Netz an Bergpfaden enorm ist.
BESTE JAHRESZEIT
Frühjahr (April, Mai) und Herbst (September bis Anfang November); im Sommer mit Ausnahme der Hochlagen sehr heiss.
GUIDING
Mohamad Ahansal (spricht Deutsch), ahansal-brothers.com
Auch verschiedene Bikereise-Veranstalter bieten komplett organisierte Biketouren in Marokko an.
UNTERKUNFT
Guide Mohamad Ahansal organisiert auch Übernachtungen und Verpflegung in Gîtes sowie Transfers zu Start- und Endpunkten der Routen. Individuelle Gestaltung der Routen möglich.
ANREISE
Flug nach Marrakesch; per Auto oder Taxi-Shuttle in den Hohen Atlas, je nach Region ist dafür ein halber bis ganzer Tag Fahrt zu veranschlagen.