Welcher Tourengeher oder Freerider kennt diese Situation nicht? Am Vorabend ist man über der Karte gesessen, hat mit dem aktuellen Lawinenbulletin geplant, die Route eingezeichnet, Schlüsselstellen markiert, das Wetter und Alternativen gecheckt – und sich auf den kommenden Morgen gefreut. Doch auf dem Weg von der warmen Stube hinaus in den Schnee verändert sich die Situation. Mal ist das Wetter schlechter als angenommen, mal ist eine Person abgesprungen, oder ein Kollege bringt einen Freund mit, mit dem bisher noch keiner auf Tour war. Kurz: Die Ausgangsbedingungen und die Verhältnisse auf der geplanten Route sind anders als erwartet.
Erfahrung vs. Computer
Zurück in den Hang. Eine Entscheidung muss her. Aber wie fällen wir sie als Gruppe, und vor allem wer entscheidet und mit welchen Argumenten? «Das Lawinenbulletin und die GRM vereinfachen stark, die Einflussfaktoren auf den Einzelhang sind viel komplexer, als dass sie ein Tool abbilden könnte», sagt auch Benjamin Zweifel, Lawinenprognostiker am WSL Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF. Hilft dann die eigene Intuition? «Eher schlecht», erklärt Zweifel. Das Problem sei, dass sich die Intuition aus der direkten Erfahrung speise. «Du haust dir mit dem Hammer auf den Daumen und du weisst, dass du mit dem Hammer aufpassen musst. Aber: Du fährst und hast keine Lawine ausgelöst. Das gibt dir ein positives Feedback. Du weisst aber nicht, wie nahe du an einer Auslösung warst.»
Das Gruppen-Check-Tool «SOCIAL» entstand aus der Doktorarbeit des Lawinenprognostikers Benjamin Zweifel. Es soll helfen, gruppenspezifische Risikofaktoren auf Skitouren zu minimieren. SOCIAL gibt es als Kärtchen und kann über das SLF (sekretariat@slf.ch) bezogen werden.
Skills:
Passt die Tour zum Können und zur Grösse der Gruppe? Mit welchen Fähigkeiten, aber auch Schwächen muss man planen? Bringt jemand eine fremde Person mit und was kann sie?
Organisation:
Wie ist die Gruppe zusammengesetzt, welche Rollen gibt es? Passt die Zusammensetzung zum Vorhaben? Manchmal ist es sinnvoll, die Gruppe zu teilen, um das Risiko zu minimieren.
Communication:
Während der Planung und auf Tour sehr wichtig. Wenn Parameter oder der Ablauf sich ändern, offen und klar kommunizieren. Kommt es zu Abweichungen vom Plan, stoppen und gezielt Veränderungen ansprechen.
Identifications:
Im Vorfeld die Erwartungen der Gruppenmitglieder klären, Alternativen diskutieren.
Anomalies:
Verändern sich Einflussfaktoren zur Planung, etwas ist «komisch», kann auch ein diffuses Gefühl sein. Sich die Frage stellen: Würde ich alleine genau gleich entscheiden?
Leadership:
Gibt es eine klare Rollenverteilung? Der Gruppenführer muss mögliche Probleme offen ansprechen und dadurch präventiv Druck abbauen.