Klettersteig: Interview mit Eugen Hüsler
Klettersteig: Interview mit Eugen Hüsler
 Datum: 15.04.2016  Text: Dominik Prantl 

Zum Nachtessen beim Klettersteigpapst – Interview mit Eugen Hüsler

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Zum Nachtessen beim Klettersteigpapst – Interview mit Eugen Hüsler
«Ich wollte immer auf den Mond»
Wahrscheinlich hat so gut wie jeder Liebhaber von Klettersteigen ein Buch von Eugen Hüsler im Regal stehen. Der 71-Jährige gilt in puncto Eisenwege der Alpen als der Experte. Dabei hielt der gebürtige Schweizer seine erste Via ferrata in den Dolomiten noch für einen Blitzableiter. Ein Gespräch in vier Gängen über fetzige Bergausrüstung, den ersten Roman und die Symbiose von Wein und Gipfeln.  
Eugen Hüsler öffnet die Tür seiner Wohnung in Dietramszell, etwa 40 Kilometer südlich von München. Das aus ­etlichen Klettersteig-Publikationen vertraute Gesicht blickt einem entgegen: wache Augen, grauer Bart. «Schön, dass ihr da seid», tönt aus dem grauen Bart eine freundliche Stimme, in der nur noch Spurenelemente eines Schweizer Akzents zu entdecken sind. Es wird ein genussreicher Abend.
Wann wurdest du zuletzt mit deinem Ehrentitel «Klettersteigpapst» angesprochen? 
Uff. Vielleicht vor einem halben Jahr, in einem Brief ... Moment, stimmt ja überhaupt nicht. Vor einigen Wochen erst hat mir ein guter Freund ein Foto geschickt mit «Klettersteigpapst». Also irgendwie bin ich irgendwo bei vielen offenbar als die graue Eminenz zu dem Thema abgespeichert.

Ist der Titel eine Ehre oder eher Ballast? 
Als er das erste Mal auftauchte – wahrscheinlich in einem Brief – habe ich lachen müssen. Ich empfand das immer als Kompliment. Weil ich zu der Zeit vielleicht am meisten über Klettersteige wusste.  

Du bist seit fast einem halben Jahrhundert auf Klettersteigen unterwegs, als viele Bergwanderer noch gar nicht wussten, was ein Klettersteig eigentlich genau ist. Hattest du den richtigen Riecher? 
Nein, alles Zufall. Ich bin ja auch nur per Zufall auf den ersten Klettersteig in den Dolomiten gestossen, am 21. Juli 1969. Jetzt wollen wir mal schauen, wie es mit den Geschichtskenntnissen aussieht. Was war da? 

Wahrscheinlich die Mondlandung. 
Genau. An dem Tag war ich mit einem Freund unterwegs, wir wollten eigentlich klettern gehen. Wir sind dann neben dem Stahlseil des Tomaselli-­Klettersteigs hoch, weil wir dachten, es wäre ein Blitzableiter. Das war meine erste Begegnung mit dem Thema. Daraufhin habe ich den ersten Klettersteigführer aus dem Rother-Verlag gekauft. Ich fand das schon allein deshalb recht cool, weil man Klettersteige auch problemlos alleine gehen konnte. Mit einer damals fetzigen Ausrüstung.  

Wie hat diese fetzige Ausrüstung ausgesehen? 
Eine Schleife um den Bauch, einmal über die Schulter, vorne verknoten, und ganz vorne kleine Karabiner. Also super, oder? Es heisst ja nicht zu unrecht, dass man beim Klettersteiggehen nicht stürzen soll.  

An einen Helm war noch gar nicht zu denken? 
Ungern. Bei Hildegard sowieso nicht. Sie hat dann immer – jung und hübsch wie sie war – gemeint: «Jetzt muss ich den Kochtopf wieder aufsetzen. Schaut ja furchtbar aus.» Die Ausrüstung war also mies, das Wissen nahe null, aber das Spannende war: Es hat wenig Literatur gegeben, und das Internet, wo man alles und tausend Meinungen über alles findet, sowieso nicht. Damals gab es nur die Berge. Manchmal hast du die Klettersteige einfach durch reinen Zufall im Gelände gefunden. Mir ist oft passiert, dass ich irgendwo unterwegs war und mir dachte: Hei, ein Drahtseil! Und hin bin ich.  

Was war denn so ein Zufallsfund? 
Der Che-Guevara-Klettersteig nördlich von Arco zum Beispiel. Wir waren am Gardasee zum Wandern unterwegs, fahren durch das Sarcatal zurück, und ich sehe links am Baum ein Schildchen hängen. Ich halte an, und auf dem Schildchen steht: Via Ferrata Che Guevara, Monte Casale. Eine Woche später haben wir uns den zu Gemüte geführt, und gleich in der nächsten Ausgabe habe ich etwas im Bergsteiger darüber geschrieben. 

Eugen Hüslers Frau Hildegard bringt die Vorspeise. Es gibt Bruschetta mit Cocktailtomaten. Dazu erst einmal: Wasser. 

Wir waren bei den Anfängen. Heute ist ein Eugen Hüsler ohne Bart kaum mehr vorstellbar. Hattest du den in deiner Anfangszeit auch schon? 
Nein. Ich war allerdings trotzdem nicht so kahl wie heute (streicht sich über den Kopf). Den Bart verdanke ich der Hildegard, die ich umständehalber beim Trekking im Himalaya kennengelernt habe. Sie meinte: Rasieren? Ja so was Doofes. Also habe ich mich nicht rasiert. Deshalb schau ich seit 1980 ungefähr so aus wie heute.
Eugen Hüslers 
ganz persönlicher Klettersteig-Tipp
Mein Liebster 

«Die Frage nach meinem liebsten Klettersteig ist deutlich schwieriger zu beantworten als die nach meiner Liebsten. Dolomiten, Brenta oder Tirol, Gardasee oder Lago di Como, die Französischen Alpen oder die Schweiz? Alter Chauvi, der ich bin, picke ich den Tälli heraus, einen echten Eidgenossen. Erbaut haben ihn Haslitaler Bergführer 1993 als allererste Via ferrata im Land der Banken, der Schoggi und der Ovomaltine überhaupt. Das erstaunt ein wenig, sagt man den Bernern doch eine gewisse Behäbigkeit nach. Gründlich sei man halt, wenden Wohlmeinende ein: erst nachdenken, dann handeln. Das hat sich beim Tälli-Projekt bestens bewährt. Der knapp einstündige Zustieg ist eine ideale Einstimmung auf das Felsabenteuer, der Drahtseilakt dann so angelegt, dass sich kaum jemand unter- oder überfordert fühlt, die Aus- und Tiefblicke verdienen locker drei Sterne, und der Rückweg übers Sätteli gestaltet sich zur feinen Kräuter- und Blumenwanderung. Das Tüpfelchen aufs i  liefert dann die blitzsaubere Tällihütte: goldbraun die Röschti, kühl und süffig das Bier. Gratis dazu gibt’s Aussicht auf Eiger, Wetterhorn & Co.»
Klettersteig: Interview mit Eugen Hüsler
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Klettersteig: Interview mit Eugen Hüsler
Klettersteig: Interview mit Eugen Hüsler
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Mit deinem ersten Buch hat es auch länger gedauert. Bis in die 1980er, oder?  
Da muss ich scharf nachdenken. Ich habe mehr als hundert Bücher auf dem Kerbholz, das macht es etwas schwierig. Den ersten Klettersteigführer habe ich jedenfalls beim Denzel-Verlag in Innsbruck – einem Ein-Mann-Betrieb – veröffentlicht. Kann sein, dass das so um 1982 war. Ich habe allerdings vorher schon viel für Polyglott geschrieben; Reiseführer für die Schweiz mit einer Auflage von 25’000. Da träumt man heute davon.  

Du warst demnach zuerst hauptberuflicher Autor, bevor du später hauptberuflicher Klettersteigpapst wurdest? 
Sehr viel später. Man fängt ja als Ministrant an, wird dann Pfarrer und irgendwann Bischof. Das geht recht lang, bis man da oben ist. Wobei ich eigentlich gelernter Heizungstechniker bin, aber das bitte nicht weitersagen. 

Das ist zu schön, um es nicht weiterzusagen. 
Ist mir schon klar. Meine Eltern haben mir – da war ich so 15 – gesagt: Okay, du kannst machen, was du willst, wenn du eine Berufsausbildung hast. Sie haben sich später auch daran gehalten, das fand ich gut. Ich habe dann vier Jahre die Ausbildung hinter mich gebracht und auch zwei Jahre als Heizungstechniker gearbeitet, aber eigentlich immer nebenher geschrieben. Mit neun Jahren war mein erster Roman fertig: Der Wilde Westen. Mein schönstes Buch. Später habe ich es mit Sciene-Fiction probiert. Vom Verlag kam dann ein Brief: «Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass ...» Gott sei Dank.  

Eigentlich wolltest du also schon immer Schriftsteller werden? 
Ja. Wirklich, wirklich, wirklich. Schon als kleiner Knirps gab es nicht Schöneres als Schreiben. Abgesehen davon gab es noch einen zweiten Berufswunsch: Astronom. Meine Eltern haben immer behauptet, dass mein erstes Wort «Möni» gelautet hätte, sprich: Mond. Ich wollte immer auf den Mond. Aber ich bin nie hingekommen. Dafür erscheint bald ein Bildband, zu dem ich die Texte schreibe, der sehr viel mit dem Mond zu tun hat.  

Dein wievieltes Buch ist das genau? 
Das 133. schätze ich jetzt mal. Vor fünf, sechs Jahren hat mich meine Frau mal gefragt, wie viele Bücher ich geschrieben habe. Aus dem Gedächtnis habe ich sie dann aufgelistet und kam auf 100. Vom Bruckmann-Verlag bekam ich damals ein sehr schönes Plakat geschenkt, mit allen Umschlägen der Bücher und dem Satz: 100 Jahre und kein bisschen leise.  

Hildegard befiehlt: «Pause!» Widerrede zwecklos. Zweiter Gang: ­Kabeljau-Bällchen auf Senfsauce, alles hausgemacht, dazu Pinot Grigio. Exquisit, aber nicht überkandidelt. 

Die vielen Bücher zeigen ja auch, wie sich das Thema Klettersteige entwickelt hat. Weisst du, wie viel Klettersteige es in den Alpen ungefähr gibt?  
Das mit dem Zählen ist schwierig, denn: Wo hört der gesicherte Steig auf und wo fängt der Klettersteig an. Am Anfang der ganzen Entwicklung war es so, dass man natürlich jeden Weg mit zwei Drahtseilversicherungen genommen hat, um ein Klettersteig-Buch zu füllen. Wenn man richtig aussiebt, sind es in den Alpen vielleicht 600 bis 700. Ich hatte in Büchern aber auch schon insgesamt 1200. Da ist aber alles Mögliche dabei, wo man niemals ein Klettersteigset mitnehmen würde. 

Nicht nur die Zahl der Klettersteige ist in die Höhe geschossen, auch ihr Charakter hat sich geändert. Gefällt dir diese Entwicklung? 
Überhaupt nicht. Viele moderne Klettersteige sind Hochseilgärten im Fels. Da ist jede Menge Action geboten, wenig Meter vom Parkplatz weg, mit Überhang und allem Drum und Dran. Aber es sind keine Bergtouren mehr. Es hat mit Bergsteigen nichts mehr zu tun.  

Also der Klettersteig als Selbstzweck. 
Als totaler Selbstzweck. Bei den schönsten Klettersteigen bist du eigentlich den ganzen Tag unterwegs. Da läufst du schon drei Stunden bis zum Einstieg, bist dann vier, fünf Stunden am Klettersteigen, und am Abend bist du blau. Da geht es auch ­darum, eine Landschaft zu erleben. Und das vermisse ich bei den neuen Anlagen. Da sagen die Tourismusverbände: Wir brauchen was für die Familien und was für die Adrenalinjunkies. Und dann entstehen eben diese Klettersteige mit einer Familienvariante, mit einer normalen Variante und einer verrückten. Den Leuten gefällt's. Für mich ist es nicht das grosse Erlebnis.
Klettersteig: Interview mit Eugen Hüsler
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Gleichzeitig steigt die Zahl der Rettungseinsätze. Bist du selbst am Klettersteig schon einmal in eine brenzlige Situation geraten? 
Nur mit dem Rennrad, aber nicht am Klettersteig. Ich musste nie gerettet werden. 

Mal gestürzt? 
Nein. Mal in der Nässe ausgerutscht und auf die Nase geflogen. Aber ohne bleibenden Schaden. Ich bin der Meinung, dass man das Gelände, in dem man sich bewegt, beurteilen können und im Griff haben sollte.  

Wenn man sich die Entwicklung so betrachtet: Immer mehr Menschen, immer mehr Action-Anlagen, immer mehr Unfälle. Macht dir das Klettersteiggehen da überhaupt noch Spass? 
Es hat eindeutig schon mehr Spass gemacht. Das hat zwei Ursachen. Wenn du mehr als tausend Klettersteige gegangen bist, ist es irgendwann nicht mehr so aufregend. Ausserdem wirst du älter. Früher bin ich über all diese Berge gerannt, ohne müde zu sein. Heute ist das etwas mühsamer. Und je mühsamer es wird, desto geringer ist auch die Freude dran. Du merkst, dass deine Möglichkeiten nicht unendlich sind, und das grenzt dich ein wenig ein.  

Deine wachsende Skepsis hat demnach nicht nur damit zu tun, dass sich der Klettersteig verändert, sondern eben auch der Hüsler?  
Natürlich. Der Hüsler ist älter geworden und die Klettersteige jünger. Vor allem haben sich die beiden auseinanderbewegt. Dass mir die neue Variante von Klettersteigen nicht gefallen hat, war aber schon vor 25 Jahren so. Um 1990 sind beispielsweise die ersten Klettersteige in Frankreich entstanden, und ich hatte damals schon das Gefühl: Das hat zwar einen gewissen Reiz, weil ich das mit den Seilbrücken und den verrückten Installationen ja überhaupt nicht kannte. ­Aber der Reiz verliert sich auch ziemlich schnell. In den Dolomiten macht mir das Klettersteiggehen auf den alten Vie ferrate dagegen immer noch Freude.  

Unter Alpinisten gelten Klettersteige immer noch als verpönt. Stört dich das? 
Früher gab es riesige Diskussionen darüber, aber das ist vorbei. Heute gehören Klettersteige zu den Bergen. Es gibt höchstens noch Diskussionen darüber, ob ganz extreme Klettersteige sein müssen. Weltmeister sind da die Österreicher, die Klettersteige in Überhängen anlegen, wo man nur als guter Kletterer drüberkommt. Das ergibt für mich keinen Sinn.  

Hauskatze Lissy schleicht ums Eck und mit ihr kommt der dritte Gang – Polenta mit Rosenkohl und Ragout vom Hochlandrind, dazu sardinischer Rotwein – und die beste Überleitung in den nächsten Teil des Gesprächs. 

Du würdest dich wohl selber eher der Sorte der Genussbergsteiger zuordnen. Hat dich das Extreme wie Höhenbergsteigen an Achttausendern und das Klettern schwerer Klassiker nie gereizt? 
Eigentlich nicht. Mir haben Klettersteige auch gereicht: Mit dem Thema war ich recht schnell ausgelastet. Da blieb gar nicht die Zeit, um grosse Utopien zu verfolgen. 

Hat es auch damit zu tun, dass dir das gute Glas Wein immer wichtiger war als ein möglichst hoher Gipfel? 
Nein, das stimmt nicht ganz. Als ich Hildegard 1980 kennengelernt habe, war ich in Sachen Klettersteigen schon schwer unterwegs. Wir haben dann miteinander einen kulinarischen Gipfel nach dem anderen bestiegen, nebst vielen, vielen Klettersteigen und Bergen. Genau das hat die Symbiose ergeben.  

Rührt daher auch die Liebe zu Italien, wo sich Berge und Kulinarik wunderbar verbinden lassen? 
Absolut. Ich liebe übrigens das warme Wetter, den Schnee dagegen eher weniger. Das treibt mich auf die Alpensüdseite. Wenn die hier im Norden der Alpen noch mit den Ski rumfahren, kann ich schon am Gardasee wandern oder einen Klettersteig gehen.  

Das heisst: Skifahren ist nicht dein Ding. 
Ich bin in Zürich aufgewachsen und meine Eltern waren – man könnte es mal so sagen – richtig unsportlich. Vor allem meine Mutter. Sport für Frauen war damals nicht die Regel. Mein Vater ist mit mir zum Fussball gegangen – ins Stadion die Grashoppers anschauen. Da ist das Thema Skifahren gar nie aufgetaucht. Ich habe dafür mit 12, 13 das Rennradfahren angefangen und bin dann wie ein Geistesgestörter mindestens 20 Jahre über jeden Alpenpass gefahren. Aber wirklich über jeden. Daraus wurde dann mein erstes Polyglott-Buch. 1969 ist das erschienen.
Klettersteig: Interview mit Eugen Hüsler
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Klettersteig: Interview mit Eugen Hüsler
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Du wirkst immer so ausgeglichen. Gibt es nichts, was dich einmal aus der Ruhe bringt? Oder sogar in Rage?  
Es gibt viele Themen, die mich sehr nachdenklich machen. Und manche Themen, die mich sehr traurig machen. Aber das mit dem wütend werden: Ich weiss, das ist nicht unbedingt meins. Wir diskutieren im Freundeskreis oft über all die Einschläge wie Flüchtlingskrise, Weltuntergang und Umweltkatastrophen. Das macht dich intellektuell zwar irgendwie wütend. Aber ich kann deshalb jetzt nicht in den Tisch reinbeissen. Ich mach’ das eher im Kopf.  

Ist das die Schweizer Seele? 
Ich weiss nicht, ob die Schweizer so sind. Da gibt es solche und andere. Sie reden jedenfalls nicht so geschliffen wie manche aus dem deutschen Sprachraum. 

Du meintest vor einigen Jahren, dass du kein Klettersteigpapst mehr sein möchtest. Warum? Papst ist man im Normalfall auf Lebenszeit, das kann man nicht so einfach ablegen.  
Es ist ja bekannt, dass man zumindest in Bayern als Papst zurücktreten kann. Wir sind als Paar gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass wir als Klettersteigpapstehepaar aufgehört haben. Es kommt ab und zu jemand, der mich deshalb interviewen will, aber sonst bin ich es natürlich nimmer.  

Hildegard meldet sich aus dem ­Hintergrund: «Gefühlt bin ich eine Million Klettersteige gegangen. Ich ziehe das Teil nimmer an!» 

Deine Frau ist manchmal nicht so begeistert, wenn du vom Klettersteiggehen sprichst. Was kommt jetzt noch?  
Ich mache Bücher mit anderen Themen: Zum Beispiel über Passstrassen der Alpen. Oder über die Berge bei Nacht. Oder ganz spannend: über Geisterstädte in den Alpen. Da gibt es vor allem in den Westalpen viele. Mich haben schon immer mehr die Alpen als Ganzes interessiert, also nicht nur das Eisen, das da rumhängt, oder die Gipfel, die rumstehen. Die Alpen sind ein Kulturraum, in dem sich historisch so viel abgespielt hat. Und das zu verarbeiten interessiert mich heute viel mehr als Klettersteige.  

Wäre nicht auch einmal ein bisschen Ruhestand schön?  
Nein. Das kann ich mir nicht vorstellen. Das ist wie ein Schwungrad, das in Schwung ist. Das kannst du nicht anhalten. Sonst gibt’s ne Katastrophe. Ich habe noch so viele Ideen. Das reicht locker noch fürs nächste Leben. 

Nachspeise: Obstsalat, dazu ein Syrah Rosé. Am Ende sagt Hildegard: «Schaut wieder vorbei, wenn ihr in der Nähe seid!» Es ist keine Floskel. Sie meint das ernst.
Emtweder oder...
Italien oder Schweiz
Wäre leichter zu beantworten, wenn die Dolomiten im Bernbiet stünden. Trotzdem: meine alte Heimat. Im Tessin kocht man ja schliesslich italienisch. 

Hütte oder Biwak  
Ganz ohne Schnarcher unter der Milch-
strasse träumen – einfach himmlisch! Aber nur bei einigermassen ebener Unterlage! 

Motorrad oder Velo 
Für jemand, der die Alpen im (harten) Sattel eines Rennrads entdeckt hat, stellt sich diese Frage nicht.

Zeitungspapier oder Tablet-PC  
Als ich geboren wurde, gab es noch nicht einmal Fernsehen in der Schweiz. Ein Morgen ohne Zeitungspapier und Kaffee aus meiner «Jura» geht gar nicht! 

Fisch oder Fleisch  
Mit Hildegard in der Küche kann die
Antwort nur sein: unentschieden. 

Wein oder Bier  
Nach der Tour schmeckt nichts besser als eine «Weisse». Zu Hause, am Abend, wenn’s in der Küche brutzelt und feine Düfte in die Stube ziehen: Wein, am liebsten rot und aus Italien. 

Haydn oder Hendrix 
«Hey Joe!» Nach grosser Tour auf der Heimfahrt im Auto, die Berge im Rückspiegel: CD rein, Bob Dylan, Leonard Cohen, Jimmy oder die Stones. Und im Westen geht die Sonne unter … 

West- oder Ostalpen 
Beides, am liebsten der Osten der Westalpen und der Süden der Ostalpen. 

Hund oder Katze  
Frag Lissy, unseren Stubentiger. 

Frühling oder Herbst  
Frühling, weil danach der Sommer kommt. Herbst macht mich immer ein wenig traurig, weil …