La Sportiva im Porträt
La Sportiva im Porträt
 Datum: 22.12.2021 

La Famiglia Sportiva: La Sportiva stellt sich vor

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La Famiglia Sportiva: La Sportiva stellt sich vor
Vom Wald an die Wand: Seit den 1920ern fertigen die ­Delladios Qualitätsschuhwerk im Trentino/Italien. Zunächst für Holzfäller und Bauern, bald für Bergsteiger und Kletterer. Dabei bleibt La Sportiva stets in Familienhand – und stets im Val di Fiemme.
Pietro Dal Pra hat bemerkenswerte Hände. Sie sind tellergross und geschunden. Der Italiener schwenkt sie oft und ausladend durch die Luft, wenn er spricht. Das heitere Berufe-Raten erübrigt sich, denn es ist offensichtlich – dieser sympathische Kerl ist Kletterer. Man sieht es ihm an. Man hört es. Er spricht mit einer solchen Leidenschaft über den Sport und seinen Arbeitgeber La Sportiva, dass man am liebsten gleich mit ihm in eine Kletterroute einsteigen möchte.
Der 44-Jährige aus Vicenza ist bei La Sportiva verantwortlich für die Entwicklung der Kletterschuhe, «aber im Grunde sieht man bei uns die Aufgabengebiete nicht so eng. Lorenzo ist Geschäftsführer, aber ich sehe ihn ständig in der Produktion, wie er vertieft an einem Schuh werkelt.» Pietro selbst macht noch «ein wenig Marketing, Events und Athletenbetreuung.» Gerade Letzteres ist für ihn eine Herzensangelegenheit, weil die Aufgabe sehr eng mit seinem persönlichen Werdegang verknüpft ist.
La Sportiva im Porträt
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Viele fleissige Hände - die Produktion von La Sportiva

Auf den Schachteln der Helden


«Ich erinnere mich, als wär’s gestern gewesen», sagt er und schüttelt den Kopf, «ich war 16 und mein Vater übergab mich an der Autobahn an Lorenzo.» Pietro holt aus – mit seinen Händen und seiner Geschichte. Er war damals das wohl grösste Klettertalent Italiens, war gerade eine 8b+ geklettert und bekam nun Schuhe von La Sportiva. «Man kann sich gar nicht vorstellen, was das für mich jungen Burschen damals bedeutet hat. Und dann fahre ich mit dem Chef der Marke zu einem Kletter-Event. Lorenzo war damals auch erst um die 30 und hat mich mit seinem Bus auf der Strasse eingesammelt. Vorne sass noch eine andere Athletin, also quetschte ich mich hinten zwischen einen Stapel Schuhkartons, wo Namen wie Stefan Glowacz draufstanden. Ich dachte, ich flippe aus.» 30 Jahre später sitzt er im Val di Fiemme in der Firmenzentrale und fühlt sich längst als Teil dieser besonderen Familie.

Narciso Delladio ist der Padre des Unternehmens: Als gelernter Schuhmacher fertigte er in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts Holz- und Lederschuhe für die Holzfäller und Bauern seiner Heimat. Doch in den Dolomiten liegen die Berge vor der Haustür und der Schritt hin zu Bergschuhen war buchstäblich naheliegend. Der gute Ruf von Delladios Handwerkskunst reicht schon bald weit über das Tal hinaus. Im Zweiten Weltkrieg erteilt deshalb die italienische Armee Grossaufträge. ­Narciso versteht aber nicht nur das traditionelle Handwerk. Er ist auch Tüftler, entwickelt ein neuartiges Schnürsystem und ist einer der ersten, der Skischuhe herstellt.
La Sportiva im Porträt
La Sportiva im Porträt
Klettern sollte geübt sein - La Sportiva ist beliebt bei vielen Kletterern

Der Einstieg in die Wand


Mit seinem Sohn Francesco übernimmt Ende der 50er-Jahre ein Stratege die Geschäftsleitung. Er baut eine neue Produktionsstätte und schafft schliesslich die Marke, wie man sie heute kennt. Unter den Namen «La Sportiva» tritt er 1962 erstmals auf einer Messe auf und nimmt den europäischen Markt ins Visier. Es geht stetig bergauf. Die Delladios werden zu einem der wichtigsten Arbeitgeber in ihrem Heimattal. Mit den drei Brüdern Francesco, Lorenzo und Luciano steht schliesslich die dritte Generation bereit, Verantwortung zu übernehmen.
«In Italien sagt man, mit der dritten Generation beginnt es zu kriseln. Bei La ­Sportiva begann es mit ihr zu spriessen», sagt ­Pietro. Die Gebrüder Delladio sind noch junge Burschen, als sie Mitte der 70er in die Firma einsteigen. Sie sind mit der Handwerkskunst aufgewachsen und mit gesunder Neugierde gesegnet. Ein einschneidendes Erlebnis hat Lorenzo bei einem Kletterkurs, wo er seinen Lehrer dazu bringen will, Bergschuhe von La Sportiva zu tragen. Der schüttelt aber nur den Kopf und schlägt seinem Schüler stattdessen vor, einfache, enge Schuhe aus Leder zu bauen und zwar mit einer komplett glatten Sohle. Das war’s: Die Bergschuhmarke erfindet den modernen Kletterschuh.
La Sportiva im Porträt
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Klettern bei La Sportiva

Famiglia Numero Due


Doch La Sportivas Dominanz in der Vertikalen ist noch einem weiteren Mann zu verdanken: Giuliano Jellici. Beziehungsweise: ihm und seiner Familie. Jellici hat das Schuhdesign der Marke ab den späten 70er-Jahren entscheidend geprägt. Wenn von dem genialen Produktentwickler die Rede ist, wird sogar Pietro Dal Pra wortkarg: «Ein Genie. Einfach ein Genie. Basta.» Giuliano verbrachte viel Zeit am Fels und beobachtete während Stunden die Athleten, führte lange Gespräche mit ihnen. «Er hat den Markt mit seinem unglaublichen Gespür revolutioniert,» meint Pietro. Da ist beispielsweise das Modell Mariacher, das mit seiner weichen, grippigen Gummisohle und den bunten Farben als erster moderner Kletterschuh gilt. Für den Mythos adaptiert Giuliano die Schnürung, die sich Firmengründer Narciso einst für Bergschuhe patentieren liess. Und als «Schuh ohne Ecken und Kanten» überrascht der sehr technische, runde Speedster die Szene.
Damit ist die Geschichte natürlich noch längst nicht zu Ende geschrieben. Der Staffelstab der traditionsbewussten Trentiner Schuhmacher-Familien wird an die nächste Generation weitergereicht. Giulianos Söhne Matteo und Enzo arbeiteten schon in den Schulferien immer im Betrieb mit und leiten heute das Produktentwicklungsteam von La Sportiva. «Enzo ist der Künstler», beschreibt Pietro das Brüderpaar. «Und Matteo ist der fokussierte Kopfmann.» Gemeinsam mit dem Vater entwickelten sie den legendären Allrounder Katana. Der Solution, der meist verkaufte Kletterschuh weltweit, ist schon ihr eigenes Werk. Wobei der Rentner Giuliano auch heute noch häufig bei La Sportiva anzutreffen ist. «Er sitzt still neben uns, betrachtet, hört zu. Dann macht er die kleinste Bemerkung und allen geht ein Licht auf», zollt Pietro Respekt.
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80 Meter und 55 Prototypen


Ist dieser familiäre Geist das Geheimnis von La Sportiva? Die Jellicis und natürlich die Delladios, die inzwischen mit der 31-jährigen Giulia Delladio die vierte Generation im Unternehmen stellen. «Absolut», sagt ­Pietro, ohne zu zögern. «Aber auch die Nähe. Die räumliche Nähe, die kurzen Wege, das ist ein gewaltiger Vorteil. Zwischen der ersten Produkt-Idee und dem finalen Produkt im Karton liegen 80 Meter. Und im Schnitt 55 Prototypen.» Drei bis vier Tage die Woche ist Pietro in der Halle oder am Berg, um Schuhe zu testen. «Es ist ein konstanter Prozess, und ein Modell braucht mindestens ein Jahr, bis es fertig ist. Doch wir gehen mit unseren Vorstellungen einfach nach nebenan in die Produktion und sprechen mit den Handwerkern direkt über die Umsetzbarkeit.»
Er überlegt und ergänzt: «Ich würde sagen, dass jeder hier den Ehrgeiz hat, Top-Produkte zu schaffen. Das ist fast Familienehre. 250 Leute arbeiten hier und irgendwie ist sowieso fast jeder mit jedem verwandt.» Der Mann aus Vicenza lacht und schmeisst die Hände in die Höhe: «Wir sind 15 Leute, die nicht aus dem Tal sind, aber Lorenzo will uns hier alle unbedingt einheiraten. Er ist ein grosser Kuppler. Aber ich sage immer – ich bin schon ein Teil der Familie.»