Julbo: am Puls der Outdoor-Sportler
Julbo: am Puls der Outdoor-Sportler
 Datum: 17.12.2021  Text: Thorsten Kaletsch 

Julbo: am Puls der Outdoor-Sportler

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Julbo: am Puls der Outdoor-Sportler
Gute Produkte brauchen kein Bling-Bling. Das weiss das renommierteste Weingut der Welt genauso wie es der Outdoor-Brillenhersteller Julbo weiss. Ob es Zufall ist, dass die beiden Unternehmen aus der gleichen Region im Osten Frankreichs stammen?
Wer sich im Weinbaumekka Burgund auf die Suche nach dem bekanntesten Weingut der Welt macht, braucht Sperberaugen und die Kombinationsgabe von Sherlock Holmes: In der Gemeinde Vosne-Romanée macht nichts, aber auch gar nichts auf die exklusive Domaine de la Romanée-Conti aufmerksam. Einzig eine mickrige Beschriftung an der Klingel des Weinguts liefert die Bestätigung, dass hinter diesen Türen die teuersten Weine der Welt entstehen.

Bei Julbo ist das ähnlich: Wer von Nyon her die 40 Kilometer zum Hochplateau Longchaumois im französischen Jura unter die Räder nimmt, sucht vergeblich ein Zeichen, das auf den renommierten Brillenhersteller hinweist, auf dessen Produkte Outdoor-Sportler aus der ganzen Welt schwören.
Julbo: am Puls der Outdoor-Sportler
Julbo: am Puls der Outdoor-Sportler
Geschäftsführung - Die Firma Julbo wird heute von Christophe und Mathieu Beaud geleitet
Doch halt: In der ländlich geprägten 1300-Seelen-Gemeinde Longchaumois findet sich neben dem Bar-Restaurant Les Charmilles und unweit der Boulangerie schliesslich doch ein kleines braunes Schild mit der Aufschrift «Julbo», das auf die Abzweigung von der Hauptstrasse aufmerksam macht. Doch auch das Firmengebäude, das aus einfachen, langen Lager- und Fabrikationshallen besteht, scheint sich lieber vor den Augen der Betrachter verbergen zu wollen. Das winzige Schild mit den Aufschriften «Julbo», «Henri Beaud» und «Pack Beaud» könnte glatt übersehen werden. Kaum jemand käme auf den Gedanken, dass sich hier der Hauptsitz eines internationalen Unternehmens verbirgt, das im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von 32 Mio. Euro machte.
Julbo: am Puls der Outdoor-Sportler
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Mode - Die erste Gletscherbrille der Marke Julbo

Bescheidenheit ist eine Zier

Keine Frage: Auch bei Julbo weiss man, was Understatement ist. «Wenn Sie mit den Menschen an unserem Hauptsitz sprechen, werden Sie merken, wie bodenständig, bescheiden und authentisch alle sind», erklärt der International Sales Manager Bertrand Ragonneau-Flemming, der im Greyerzerland wohnt und mehrmals monatlich für ein paar Tage in die karge Region im französischen Jura fährt. Und in der Tat: Sogar CEO Christophe Beaud mag es nicht, wenn zu viel Tamtam um das Unternehmen gemacht wird, das er vor 30 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder übernommen hat. «Ich mag das ländliche Klima, das hier herrscht. Es hat den Charakter der Menschen über Jahrzehnte geprägt. Und es prägt auch die Marke Julbo.»
Die Nähe zu den Menschen, die sich im Freien bewegen, und zu deren Bedürfnissen steckt praktisch in der DNA von Julbo. 1888 gegründet, entwickelte die Firma bald einmal Schutzbrillen für Steinmetze und «Cristalliers», die Kristallsucher aus Chamonix. In den Fünfzigerjahren produzierte das nach seinem damaligen Besitzer Jules Baud benannte Unternehmen dann die ersten Gletscherbrillen. Den ganz grossen Durchbruch schaffte Julbo aber erst unter der heutigen Führung. Als Christophe und sein Bruder Matthieu Beaud das Unternehmen 1990 von ihrem Vater übernahmen, machte es einen Jahresumsatz von 500'000 Euro. 2019 waren es 64 Mal mehr, und das Unternehmen zählte weltweit 240 Angestellte. Der Vater der beiden hatte Julbo 1979 übernommen und den Firmensitz von Morez nach Longchaumois verlegt. «Als es um die Nachfolge ging, hatten mein Bruder und ich gerade keine anderen Pläne», schmunzelt Christophe heute. «Es war eher Zufall, dass wir ins Unternehmen einstiegen.»
Julbo: am Puls der Outdoor-Sportler
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Feinfühlig - Genaigkeit bei der Produktion der Brillen
Was vorher heikel und konfliktbehaftet gewesen war – René Beaud führte das Unternehmen ebenfalls mit seinem Bruder –, erwies sich diesmal nicht als Nachteil: «Matthieu und ich ergänzen uns sehr gut. Er ist eher der Techniker, währenddem ich der Geschäftsmann bin. So kommen wir uns nicht in die Quere», sagt Christophe Beaud. Matthieu leitet deshalb die Produktion, Christophe ist CEO. Die Aktien befinden sich zu 100 Prozent in Familienbesitz.

Kundennähe und Innovationskraft


Die Bodenhaftung hat Julbo trotz des Erfolgs nie verloren. «Wir sind nahe an den Konsumenten, an den Sportlern und an den Verkäufern», beschreibt Christophe Beaud das Erfolgsrezept. «Finanziell können wir nicht mit einem Unternehmensriesen wie EssilorLuxottica konkurrieren, der Marken wie Oakley besitzt. Aber wir punkten mit Kundennähe, Flexibilität und Menschlichkeit.» Und mit Innovationen: Nach den ersten Gletscherbrillen setzte Julbo mit der Selbsttönungstechnologie Reactiv Photochromic und mit dem Super Flow System für eine bessere Belüftung Massstäbe. In den Neunziger Jahren lancierte das Unternehmen Sonnenbrillen für Kinder, und seit 2015 ist es mit eigenem RX-Labor am Firmensitz auch im Markt der Korrektionsbrillen für Jugendliche und Erwachsene tätig.
«Wir schauen kaum auf die Konkurrenz, sondern befassen uns primär mit den Bedürfnissen und Wünschen der Sportler», sagt Clément Bonnet, der bereits seit 18 Jahren für Julbo arbeitet. Er staunt selber, wie es dem vergleichsweise kleinen Unternehmen immer wieder gelingt, Weltneuheiten zu lancieren. Produkte wie zuletzt die EVAD-1, eine Sportbrille, die im Sichtfeld live digitale Leistungsdaten anzeigt. «Der Entwicklungsbereich ist für uns sehr wichtig», sagt Bonnet. Man arbeite deshalb eng mit Sportlern zusammen. «Aber bei uns sind die Sportler nicht nur Botschafter, sondern arbeiten auch tatsächlich intensiv an neuen Produkten.»
So wie Biathlon-Star Martin Fourcade, der zusammen mit seinem Bruder Simon und dem französischen Nationalteam an der Monoscheibenbrille Aero mitarbeitete. «Er weiss ganz genau, was er will und ist sehr präzis», betont Clément Bonnet. «Dank seiner Arbeit und den Tests mit den Nationalteam haben wir rund zwei Jahre Entwicklungsarbeit gespart und viel Glaubwürdigkeit im Sektor der Sportbrillen gewonnen.» Aktuell wird gerade das limitierte Modell Ultimate Carbon by Martin Fourcade lanciert, das Bonnet für einen Meilenstein in der Geschichte von Julbo hält. «Es ist das Hightech-Modell für Spitzensportler.» Oder der französische Langlaufstar Maurice Manificat: Er war sich nicht zu schade, in der eigenen Garage Prototypen anzufertigen.
Julbo: am Puls der Outdoor-Sportler
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Team Meeting der Firma mit neuen innovativen Ideen
Die Zusammenarbeit mit Sportlerinnen und Sportlern hat bei Julbo Tradition. Schon in den Siebziger Jahren testete der französische Alpinist Yannick Seigneur die Produkte auf Achttausendern. Heute gehören Cracks wie Géraldine Fasnacht, Samuel Anthamatten, Ines Papert, aber auch Langläuferin Laurien Van der Graaff sowie Mountainbiker, Segler, Trailrunner, Windsurfer und Biathleten zum Julbo-Team. Die Philosophie der Entwicklungsabteilung formuliert Clément Bonnet so: «An erster Stelle steht immer der Komfort. Brillen müssen angenehm zu tragen sein und sitzen.» Erst danach komme die Funktionalität. «Brillen müssen gut vor der Sonne schützen. Deshalb haben wir hohe Anforderungen an unsere Gläser.

»Die Ästhetik schliesslich sei subjektiv. Trotzdem sei es wichtig, eine Harmonie zwischen Funktionalität und Ästhetik zu finden. Neben Sonnenbrillen produziert julbo auch Skibrillen und Skihelme. «Wir mussten uns etwas diversifizieren, aber wir sind dem Outdoorsport immer treu geblieben», sagt CEO Christophe Beaud. Entwicklungsmöglichkeiten sieht er in Zukunft vor allem noch im Mountainbike-Markt.

Der wichtige Schweizer Markt


Die Schweiz ist für Julbo der wichtigste Markt nach Frankreich, wie International Sales Manager Bertrand Ragonneau-Flemming betont. Neben der Filiale in Sitten verfügt das Unternehmen auch noch über eine weitere in Vermont (USA). «Die Schweiz ist aber auch sonst bedeutsam für uns», erklärt Christophe Beaud. «Es ist der erste Markt, in dem wir unseren Direktvertrieb eingeführt haben.» In der Romandie sei die Marke bestens etabliert, währenddem es in der Deutschschweiz noch Potenzial gebe.

Sehr viel Wert legt der CEO auf die Tatsache, dass Julbo der einzige Sport- und Sonnenbrillenhersteller ist, der nicht in Asien produziert. «An unserem Sitz in Longchaumois fertigen wir die Prototypen bis hin zur ersten Serie von 100 Stück von A bis Z. Danach produzieren wir die Brillen in Rumänien. Die Fertigung in Europa ist für uns ein Vorteil.» Damit spricht er nicht nur die geografische Nähe und die schnelleren Reaktionszeiten an. «Defekte Maschinen und Anlagenteile können wir problemlos nach Longchaumois transportieren und hier reparieren.»
Obwohl der Hauptsitz von Julbo nur über Bergstrassen erreichbar ist, war der Umzug in eine verkehrstechnisch günstigere Region nur kurz ein Thema. «Wir mögen die Landschaft hier, wir sind umgeben von der Natur – das garantiert Lebensqualität und passt zu Julbo», betont der Christophe Beaud. Seit Ausbruch der Pandemie sehe man noch klarer, wie wertvoll das sei. Dafür nehme man kleinere logistische Schwierigkeiten gerne in Kauf.
MEILENSTEINE

 1888
Gründung des Unternehmens in Morez im französischen Jura

 
1951
Entwicklung der ersten Gletscherbrille «Vermont» für Bergsteiger und Alpinisten. Heute ein begehrtes Sammler-Objekt

 
1963
Die Söhne von Jules Baud benennen das Unternehmen nach ihrem Vater: Julbo

 
1970
Spitzenalpinist Yannick Seigneur wird technischer Berater. Er testet die Produkte auch auf dem Everest, Makalu und Annapurna


1979
René Beaud, der Vater der heutigen Besitzer, kauft das Unternehmen. Umzug nach Longchaumois

 
1986
Julbo bringt «Baby»-Brillen auf den Markt, um auch die Augen der Jüngsten zu schützen

 
1997
Entwicklung der Segelsport-Produktreihe «Nautic»


2005
Lancierung der Selbsttönungstechnologie Reactiv Photochromic mit permanenten Updates

 
2008
Julbo setzt vermehrt auf Multisport und begleitet Mike Horn auf seiner vierjährigen Segelreise um die Welt

 
2015
Julbo revolutioniert den Markt mit den Korrektur-Sportsonnenbrillen «RX Trem»