Auf ein Wort mit Caro North
Auf ein Wort mit Caro North
 Datum: 23.12.2021 

„Ein sehr reduziertes Abbild von mir“

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„Ein sehr reduziertes Abbild von mir“
Ihr Gesicht füllt die Plakate der diesjährigen European Outdoor Film Tour: Caro North ist Profi-Alpinistin und Bergführerin. Wir haben mit ihr über ihren Kurzfilm, die Leidenschaft zum Klettern, ihre Werte und Wünsche gesprochen.

Caro, wie fühlt es sich an das Gesicht der EOFT zu sein?
Das ist schon mega speziell und beeindruckend. Ich hab‘ früher als Studentin schon auf der EOFT gearbeitet, ich habe an der Abendkasse Tickets verkauft. Zusätzlich bin die Kletterhallen in der Schweiz abgefahren und hab die Plakate dahin gebracht. Jetzt selber auf dem Plakat zu sein, ist halt echt der Wahnsinn. Ich kenn das Ganze, was hinter der Tour steht und jetzt mal vorne dran zu sein, ist echt cool.

In der Kletterszene bist du schon länger bekannt. Wie begann dein Weg zur grossen medialen Präsenz?
Ein ganz grosses Ereignis, was mich einfach medial und weltweit bekannt gemacht hat, war 2015. Da bin ich gemeinsam mit Chrissi Huber als erste Frauenseilschaft den Cerro Torre in Patagonien frei geklettert. Und das ging plötzlich voll durch die Medien. Zu Beginn schon noch vermehrt durch die Klettermedien, aber zudem viel schneller, als wir es uns gedacht hätten, dann auch um die ganze Welt. Danach war ich präsent, habe weitere Expeditionen und spezielle Touren gemacht und es kamen immer mehr Journalisten auf mich zu.

Bei der diesjährigen European Outdoor Film Tour wirst du mit einer Tour auf das Schreckhorn porträtiert. Jetzt mal spitz gefragt: War der Film eher eine Marketing-Geschichte für Mammut, weil du dort ja auch Athletin bist?
Also sie wollten schon lange ein Porträt über mich machen an der EOFT, weil sie mich eben gut als eine von ihnen kennen. Aber klar, so was muss auch immer finanziert werden. Der Film ist jetzt halb von Mammut und zur anderen Hälfte von my switzerland, also dem Tourismusverband der Schweiz, finanziert. Darum haben wir auch geschaut, welche Region mich wie charakterisieren kann. Die Schweiz ist wie meine Heimat und da bin ich auch einfach viel unterwegs. Das passt von daher voll gut, aber gewisse Vorgaben gab es schon.

Wurde es aufgrund der Vorgaben auch die Tour auf das Schreckhorn? 
Das Schreckhorn stand schon lange auf meiner Liste, ich hatte da schon mal vor vier Jahren einen Filmversuch. Zunächst war auch noch eine andere Tour auf den Gipfel geplant, über die Traverse. Allerdings hat das Wetter nicht mitgespielt und wir mussten die Tour anpassen. Aber im Endeffekt haben wir was gemacht, was ich noch cooler find, wir haben das Gleitschirmfliegen, die Skier und sogar noch ein Biwak kombiniert. Also an sich hat es mir von der Tour glaub eher noch mehr Spass gemacht und ich bin fast froh, dass die Bedingungen für die Traverse nicht gut genug waren.

Und wie bist du mit dem Endergebnis des Films zufrieden? Fühlst du dich gut getroffen?
Mmh ja, ich fühl mich schon gut getroffen, aber nur in einem kleinen Bereich. Es wurde ein ganz grosser Teil weggestrichen. Der Film charakterisiert mich und mein Leben in der Schweiz gut. Allerdings ist für mich ein ganz, ganz grosser Part meines Lebens, draussen in der Welt auf Expedition unterwegs zu sein. Und das kommt gar nicht zur Sprache. Der Film ist einfach ein sehr reduziertes Abbild von mir.

Auf ein Wort mit Caro North
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Ihr Gesicht füllt die Plakate der diesjährigen EOFT.
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Interview nach der Premiere ihres Kurzfilms in München.
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Caro North ist Mammut Athletin, Bergführerin und Profi-Alpinistin.

Du bist in der Tat viel unterwegs, wenn man sich deine Biografie, Expeditionen und Touren anschaut. Wenn du dein Leben in einem Bild beschreiben müsstest, wie sähe das aus?
Es wäre ein sehr buntes Bild mit ganz vielen Details, weil mein Leben ziemlich farbig und facettenreich ist. Es gibt das Bergsteigen, das Klettern, Fliegen, Ski fahren und es gibt meinen Bus, mit dem ich immer unterwegs bin. Bunt auch deshalb, weil ich eben so gerne in andere Länder reise und dabei viele unterschiedliche Kulturen kennenlerne.

Wie kam es dazu, dass du Profi-Alpinistin geworden bist? 
Caro: Das ist voll der Prozess gewesen, weil man sich ja nicht wie beim Fussball zum Beispiel entscheiden kann, bei einem Verein zu spielen, der das professionell macht. In meiner Jugend bin ich Wettkampf geklettert, also deutsche Meisterschaften und Deuschland-Cups, das aber auch nur, bis ich so 18 Jahre alt war. Damals hab‘ ich mich für die deutsche Meisterschaft qualifiziert, bin die auch geklettert, danach aber war so ein bisschen die Luft für mich raus. Ich bin jemand, der extrem gerne draussen trainiert und klettert. Der Naturaspekt spielt für mich eine grosse Rolle und den hat man halt beim Wettkampfklettern nicht. Und ich glaub, was für mich zusätzlich so ein ganz ausschlaggebendes Ding war: Ich habe immer gesagt, dass ich Alpinismus mal auf professioneller Ebene betreiben will und den Weg zu 100 Prozent eingehe, alles andere eher links liegen lasse. Es gibt wenige in meinem Umfeld und in meinem Alter, die so die Priorität daraufgesetzt haben. Das aber hat mich dahin gebracht, wo ich heute bin.

Also gab es keinen Plan B für dich? 
Doch. Ich hab‘ Umweltwissenschaften in Lausanne studiert, also ein abgeschlossenes Studium und könnte damit auch arbeiten, hab ich aber noch nie.

Das Klettern ist ein sehr grosser Teil deines Lebens. In einem anderen Interview hast du mal gesagt, das es dir auch dein Selbstbewusstsein gegeben hat.
Wie würdest du sagen, hat der Klettersport dein Leben insgesamt beeinflusst?
Also das mit dem Selbstbewusstsein ist ganz sicher so. Meine Mama hat das auch voll beobachtet. Ich hab‘ mit elf Jahren angefangen zu klettern und damals war ich eher ein Mädchen, das nicht sehr selbstbewusst war, einfach eher ein Mitläufer. Mit dem Klettern hab ich eine Leidenschaft bekommen, also etwas, was mir ganz viel Spass macht und mir irgendwie so Kraft für mein Leben gibt. Das Klettern definiert mich zu einem grossen Teil und ich kann dadurch sagen: Ich bin das, ich kann das. Und dadurch selbstbewusster geworden zu sein ist voll schön.

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Gipfelglück
Auf ein Wort mit Caro North
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Das Klettern auch im Eis ist ihre grosse Leidenschaft.
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Caro ist überall auf der Welt allein und mit Freunden unterwegs.
Was gibt dir das Leben, das du jetzt führst, allgemein?
Boah, mir gibt das ganz, ganz viel Freude und Glück. Ja, ich glaub, ich leb‘ ein wirklich leichtes, freiheitsgetriebenes Leben. Also es gibt sicherlich wie bei jedem immer auch dunkle, traurige und einsame Phasen, aber insgesamt bin ich jemand, der ein energetisches Leben führt und das macht’s mir auch so lebenswert.

Gibt es auch einen Preis für all das Positive?
Ja, es gibt immer einen Preis! Der Preis von meinem intensiven und extremen Leben ist definitiv, dass da eben immer auch ein gewisses Risiko dabei ist. Es sind bereits viele meiner Freunde umgekommen, das ist hart und wird auch immer hart bleiben. Es ist ein hoher Preis, den ich zahle: dass der Sport, den ich liebe, auch Menschenleben nimmt.

Wie kann man die tödlichen Unfälle reduzieren? 
Die meisten tödlichen Unfälle passieren in Situationen, in denen mir das genauso passieren könnte, es ist einfach das gewisse Restrisiko, was bei diesem Sport bleibt! Das ist jedem, der das professionell macht, bewusst. Das macht alles aber auch so intensiv, weil du halt weisst, du musst voll aufpassen, immer voll da sein! Du spielst einfach mit der Naturgewalt und die können wir nicht beherrschen. Ich will sie aber auch gar nicht beherrschen können: Für mich ist Bergsteigen mit dem Berg zusammenarbeiten, mit der Natur in Kontakt und Einklang sein. Ich glaube, wirklich wichtig ist eine gute Ausbildung und das in den Medien nicht nur Schwierigkeitsgrade zählen, sondern mehr das Erlebnis im Vordergrund steht.

Wie wird das innerhalb der Community besprochen, wenn Unfälle passieren?
Das wird viel zu wenig besprochen! Bei Piloten beispielsweise gibt es ja wie so eine Art Kultur, dass Fehler nicht als was Schlimmes abgeschrieben werden, sondern das man drüber redet und draus lernt. Im Bergsport ist das noch ein ziemliches Tabu. Also dass keiner über die Fehler redet, weil dann oft so mit dem Finger drauf gezeigt wird und gesagt wird, das war schlecht. Und ich glaube, wir müssen im Bergsport aufhören, Fehler als dieses Tabu anzusehen. Das Alpinist*innen nicht das Gefühl haben, sie werden schlecht dargestellt, wenn sie Fehler machen, sondern sich trauen, über die eigenen Fehler zu reden und deshalb alle davon lernen können.

Was ist einer der besten Momente bisher für dich gewesen?
Das ist echt schwierig zu sagen, weil gell, mein Leben ist so bunt und es gibt so viele schöne Momente und mein absolutes Highlight ist auch nicht unbedingt, wenn ich oben auf dem schwierigsten Gipfel stehe. Es kann einfach ein Biwak sein, das ich mit Freunden zusammen mache. Den einen besten Moment gibt’s für mich nicht ­– zum Glück!
Auf ein Wort mit Caro North
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Caro in der Kürze:

Wenn du nicht in den Bergen bist, wo dann?
In meinem Bus.

Was darf auf einer Expedition nicht fehlen?
Schweizer Käse und Schweizer Schokolade.

Ein einschlägiges Bergerlebnis?
Biwakieren bei schlechtem Wetter. Boah, da kann’s ungemütlich werden, wenn du gekauert in der Wand hockst und dir die acht Stunden wie `ne Ewigkeit vorkommen.

Wenn du nur noch eine Expedition machen könntest, wo würdest du hin?
Zu den Trangotürmen nach Pakistan.

Wenn du mal umkehren musst, dann?
Ist das immer ein zerrissener Moment und auch viel subjektives Entscheiden. Mir geht’s mit Umdrehen aber nie schlecht, denn ich dreh lieber fünf Mal um und leb dafür zehn Jahre länger.

Dein Motto?
Alles was du willst, kannst du erreichen! Das klingt abgedroschen, ist aber für mich echt wahr. Meist legt man sich die Barrieren selbst in den Weg. Auch wenn etwas unmöglich oder unfinanzierbar erscheint, dann muss man dafür arbeiten, manchmal auch Jahre lang, aber ich glaube, wenn man etwas wirklich will, dann wird man es sich auch erfüllen können.

Nächstes Jahr möchtest du mit einer reinen Frauengruppe, bestehend aus Seglerinnen und Alpinistinnen, nach Grönland, um dort eine Bigwall zu klettern. Was möchtest du neben dem Projekt Grönland noch erreichen?
Oh, ganz viel. Einiges in den Alpen: Da gibt es Touren, die ich klettern will, Gipfel, die ich noch nicht bestiegen hab. Auf jeden Fall will ich auf den Trango Torre in Pakistan und in den USA im Yosemite-Nationalpark nochmal an den «Freerider» am El Cap. Die Wand hab` ich fast komplett frei geklettert, also mit Seil, aber ohne zu stürzen. Und da fehlen mir noch zwei Seillängen oder so.

Was denkst du ändert sich in deinem Leben nach der diesjährigen Filmtour?
Schwierige Frage. Ich glaub‘, erst mal nicht so viel. Ich hoff‘, dass ich noch bisschen mehr Sponsoren krieg und dadurch mehr vom Alpinismus, also meinen Expeditionen, leben kann. Bergführen tue ich extrem gerne, aber ich mach das momentan noch mit einem ziemlich hohen Pensum und das ist dann halt Zeit, in der ich nicht für mich selbst trainieren kann. Wenn ich also bisschen runterfahren könnte, denke ich, wäre es möglich, mein Niveau auch nochmal ziemlich hoch zu pushen. Das ist deswegen so ein bisschen mein Traum, dass es noch mehr in die Expeditionsrichtung geht.
Auf ein Wort mit Caro North
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Caro gibt bei allem, was sie macht Vollgas und 100 Prozent.
Auf ein Wort mit Caro North
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Die Kombination macht’s: Klettern, Ski und Gleitschirm fliegen.