Deuter im Porträt
Deuter im Porträt
 Datum: 28.12.2021  Text: Barbara Meixner 

Ganz nach oben: Deuter stellt sich vor

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Als Hans Deuter 1898 seine Firma gründete, konnte er nicht ahnen, dass Deuter-Rucksäcke eines Tages zu den meistgetragenen Modellen gehören würden. Doch die Leidenschaft für Berge führt den Augsburger Hersteller Stück für Stück näher zum Ausrüstungsgipfel. Von der Bierzelt-Manufaktur zum Mount Everest – eine bayerische Erfolgsgeschichte.
Es muss kalt gewesen sein, auf jeden Fall war es riskant und sehr anstrengend. Als Hermann Buhl im Jahr 1953 alleine auf dem 8122 Meter hohen Gipfel des Nanga Parbat steht, ist er der Erste, der den Berg im Himalaya bestiegen hat. Mit dabei hat er nur das Nötigste an Ausrüstung wie Gletscherbrille, Sonnenhut und einen Rucksack – von Deuter. Er war als Erster am Gipfel, jedoch war er nicht der erste Alpinist, der die robusten Rucksäcke aus Leinen und Leder des bayerischen Fabrikanten zu schätzen weiss. Das bereits im Jahr 1930 entwickelte Modell «Tauern» hat es vor Buhls Erstbesteigung schon auf zahlreiche Gipfel und in exotische Länder der Welt geschafft. Bereits bei einer Himalaya-Expedition 1934 in Richtung Nanga Parbat schultern die Bergsteiger «Tauern»-Rucksäcke von Deuter. Der Expeditionsteilnehmer Fritz Bechtold hält in einem seiner Briefe fest: «Bei den ausserordentlich schweren Anforderungen, die bei dieser Expedition an Mann und Ausrüstung gestellt wurden, haben wir den Tauernsack als hochwertig alpines Gerät kennen und schätzen gelernt.» Im Jahr 1938 durchsteigt der deutsche Bergführer Anderl Heckmair erstmals die Eigernordwand. Auf dem Rücken trägt auch er den Rucksack einer kleinen Firma aus Augsburg.
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Das erste bestehende Logo von Deuter
Zurück zum Anfang, zurück ins Jahr 1898. Hans Deuter spezialisiert sich auf die Verarbeitung von Leinen und Leder. In Form von Briefbeuteln und Säcken für die königlich-bayerische Post macht sich die erste Generation Deuter auf die Reise - durch das Königreich Bayern, in den hohen Norden und über die deutsche Grenze hinaus. Segeltuch, Leinenwebereien, Pferdedecken und Zelte gehören zu dieser Zeit in das Sortiment der Firma mit dem Zeigefinger-Logo. Sogar bis auf das Münchner Oktoberfest schaffen es Deuter-Zelthallen in den goldenen Zwanzigern.

Bergausrüstung statt Bergzelte

Doch in Bayern und anderen Teilen Deutschlands gibt es eine Handvoll Menschen, die es weniger in Bierzelte, dafür in ferne Länder und auf hohe Berge zieht. Der Ruf der Berge erreicht immer öfter auch Entwickler und Ideenfinder bei Deuter. Die klare Antwort folgt rasch in Form der «Tauern»-Rucksäcke. Für viele Bergsteiger wird das Modell zum essenziellen Teil der Ausrüstung. Toni Hiebeler, dem zusammen mit Toni Kinshofer und Anderl Mannhardt die Erstbesteigung der Eiger Nordwand im Winter gelang, erinnert sich noch an seine Kindheit als Sohn eines Bergführers: «Wenn mein Vater mit
seinen Gästen in den Bergen war und ich als zehnjähriger Stöpsel auch auf ‚meine Berge’ steigen wollte, klaute ich einfach Vaters zweiten ‚Tauern’ Rucksack.» Bald schon konzentriert sich das Unternehmen fast ausschliesslich auf Bergsportausrüstung und wird zum Hauptausrüster zahlreicher Alpinisten.

Vom Tausendsassa zum Spezialisten

Es läuft gut - von 1928 bis in die 70er-Jahre stattet Deuter praktisch alle deutschen Expeditionen mit Rucksäcken und Zelten aus. Doch auch die Konkurrenz schläft nicht. Zahlreiche Hersteller drängen Anfang der 80er-Jahre auf den Markt und stellen die Geschäftsführung und Mitarbeiter von Deuter vor neue Herausforderungen. Die Erfolgsmodelle «Zugspitze» oder «Gröden» geraten immer mehr in Vergessenheit. «Deuter war bekannt für deutsche Qualitätsarbeit, aber die Produkte waren zu alt für den Markt.» Das realisiert auch Johannes Busch, der zu dieser Zeit als Produktmanager verantwortlich ist für die Weiterentwicklung altbewährter Produkte. 


«Wo geht es hin?» Schlaflose Nächte plagen den Tüftler. Ein Einfall muss her, um das schwächelnde Unternehmen wieder auf Gipfelkurs zu bringen. Und er kommt – mehr oder weniger beim Zvieri am Berg. «Ich dachte daran, dass viele Wanderer, die ich beispielsweise auf den Hütten traf, über das starke Schwitzen unter dem Rucksack und den folglich nassen Rücken klagten. So kam ich darauf, an diesem Problem zu arbeiten.» Wie lässt sich also ein Rucksack konstruieren, der den Schweiss entweichen lässt und dem Rücken Entlastung bietet? In einer der nächtlichen Denkstunden hat Busch die Idee mit dem Netz, das zwischen Rucksackstoff und Rücken positioniert werden soll.
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Deuter als deutsche Qualitätsmarke
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Nicht nur Ruckäcke werden produziert
Mit einem Team von Entwicklern und erfahrenen Handwerkern entstehen die ersten Prototypen. Ein dauerelastischer Federstahlrahmen ist das Herzstück des Systems und bildet einen Ventilationsraum, der die Schweissbildung reduziert. Doch anfänglich werden dem Projekt nur geringe Erfolgschancen eingeräumt. Zu neu und abwegig scheint die Idee. Bis die Wissenschaft in Form des renommierten Textilinstituts Hohenstein sich dem Produkt in Form eines Tests annimmt und sensationelle Ergebnisse präsentiert. «Das Ergebnis hat uns damals selbst überrascht!», erzählt Busch.

«Schliesslich zeigte es, dass der Flüssigkeitsverlust beim Wandern durch das belüftete Rückenteil um bis zu einen Viertel reduziert wird.» Der «Aircomfort»-Rucksack – so der Name der Innovation – verhilft dem angeschlagenen Unternehmen 1984 zur Wiedergeburt und macht Deuter zum Branchen-Vorreiter in der Rucksackentwicklung.
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Rechts im Bild: Martin Riebel, ehemaliger Geschäftsführer von Deuter

Mit Cleverness auf den «Rucksackgipfel»

Doch anfänglich ist die Umsetzung noch mit Problemen behaftet. «Als ich zu Deuter kam, war der ‚Aircomfort’ ein ungeschliffener Edelstein, der noch dazu falsch vermarktet wurde», so Bernd Kullmann. Gerade von einer Expedition zum 8201 Meter hohen Cho Oyu zurückgekehrt, stösst Kullmann 1986 zum Unternehmen – die Geschäftsführung hat hohe Erwartungen an den erfahrenen Alpinisten, der die Weiterentwicklung und Vermarktung der Rucksäcke auf Vordermann bringen soll. Der finale Startschuss fällt bereits ein Jahr später, als auch Händler im Ausland beginnen, die Rucksäcke mit dem Aircomfort-Rückensystem zu bestellen. Bei Heinz Bächli beisst sich Bernd Kullmann zuerst die Zähne aus. 1987 freut er sich zunächst, dass er überhaupt die Gelegenheit bekam, die neuen Rucksäcke zu präsentieren. Bächli Senior lässt sich allerdings nicht auf Anhieb vom neuen Aircomfort-Belüftungssystem überzeugen. Der Kontakt zwischen den zwei Alpinisten brach jedoch nie ab und einige Zeit später orderte Bächli Bergsport erstmals Deuter Rucksäcke – der Anfang einer langen und erfolgreichen Partnerschaft.

«Das neue System war die Innovation, die Deuter geholfen hat, zu überleben. Der Vorteil des Belüftungssystems war leicht zu verstehen und damit auch ein unschlagbares Verkaufsargument für die Händler», weiss Kullmann, der dank seiner alpinen Erfahrung und dem Gespür für den Markt bald an die Spitze des Unternehmens klettert. Dass das innovative Belüftungssystem viel Potenzial bot, zeigt auch die Tatsache, dass andere Hersteller sich bei der Entwicklung eigener Modelle sehr bald von Deuter «inspirieren» lassen. Geschickt umgehen die Mitbewerber Deuters Patente und präsentieren ihre eigenen belüfteten Rucksackrücken.
«DEUTER ALS MARKTFÜHRER: 
150 UNTERSCHIEDELICHE MODELLE UND 3,8 MILLIONEN VERKAUFTE RUCKSÄCKE IM JAHR»
Fast 30 Jahre nach dem furiosen «Neustart» steht Deuter als Marktführer da: Mit 150 unterschiedlichen Modellen und 3,8 Millionen verkauften Rucksäcken im Jahr. Stillstand ist trotzdem keine Option. Evolution gehört zur Firmenphilosophie ebenso wie der Drang, etwas immer noch ein bisschen besser machen zu wollen. Essenziell für die Weiterentwicklung der Rucksäcke ist die Zusammenarbeit mit der «Deuter Family». Zu den Familienmitgliedern gehören Bergführer und Freizeitalpinisten, aber auch Profibergsteiger und Athleten, wie zum Beispiel Gerlinde Kaltenbrunner oder Transalp-Pionier und MTB-Legende Andi Heckmair, die auf ihren Touren die Produkte auf Herz und Nieren testen und ihr Feedback an die Entwickler zurückspielen.

Die Kombination aus Praxistests und Entwicklung hilft, grundlegende Innovationen voranzutreiben, aber auch Stück für Stück Kleinigkeiten zu verbessern, die am Berg einen grossen Unterschied machen. Trotz Evolution und Verbesserung der bewährten Dinge wächst die Deuter-Palette Jahr für Jahr auch um neue Ideen und Produkte: Kindertragen, Schlafsäcke, MTB-Rucksäcke, um nur einige zu nennen. Die nötige Expertise bringt der Leiter der Produktentwicklung, Steve Buffinton, bei fast 20 Jahren Firmenzugehörigkeit zweifellos mit.

«Wenig Gewicht bringt auch eine Leistungssteigerung mit sich – dass der Rucksack dabei nicht an Komfort und Funktion einbüsst, ist mir ganz wichtig.» Daher kam 2014 die nächste Generation der Aircomfort-Serie mit dem FlexLite-System auf den Markt, ein Rucksack mit höchstem Tragekomfort und gleichzeitig geringstmöglichem Gewicht – pünktlich zum 30-Jahre-Jubiläum des Aircomfor-Systems. «Wir müssen uns ständig bewusst sein, wo wir herkommen und wo wir hinwollen. Innovationen gehören da immer dazu», weiss Bernd Kullmann, der als ehemaliger Geschäftsführer auch seinem Nachfolger Martin Riebel ans Herz gelegt hat, dass das Unternehmen nie stillstehen darf. So kann sich auch 50 Jahre nach Hermann Buhls Erfolg am Nanga Parbat ein jeder Bergsteiger, Wanderer oder Mountainbiker sicher sein, dass er ein Produkt am Rücken trägt, das Perfektionismus und Leidenschaft vereint. 
die deuter - meilensteine
1898
Augsburg-Oberhausen : Gründung der Firma durch Hans Deuter. Die ersten Packsäcke gehen an die königlich-bayerische Post.
 
1919
Deuter produziert Koffer, Rucksäcke und Zelte zum Verleih. Die grossen Zelte schaffen es bis auf das Oktoberfest in München.
 
1930
Der erste «Tauern»-Rucksack kommt auf den Markt und Rücken.
 
1957
Aus dem Familienbetrieb wird die Aktiengesellschaft «Deuter Industriewerke AG-Augsburg».
 
1972
Deuter stattet das Olympische Team mit Sport- und Reisetaschen aus.
 
1984
Der Original Deuter-Aircomfort wird geboren. Das neue Tragesystem bedeutet eine Revolution am Rucksackmarkt.
 
1991
Zusammen mit Transalp-Pionier Andi Heckmair entwickelt Deuter den ersten MTB-Rucksack: Bike I mit Airstripes-System
 
2006
Mit der SL (SlimLine) Linie entwickelt Deuter Rucksäcke, die auf die weibliche Anatomie zugeschnitten sind.
 
2011
In Deutschland bekommt der «Drecksack» ein neues Gesicht: Der DAV Summit Club und Deuter rufen die Wanderer auf, den Müll mit nach Hause zu nehmen, um somit die Natur zu schonen.