Crazy: Outdoor-Funktionsmode «Made in Italy» - Outdoor Guide
Crazy: Outdoor-Funktionsmode «Made in Italy» - Outdoor Guide
 Datum: 21.12.2023  Text: Ralf Glaser  Fotos: Crazy 

Crazy: Outdoor-Funktionsmode «Made in Italy»

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Crazy: Outdoor-Funktionsmode «Made in Italy»

Innovative Schnitte, eigenständige Designs und eine auf Lokalität fussende Firmenphilosophie, die sich spürbar von den herrschenden Realitäten in der Bekleidungsbranche abhebt: «Crazy» ist ein Bergsport-Brand für Individualisten, so wie die Firmengründerin Valeria Colturi.

Nach einem Firmennamen für ihre Neugründung Ende der Achtziger Jahre musste Valeria Colturi nicht lange suchen. «Am Ende meiner aktiven Wettkampfkarriere als Langläuferin hätte ich ohne Weiteres bei einer grossen Bank gleich hier in Bormio arbeiten können. Ich hatte schon das komplette Bewerbungsverfahren durchlaufen, und hätte nur noch unterschreiben müssen. Aber ich wollte lieber mein eigenes Ding machen!» Einen geregelten Job mit gesichertem Einkommen einfach ausschlagen? Um stattdessen bunte Kleider für Bergsportler zu schneidern? Eine Lebensentscheidung, für die kaum jemand in Valeria Colturis Umfeld Verständnis aufbringen konnte. «Alle sagten zu mir: tu sei matta – du bist ja verrückt! Ich war anderer Meinung. Aber als Brand und Firmenmotto schien mir das Crazy! ideal!».

Also machte Valeria zu ihrem Job, was sie schon als Jugendliche als Hobby betrieben, und was sie dann auch neben Training und Wettkämpfen aus Leidenschaft weiterverfolgt hatte: Funktionsbekleidung zu schneidern, die für Disziplinen wie Langlauf oder Skibergsteigen optimal wären; die mit lebendigen Farben und auffälligem Design aus dem Einheitsbrei herausstachen – und die ganz nebenbei auf die weibliche Anatomie massgeschneidert waren. «Die Teambekleidung seinerzeit war grausam», erklärt Valeria ihre Motivation, selbst Hand an die Nähmaschine zu legen. «Schwer, unflexibel, hässliche Farben. Aber vor allem hatte Frauenkleidung damals dieselben Schnitte wie die für Männer. Mich haben zum Beispiel die Nähte im Schritt immer extrem gestört. Also habe ich ein Modell entworfen, bei dem die Nähte weiter aussen lagen. Und das habe ich immer wieder getestet und modifiziert, so lange, bis es optimal für meine Bedürfnisse war».

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Ehemalige Spitzenathletin, Firmengründerin, Designerin, Geschäftsführerin - Valeria Colturi ist ein veritabler Tausendsassa.

Ein Start «aus der Garage»

Aus dem anfänglichen Status eines Bergsport-Labels für Frauen wuchs «Crazy!» trotzdem schnell heraus. «Bormio war schon immer ein Basecamp für Trainingslager von Nationalmannschaften aus allen Ländern», erzählt Valeria. «Mein Bruder war Snowboard-Weltmeister, meine Schwester Eisschnellläuferin. So habe ich Rückmeldungen von Sportlern aller Geschlechter und aus vielen Disziplinen bekommen. Und das hat mir sehr geholfen, meine Kollektionen permanent weiterzuentwickeln und zu verbessern». Doch bei aller Kreativität und der Bereitschaft, Tag und Nacht an der Nähmaschine zu sitzen – nach der Firmengründung wurde schnell klar, dass ein Bekleidungslabel wachsen muss, um zu gedeihen. «Im ersten Monat habe ich noch alles alleine gemacht», erzählt Valeria. «Aber so konnte ich niemals die notwendigen Stückzahlen bringen. Also habe ich eine Näherin für die Produktion eingestellt, und bald darauf noch eine zweite». Valeria Colturi selbst konzentrierte sich fortan neben der Geschäftsführung vor allem auf den Entwurf von Designs und Schnitten – und auf den Vertrieb ihrer schnell wachsenden Kollektionen. «Das sah so aus, dass ich mich ins Auto gesetzt habe und von Bergsportladen zu Bergsportladen getingelt bin, um meine Kollektion vorzustellen. Dabei haben mir meine Kontakte in die Welt des Leistungssports sehr geholfen. Und natürlich auch meine Freundschaft mit bekannten Athletinnen, die mir viele Türen geöffnet haben. Bald hatte ich ein Netz aus fünf, sechs Läden, die meine Kollektionen abnahmen, und auch sehr gut verkauften!»

Doch wenn auch Wachstum immer Wachstum produziert: Bei alledem legte Valeria Colturi immer Wert auf eine lokale Produktion, kurze Lieferketten, und darauf, dass sich neues Wachstum immer organisch, aus den eigenen Mitteln finanzieren liess. «Wir haben sehr bald eine neue Produktionsstätte in Tirano eröffnet, weil sich hier in Bormio nicht genügend Personal rekrutieren liess. Als diese mit schliesslich 30 Mitarbeiterinnen aus allen Nähten platzte, haben wir zusätzlich mit anderen Produzenten hier in unserer Heimatprovinz Sondrio zusammengearbeitet. Am Ende hatten wir ein ziemlich grosses Netz an eigenen Produktionsstätten und Produzenten, die in unserem Auftrag gefertigt haben». Fünfzehn Jahre lang ging das gut. Dann machten sich die Effekte der Globalisierung bemerkbar – viele der lokalen Hersteller konnten dem zunehmenden Preisdruck aus Fernost nicht mehr standhalten und schlossen die Pforten.

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Rückmeldungen von Sportlern aus vielen Disziplinen halfen, die Kollektionen permanent weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Heimische Produktion – auch gegen den Trend

Selbst den Zeichen der Zeit zu folgen, und die eigene Ware ebenfalls günstig in China fertigen lassen, wie es in der Bekleidungsbranche allerorten üblich ist, kam für Valeria Colturi dennoch nie infrage. «Wir legen einfach Wert auf eine verlässlich hohe Qualität, und dass sich neue Kollektionen schnell umsetzen lassen. Das ist nur möglich, wenn die Wege kurz sind, und wenn eine langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern besteht!» Dauerhaft gegen den Strom in der Bekleidungsbranche zu schwimmen, war aber auch für ein wenn auch wachsendes, so doch immer noch kleines Label wie «Crazy!» nicht dauerhaft möglich. Vor gut einem Jahr ging man so den Schritt, eine Fabrik in Rumänien aufzukaufen, mit der man schon zuvor erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Seitdem wird dort zu fairen Bedingungen produziert, was Valeria Colturi seit eh und je zusammen mit ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in ihrem Atelier im heimischen Firmensitz in Bormio austüftelt und entwirft.

«Diese neue Aufteilung mit einer Produktion in Rumänien und dem Entwurf zuhause hat sich als optimal erwiesen», erzählt Valeria. «In der letzten Zeit haben wir dort auch massiv in Drucktechnik investiert, um unsere Stoffe selbst mit neuen Designs zu bedrucken, und damit Zeit und Lieferwege einsparen zu können. Auf diese Weise können wir eine gleichbleibend hohe Qualität garantieren, und zugleich schnell neue Ideen umsetzen und auf den Markt bringen». An neuen Ideen jedenfalls wird es bei «Crazy!» so schnell nicht mangeln. Dafür steht schon die nach wie vor quirlige Firmengründerin. Valeria Colturi jedenfalls merkt man an, dass sie nicht in erster Linie ein Business betreibt, sondern vor allem einen Traum lebt. Könnte sich jemand diese Frau in einer Bankfiliale vorstellen? Eine ziemlich verrückte Vorstellung. Alles richtig gemacht!

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Standortvorteil Rumänien: faire Arbeitsbedingungen, schnelle Reaktionszeiten, kurze Lieferketten.