Auf ein Wort mit Kletterer Leo Holding
«DER BESTE TAG KANN IN SEKUNDEN ZUM SCHLIMMSTEN WERDEN»
Mit 18 Jahren kletterte Leo Houlding als erster Brite den El Capitan im Yosemite frei. Es folgten anspruchsvolle Erstbegehungen, Expeditionen und Basejumps an den entlegensten Ecken der Welt. Gleichzeitig drang Houlding mit Fernsehauftritten und eigenen TV-Shows in die Öffentlichkeit.
Von harten Sportkletterrouten bis zu schwer zugänglichen Expeditionen fernab der Zivilisation: Ihre Liste an Erfolgen ist so lang wie abwechslungsreich. Sehen Sie sich selbst als Abenteurer, Alpinist oder Kletterer?
Vor zwanzig Jahren war ich durch und durch Felskletterer. Doch irgendwann haben mich alpine Unternehmungen und Abenteuer mehr gereizt. Das war für mich aber eine natürliche Entwicklung: Vom Trad-Klettern an den kleinen Wänden Englands zu den Big Walls und den entlegensten Orten der Welt.
Was zeichnet ein Abenteuer für Sie aus?
Ein Element der Unsicherheit und des ungewissen Ausgangs muss vorhanden sein – genauso wie ein gewisses Mass an Risiko. Ansonsten wäre es ein Tag in der Natur, kein Abenteuer. Ausserdem spielt das «Commitment» eine wichtige Rolle. An solchen Orten kann ich nicht so einfach abbrechen und nach Hause fliegen, wenn es mal schlecht läuft. Im Gegensatz dazu steht das Abenteuer der heutigen Gesellschaft. Die meisten Menschen suchen Abenteuer mit garantiertem Erfolg – möglichst ohne Risiko. Mich interessieren die schwer erreichbaren, abgelegenen und wilden Orte der Welt, die kaum ein Mensch zuvor gesehen hat.
2007 standen Sie mit dem amerikanischen Profi-Bergsteiger Conrad Anker am Gipfel des Mount Everest. Ruhig ist es dort aber nicht gerade.
Ich wurde für eine Filmproduktion zum Mount Everest eingeladen. Das würde ich also nicht als eines meiner Abenteuer bezeichnen. Die Normalrouten berühmter Berge sind das Gegenteil von dem, was ich suche. Eine meiner schönsten Expeditionen war die Erstbesteigung des Spectre in der Antarktis [a.d.R. 2017 kiteten Houlding und seine Partner über 300 Kilometer durch die Antarktis und bestiegen anschliessend den Spectre in den Gothic Mountains]. Und im Dezember war ich über einen Monat in Südamerika. Wir haben tief im Amazonas-Regenwald am Mount Roraima eine neue Route eröffnet.
War dieser Lebensstil schon immer Ihr Traum?
Schon als kleines Kind war mir klar, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Ich glaube, mit elf Jahren habe ich mich dann endgültig in das Klettern, die Abenteuer und die wilden Orte der Welt verliebt.
Und Sie haben Ihren Weg niemals infrage gestellt?
Nicht wirklich. Ich bin in einem sehr bescheidenen Elternhaus aufgewachsen – ohne viel Geld. Damals habe ich nie zu träumen gewagt, dass ich einmal Expeditionen leite, die Hunderttausende von Euros kosten und ich davon leben kann. Ich wollte einfach nur Abenteuer erleben. Selbst nach einem schweren Sturz in Patagonien, wo ich mir das Fussgelenk brach und ein Jahr aussetzen musste, habe ich diesen Weg nie infrage gestellt.
Warum nicht?
Es ist das, wofür ich lebe. Ausserdem möchte ich meinen Kindern ein Vorbild sein. Ich möchte sie ermutigen, immer ihren Träumen zu folgen. Solange ich mit genügend Respekt auf Expedition gehe und die Balance zwischen meinem Leben als Vater und dem auf Expedition finde, gehe ich meinen beiden Kindern als Beispiel voran.
Vor zwanzig Jahren war ich durch und durch Felskletterer. Doch irgendwann haben mich alpine Unternehmungen und Abenteuer mehr gereizt. Das war für mich aber eine natürliche Entwicklung: Vom Trad-Klettern an den kleinen Wänden Englands zu den Big Walls und den entlegensten Orten der Welt.
Was zeichnet ein Abenteuer für Sie aus?
Ein Element der Unsicherheit und des ungewissen Ausgangs muss vorhanden sein – genauso wie ein gewisses Mass an Risiko. Ansonsten wäre es ein Tag in der Natur, kein Abenteuer. Ausserdem spielt das «Commitment» eine wichtige Rolle. An solchen Orten kann ich nicht so einfach abbrechen und nach Hause fliegen, wenn es mal schlecht läuft. Im Gegensatz dazu steht das Abenteuer der heutigen Gesellschaft. Die meisten Menschen suchen Abenteuer mit garantiertem Erfolg – möglichst ohne Risiko. Mich interessieren die schwer erreichbaren, abgelegenen und wilden Orte der Welt, die kaum ein Mensch zuvor gesehen hat.
2007 standen Sie mit dem amerikanischen Profi-Bergsteiger Conrad Anker am Gipfel des Mount Everest. Ruhig ist es dort aber nicht gerade.
Ich wurde für eine Filmproduktion zum Mount Everest eingeladen. Das würde ich also nicht als eines meiner Abenteuer bezeichnen. Die Normalrouten berühmter Berge sind das Gegenteil von dem, was ich suche. Eine meiner schönsten Expeditionen war die Erstbesteigung des Spectre in der Antarktis [a.d.R. 2017 kiteten Houlding und seine Partner über 300 Kilometer durch die Antarktis und bestiegen anschliessend den Spectre in den Gothic Mountains]. Und im Dezember war ich über einen Monat in Südamerika. Wir haben tief im Amazonas-Regenwald am Mount Roraima eine neue Route eröffnet.
War dieser Lebensstil schon immer Ihr Traum?
Schon als kleines Kind war mir klar, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Ich glaube, mit elf Jahren habe ich mich dann endgültig in das Klettern, die Abenteuer und die wilden Orte der Welt verliebt.
Und Sie haben Ihren Weg niemals infrage gestellt?
Nicht wirklich. Ich bin in einem sehr bescheidenen Elternhaus aufgewachsen – ohne viel Geld. Damals habe ich nie zu träumen gewagt, dass ich einmal Expeditionen leite, die Hunderttausende von Euros kosten und ich davon leben kann. Ich wollte einfach nur Abenteuer erleben. Selbst nach einem schweren Sturz in Patagonien, wo ich mir das Fussgelenk brach und ein Jahr aussetzen musste, habe ich diesen Weg nie infrage gestellt.
Warum nicht?
Es ist das, wofür ich lebe. Ausserdem möchte ich meinen Kindern ein Vorbild sein. Ich möchte sie ermutigen, immer ihren Träumen zu folgen. Solange ich mit genügend Respekt auf Expedition gehe und die Balance zwischen meinem Leben als Vater und dem auf Expedition finde, gehe ich meinen beiden Kindern als Beispiel voran.
Leo Holding
Leo Houlding wird 1980 im englischen Appleby-in-Westmorland geboren. Mit zehn Jahren beginnt Houlding das Klettern, mit 15 wird er British Junior Indoor Climbing Champion. Als er 1997 nach North Wales zieht, macht er mit Begehungen schwieriger Trad-Routen auf sich aufmerksam. Mit 18 Jahren klettert Houlding als erster Brite durch die Wände des El Capitan im Yosemite frei – und wird in England bekannt. Gleichzeitig drängt Houlding mit Fernsehauftritten und eigenen Abenteuer-Shows in die Öffentlichkeit. Für einen Dokumentarfilm nimmt er zusammen mit dem amerikanischen Profi-Bergsteiger Conrad Anker 2007 an einer Expedition zum Mount Everest teil, die den Spuren des britischen Bergsteigers George Mallory folgt. Internationale Aufmerksamkeit erregt Houlding durch grosse Expeditionen und Erstbegehungen an den entlegensten Ecken der Welt: Dem Briten gelingen diverse freie Begehungen in Patagonien, Peru oder im Yosemite. 2009 springt er mit dem Wingsuit vom Gipfel des Mount Asgard auf Baffin Island, nachdem er und sein Team eine neue Route eröffnen. 2015 durchsteigt Houlding die Mirror Wall in Grönland, 2017 gelingt ihm die Erstbegehung des Spectre in der Antarktis. Seine letzte Expedition führt Houlding tief in den Amazonas zum Mount Roraima. Dabei sind alle Unternehmungen schwierige alpinistische Ziele, fernab jeglicher Zivilisation, deren Erreichbarkeit nicht nur ein hohes Kletterniveau voraussetzen, sondern die Fortbewegung mit Snowkites, Kajaks, Cross-Country-Skiern und anderen Mitteln. Leo Houlding lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern derzeit im Lake District, Grossbritannien.
Wer war Ihr Vorbild?
Bekannte britische Kletterer wie Chris Bonington oder Doug Scott, aber auch weniger bekannte, wie der Kletterer Guy Lee. Lee erzählte mir vom El Capitan im Yosemite, von den Felswänden auf Baffin Island und anderen grossen Big Walls der Welt. Ich sass abends oft bei ihm und blätterte durch seine Bergbücher. Ich sah Orte, die zu schön waren, um sie in Worte zu fassen. Besonders die entlegenen Wände, deren Erreichbarkeit man sich hart verdienen muss, hatten mich fasziniert.
1996 wurden Sie britischer Junior Indoor Climbing Champion. Spielt das Sportklettern gar keine Rolle mehr in Ihrem Leben?
Das Sportklettern ist für mich reiner Sport. Einer, den ich liebe – aber kein Abenteuer. In einem Sportklettergebiet würde man niemals einen Kondor mit einem drei Meter breiten Flügelschlag sehen.
Extrembergsteigern wird oft nachgesagt, sie seien Narzissten. Teilen Sie die Ansicht?
Die Aussage beinhaltet sicherlich einen Funken Wahrheit. Meine Frau liebt das Abenteuer auch, aber seitdem wir Kinder haben, ist sie sicherlich mehr Kompromisse eingegangen. Also ja, es gibt bestimmt eine narzisstische, egoistische Seite bei Menschen, die solche risikoreichen Abenteuer unternehmen. Und für meine Frau ist es wohl am härtesten: Sie teilt alle Risiken, aber am Ende bekommt sie nicht diese einzigartigen Orte zu sehen. Aber für dieses Leben haben wir uns entschieden. Und nicht zuletzt ist es auch mein Job, was eine gute Ausrede ist.
Ein Job, bei dem Sie sterben könnten.
Einer meiner besten Freunde starb beim Basejumping. Meine Tochter Freya kam gerade auf die Welt, seine Frau war hochschwanger. Das war der einzige Moment, an dem ich ernsthaft überlegt habe, mit allem aufzuhören – nicht nur das Basejumping, sondern auch die Expeditionen und die gefährlichen Klettertouren.
Aber Sie haben es nicht gemacht.
Ich bin seitdem nie wieder Basejumpen gegangen. Aber nach Stanleys Tod hat ein Ereignis alles wieder in ein anderes Licht gerückt. Ich hatte einen grossen Job für eine Fernsehproduktion angenommen, die objektiv wenig gefährlich war. Der Discovery Channel wollte mich bei einer Erstbegehung in Borneo in Südostasien filmen. Für die 300 Meter lange, überhängende Wand mitten im Nirgendwo waren drei Filmtage eingeplant, was viel zu wenig war. Deswegen entschied ich mich kurzfristig, den Flug von Amsterdam am 14. Juli 2015 fallen zu lassen und auf eigene Kosten mit zwei Freunden früher hinzufliegen. Dieser Umplanung verdanke ich mein Leben: Ich hatte eine Reservierung auf den Flug MH17 von Amsterdam nach Kuala Lumpur, der in der Ukraine abgeschossen wurde.
Die kleine Entscheidung hat Ihnen das Leben gerettet.
Von all den gefährlichen Basejumps, extremen Klettertouren und Expeditionen war ich in diesem Moment dem Tod am nächsten. Ich realisierte, dass man sein Schicksal nicht unter Kontrolle hat. Scheisse passiert. Menschen werden überfahren oder sterben an Krebs. Deswegen ist es wichtig, seinen Träumen, Zielen und Ambitionen zu folgen – und nicht aus Angst vor dem Risiko darauf zu verzichten. Es hat mich wieder unheimlich motiviert, das zu tun, was ich liebe.
Aber statistisch gesehen ist es gefährlicher, in die Berge zu gehen.
Statistisch gesehen ist es wahrscheinlicher, dass man als Bergsteiger jung stirbt. Berge bringen Risiken mit sich, aber genauso Kraft. Es sind die zwei Seiten einer Medaille. Der Grund, warum es so aufregend ist und so viel Energie gibt, ist, weil das Bergsteigen so gefährlich ist. Der Grund, warum du dich so lebendig fühlst, ist, weil du sterben könntest.
Bekannte britische Kletterer wie Chris Bonington oder Doug Scott, aber auch weniger bekannte, wie der Kletterer Guy Lee. Lee erzählte mir vom El Capitan im Yosemite, von den Felswänden auf Baffin Island und anderen grossen Big Walls der Welt. Ich sass abends oft bei ihm und blätterte durch seine Bergbücher. Ich sah Orte, die zu schön waren, um sie in Worte zu fassen. Besonders die entlegenen Wände, deren Erreichbarkeit man sich hart verdienen muss, hatten mich fasziniert.
1996 wurden Sie britischer Junior Indoor Climbing Champion. Spielt das Sportklettern gar keine Rolle mehr in Ihrem Leben?
Das Sportklettern ist für mich reiner Sport. Einer, den ich liebe – aber kein Abenteuer. In einem Sportklettergebiet würde man niemals einen Kondor mit einem drei Meter breiten Flügelschlag sehen.
Extrembergsteigern wird oft nachgesagt, sie seien Narzissten. Teilen Sie die Ansicht?
Die Aussage beinhaltet sicherlich einen Funken Wahrheit. Meine Frau liebt das Abenteuer auch, aber seitdem wir Kinder haben, ist sie sicherlich mehr Kompromisse eingegangen. Also ja, es gibt bestimmt eine narzisstische, egoistische Seite bei Menschen, die solche risikoreichen Abenteuer unternehmen. Und für meine Frau ist es wohl am härtesten: Sie teilt alle Risiken, aber am Ende bekommt sie nicht diese einzigartigen Orte zu sehen. Aber für dieses Leben haben wir uns entschieden. Und nicht zuletzt ist es auch mein Job, was eine gute Ausrede ist.
Ein Job, bei dem Sie sterben könnten.
Einer meiner besten Freunde starb beim Basejumping. Meine Tochter Freya kam gerade auf die Welt, seine Frau war hochschwanger. Das war der einzige Moment, an dem ich ernsthaft überlegt habe, mit allem aufzuhören – nicht nur das Basejumping, sondern auch die Expeditionen und die gefährlichen Klettertouren.
Aber Sie haben es nicht gemacht.
Ich bin seitdem nie wieder Basejumpen gegangen. Aber nach Stanleys Tod hat ein Ereignis alles wieder in ein anderes Licht gerückt. Ich hatte einen grossen Job für eine Fernsehproduktion angenommen, die objektiv wenig gefährlich war. Der Discovery Channel wollte mich bei einer Erstbegehung in Borneo in Südostasien filmen. Für die 300 Meter lange, überhängende Wand mitten im Nirgendwo waren drei Filmtage eingeplant, was viel zu wenig war. Deswegen entschied ich mich kurzfristig, den Flug von Amsterdam am 14. Juli 2015 fallen zu lassen und auf eigene Kosten mit zwei Freunden früher hinzufliegen. Dieser Umplanung verdanke ich mein Leben: Ich hatte eine Reservierung auf den Flug MH17 von Amsterdam nach Kuala Lumpur, der in der Ukraine abgeschossen wurde.
Die kleine Entscheidung hat Ihnen das Leben gerettet.
Von all den gefährlichen Basejumps, extremen Klettertouren und Expeditionen war ich in diesem Moment dem Tod am nächsten. Ich realisierte, dass man sein Schicksal nicht unter Kontrolle hat. Scheisse passiert. Menschen werden überfahren oder sterben an Krebs. Deswegen ist es wichtig, seinen Träumen, Zielen und Ambitionen zu folgen – und nicht aus Angst vor dem Risiko darauf zu verzichten. Es hat mich wieder unheimlich motiviert, das zu tun, was ich liebe.
Aber statistisch gesehen ist es gefährlicher, in die Berge zu gehen.
Statistisch gesehen ist es wahrscheinlicher, dass man als Bergsteiger jung stirbt. Berge bringen Risiken mit sich, aber genauso Kraft. Es sind die zwei Seiten einer Medaille. Der Grund, warum es so aufregend ist und so viel Energie gibt, ist, weil das Bergsteigen so gefährlich ist. Der Grund, warum du dich so lebendig fühlst, ist, weil du sterben könntest.
Sturz in Patagonien
Leo Houlding nach dem 20-Meter-Sturz am Cerro Torre, wo er sich 2002 den rechten Fuss zertrümmerte. Er hat Glück: Nach nur einem Jahr kann er wieder klettern. Und er lässt sich nicht einschüchtern, der Kletterer sagt «Es ist wichtig, seinen Träumen zu folgen – und nicht aus Angst vor dem Risiko darauf zu verzichten.»
Was ist das Wertvollste, was Sie von all Ihren Expeditionen mitgenommen haben?
Es ist wichtig, auf sein Herz und seine Intuition zu hören. Und auf der praktischen Seite: Vorbereitung! Die Mount-Roraima-Expedition war logistisch eine grosse Herausforderung, weil wir mit grossem Team und viel Ausrüstung in einen sehr abgelegenen Teil des Amazonas-Regenwalds gegangen sind. Aber es funktionierte alles reibungslos – obwohl wir mit Schlechtwetter zu kämpfen hatten. Ich hatte vorab eine zehnseitige Excel-Tabelle mit absolut jedem Detail vorbereitet: Jedes Gramm Essen, die Reisepassnummern der Teilnehmer, die Telefonnummern der Ärzte, einen Plan, wie wir im Falle eines Unfalls vorgehen, und sogar die Anzahl an Streichhölzern habe ich aufgenommen.
Waren Sie immer so strukturiert?
Früher habe ich einfach meine Tasche gepackt und bin los. Aber ich bin immer mehr in die Rolle eines Expeditions-leiters hineingewachsen und habe viele grosse Expeditionen geplant, in die viel Sponsoren-Geld geflossen ist. Hätte ich mir zwei Wochen vor der Expedition den Fuss gebrochen, hätte ich die Planung problemlos an mein Teammitglied Waldo Etherington übergeben können.
Mit dabei war auch die 21-jährige Anna Taylor. Für die junge Trad-Kletterin aus England war es die erste Expedition überhaupt. Wie wählen Sie Ihre Teammitglieder aus?
Es ist nicht immer einfach, die richtigen Partner zu finden. Mein Kletterpartner Stanley starb, viele haben eine Familie oder können sich nicht einfach sechs Wochen Urlaub nehmen. Auf der Spectre-Expedition 2017 in der Antarktis war es noch schwieriger, weil die Anforderungen so vielseitig waren. Man musste ein guter Kiter sein, Polar-Erfahrung haben sowie Big-Wall-Kletterer sein und drei Monate Zeit haben – ohne Vergütung. Es gibt nicht viele Menschen, die all diese Fähigkeiten mitbringen.
Wen haben Sie gefunden?
Den Franzosen Jean Burgun und den Neuseeländer Mark Sedon. Mit Jean hatte ich bereits einige kleinere Abenteuer in Norwegen unternommen. Mark ist kurz vor der Abreise eingesprungen, nachdem das dritte Teammitglied absagen musste. Wir verbrachten am Ende 52 Tage in einem Zelt unter extremen Bedingungen. Besonders die ersten zehn Tage Anreise mit den Snowkites bei minus 40 Grad und 100 km/h Windgeschwindigkeit hatten es in sich. Aber wir waren ein sehr starkes Team und haben uns bis zum Gipfel hart gepusht.
Und auf der letzten Expedition?
Anna Taylor ist eine junge, starke britische Trad-Kletterin, die wie ich aus dem Nordwesten Englands kommt. Ich wollte ihr einige meiner Erfahrungen mitgeben und mein Wissen teilen. Ausserdem wollte ich eine weibliche Kletterin im Team haben.
Weil es besser für die Vermarktung ist?
Natürlich ist ein weibliches Teammitglied auch aus dieser Perspektive interessant. Aber ich habe selbst eine sechsjährige Tochter. Mir fiel auf, dass ich noch nie mit einer Frau auf Expedition war und auch in all meinen Filmproduktionen keine dabei war. Mir ist wichtig, dass meine Tochter auch weibliche Vorbilder hat. Anna hatte zwar wenig Erfahrung, aber sie ist eine starke Kletterin und erinnert mich an mich selbst vor 25 Jahren. Sie hat sich wahnsinnig gut angepasst und ist sogar die schwierigste Seillänge vorgestiegen.
Es ist wichtig, auf sein Herz und seine Intuition zu hören. Und auf der praktischen Seite: Vorbereitung! Die Mount-Roraima-Expedition war logistisch eine grosse Herausforderung, weil wir mit grossem Team und viel Ausrüstung in einen sehr abgelegenen Teil des Amazonas-Regenwalds gegangen sind. Aber es funktionierte alles reibungslos – obwohl wir mit Schlechtwetter zu kämpfen hatten. Ich hatte vorab eine zehnseitige Excel-Tabelle mit absolut jedem Detail vorbereitet: Jedes Gramm Essen, die Reisepassnummern der Teilnehmer, die Telefonnummern der Ärzte, einen Plan, wie wir im Falle eines Unfalls vorgehen, und sogar die Anzahl an Streichhölzern habe ich aufgenommen.
Waren Sie immer so strukturiert?
Früher habe ich einfach meine Tasche gepackt und bin los. Aber ich bin immer mehr in die Rolle eines Expeditions-leiters hineingewachsen und habe viele grosse Expeditionen geplant, in die viel Sponsoren-Geld geflossen ist. Hätte ich mir zwei Wochen vor der Expedition den Fuss gebrochen, hätte ich die Planung problemlos an mein Teammitglied Waldo Etherington übergeben können.
Mit dabei war auch die 21-jährige Anna Taylor. Für die junge Trad-Kletterin aus England war es die erste Expedition überhaupt. Wie wählen Sie Ihre Teammitglieder aus?
Es ist nicht immer einfach, die richtigen Partner zu finden. Mein Kletterpartner Stanley starb, viele haben eine Familie oder können sich nicht einfach sechs Wochen Urlaub nehmen. Auf der Spectre-Expedition 2017 in der Antarktis war es noch schwieriger, weil die Anforderungen so vielseitig waren. Man musste ein guter Kiter sein, Polar-Erfahrung haben sowie Big-Wall-Kletterer sein und drei Monate Zeit haben – ohne Vergütung. Es gibt nicht viele Menschen, die all diese Fähigkeiten mitbringen.
Wen haben Sie gefunden?
Den Franzosen Jean Burgun und den Neuseeländer Mark Sedon. Mit Jean hatte ich bereits einige kleinere Abenteuer in Norwegen unternommen. Mark ist kurz vor der Abreise eingesprungen, nachdem das dritte Teammitglied absagen musste. Wir verbrachten am Ende 52 Tage in einem Zelt unter extremen Bedingungen. Besonders die ersten zehn Tage Anreise mit den Snowkites bei minus 40 Grad und 100 km/h Windgeschwindigkeit hatten es in sich. Aber wir waren ein sehr starkes Team und haben uns bis zum Gipfel hart gepusht.
Und auf der letzten Expedition?
Anna Taylor ist eine junge, starke britische Trad-Kletterin, die wie ich aus dem Nordwesten Englands kommt. Ich wollte ihr einige meiner Erfahrungen mitgeben und mein Wissen teilen. Ausserdem wollte ich eine weibliche Kletterin im Team haben.
Weil es besser für die Vermarktung ist?
Natürlich ist ein weibliches Teammitglied auch aus dieser Perspektive interessant. Aber ich habe selbst eine sechsjährige Tochter. Mir fiel auf, dass ich noch nie mit einer Frau auf Expedition war und auch in all meinen Filmproduktionen keine dabei war. Mir ist wichtig, dass meine Tochter auch weibliche Vorbilder hat. Anna hatte zwar wenig Erfahrung, aber sie ist eine starke Kletterin und erinnert mich an mich selbst vor 25 Jahren. Sie hat sich wahnsinnig gut angepasst und ist sogar die schwierigste Seillänge vorgestiegen.
Es gab nie brenzlige Situationen?
Einmal hörte ich einen entsetzlichen Schrei. Ich dachte direkt an einen riesigen Felssturz, der eines unserer Teammitglieder traf oder ein Seil halbierte. Am Ende war es zum Glück nur Waldo, der einen Haulbag hochzog und vor Anstrengung schrie. An einem anderen Tag wollte ich nach Anna schauen, die sich im Portaledge von ihren Kopfschmerzen erholen sollte. Als ich ins Zelt schaute, lag sie bewegungslos in ihrem Schlafsack und ihre Hand war eiskalt. Ich geriet direkt in Panik, schüttelte sie und schrie. Aber sie hatte nur geschlafen. Ich habe überreagiert.
Weil Sie sich verantwortlich gefühlt haben?
Während solcher Expeditionen kann der beste Tag deines Lebens binnen Sekunden zum schlimmsten werden. Zwar ist noch nie auf einer meiner grösseren Expeditionen ein schlimmer Unfall passiert, aber ich habe auf anderen Trips und beim Basejumping schon viel Schlimmes gesehen.
Am Mount Roraima habt ihr regelmässig über eure Social-Media-Kanäle Updates geteilt. Hättet ihr auch gepostet, wenn ein Unfall passiert wäre?
Wir haben im Vorhinein darüber gesprochen und waren uns einig, dass wir auch einen Unfall geteilt hätten. Es ist die Natur eines Abenteuers, so etwas kann passieren.
Wie stehen Sie zur Kommunikation auf Expeditionen?
Es ist cool, sich wirklich zu committen und keinerlei Kommunikationsmöglichkeiten zu haben. Aber als Expeditionsleiter musst du auf alles vorbereitet sein. Ich bin da sehr professionell geworden: Wir haben einen genauen Ablaufplan für den Notfall. Die Kommunikation mit dem InReach und einem Satellitentelefon ist fundamental.
Das Live-Streaming über Instagram und andere Social-Media-Kanäle war nicht lebensnotwendig?
Nein. Aber die Sponsoren stecken unheimlich viel Geld in diese grossen Expeditionen. Und wir alle wissen: Social Media regieren die Welt. Deswegen haben wir viel Energie in die Kommunikation gesteckt, was alles andere als einfach war. High-Speed-Internetverbindung gab es nur alle paar Tage und die beste Verbindung hatten wir an einem ausgesetzten, schlammigen Platz unter einem Wasserfall. Also sassen wir mit Regenschirm dort und haben versucht, Daten zu versenden.
Macht so etwas Spass oder gehört es einfach zum Job?
Es ist nervig, sich darum auch noch kümmern zu müssen. Auf der anderen Seite sind nur wenige Menschen so privilegiert wie ich und haben die Möglichkeit, solche teuren Expeditionen durchführen zu können. Deswegen ist es cool, die Erlebnisse live zu teilen. Und im Gegensatz zu Filmproduktionen, bei denen am Ende alles zusammengeschnitten wird und der Ausgang bekannt ist, steht bei der Live-Kommunikation die Ungewissheit im Fokus. Keiner weiss, ob man es schaffen wird.
Übt das mehr Druck aus?
Nein. Ich mag es auch nicht, wenn die Medien sagen «Sponsoren setzen einen unter Druck». Das stimmt nicht, ich wähle die Routen aus und jede risikoreiche Entscheidung ist meine eigene. Am Ende steht mein Leben auf dem Spiel.
Einmal hörte ich einen entsetzlichen Schrei. Ich dachte direkt an einen riesigen Felssturz, der eines unserer Teammitglieder traf oder ein Seil halbierte. Am Ende war es zum Glück nur Waldo, der einen Haulbag hochzog und vor Anstrengung schrie. An einem anderen Tag wollte ich nach Anna schauen, die sich im Portaledge von ihren Kopfschmerzen erholen sollte. Als ich ins Zelt schaute, lag sie bewegungslos in ihrem Schlafsack und ihre Hand war eiskalt. Ich geriet direkt in Panik, schüttelte sie und schrie. Aber sie hatte nur geschlafen. Ich habe überreagiert.
Weil Sie sich verantwortlich gefühlt haben?
Während solcher Expeditionen kann der beste Tag deines Lebens binnen Sekunden zum schlimmsten werden. Zwar ist noch nie auf einer meiner grösseren Expeditionen ein schlimmer Unfall passiert, aber ich habe auf anderen Trips und beim Basejumping schon viel Schlimmes gesehen.
Am Mount Roraima habt ihr regelmässig über eure Social-Media-Kanäle Updates geteilt. Hättet ihr auch gepostet, wenn ein Unfall passiert wäre?
Wir haben im Vorhinein darüber gesprochen und waren uns einig, dass wir auch einen Unfall geteilt hätten. Es ist die Natur eines Abenteuers, so etwas kann passieren.
Wie stehen Sie zur Kommunikation auf Expeditionen?
Es ist cool, sich wirklich zu committen und keinerlei Kommunikationsmöglichkeiten zu haben. Aber als Expeditionsleiter musst du auf alles vorbereitet sein. Ich bin da sehr professionell geworden: Wir haben einen genauen Ablaufplan für den Notfall. Die Kommunikation mit dem InReach und einem Satellitentelefon ist fundamental.
Das Live-Streaming über Instagram und andere Social-Media-Kanäle war nicht lebensnotwendig?
Nein. Aber die Sponsoren stecken unheimlich viel Geld in diese grossen Expeditionen. Und wir alle wissen: Social Media regieren die Welt. Deswegen haben wir viel Energie in die Kommunikation gesteckt, was alles andere als einfach war. High-Speed-Internetverbindung gab es nur alle paar Tage und die beste Verbindung hatten wir an einem ausgesetzten, schlammigen Platz unter einem Wasserfall. Also sassen wir mit Regenschirm dort und haben versucht, Daten zu versenden.
Macht so etwas Spass oder gehört es einfach zum Job?
Es ist nervig, sich darum auch noch kümmern zu müssen. Auf der anderen Seite sind nur wenige Menschen so privilegiert wie ich und haben die Möglichkeit, solche teuren Expeditionen durchführen zu können. Deswegen ist es cool, die Erlebnisse live zu teilen. Und im Gegensatz zu Filmproduktionen, bei denen am Ende alles zusammengeschnitten wird und der Ausgang bekannt ist, steht bei der Live-Kommunikation die Ungewissheit im Fokus. Keiner weiss, ob man es schaffen wird.
Übt das mehr Druck aus?
Nein. Ich mag es auch nicht, wenn die Medien sagen «Sponsoren setzen einen unter Druck». Das stimmt nicht, ich wähle die Routen aus und jede risikoreiche Entscheidung ist meine eigene. Am Ende steht mein Leben auf dem Spiel.
«Fernsehproduktionen brauchen ein garantiertes Ergebnis. Das steht in Konflikt mit der Natur eines Abenteuers.»
Sie werden von Berghaus schon seit Ende der 90er-Jahre gesponsert. Schliessen Sie vor jeder grossen Expedition nochmals bestimmte Verträge mit Ihren Sponsoren ab?
Bei so teuren Expeditionen wie am Mount Roraima schon. Aber in jedem Vertrag lautet der erste Satz: «Dies ist keine Garantie». Das wäre in jeder anderen Industrie undenkbar. Stellen Sie sich vor, man möchte ein Haus bauen und investiert über 100’000 Euro. Im Vertrag steht aber: «Wir können Ihnen nicht garantieren, es zu bauen». Deswegen unterstützen Fernsehproduktionen keine richtigen Abenteuer. Sie brauchen ein garantiertes Ergebnis – und das steht in Konflikt mit der Natur eines Abenteuers.
In England haben Sie in vielen TV-Serien mitgewirkt, darunter Auftritte in BBCs «Top Gear». Sie produzierten eigene Abenteuer-Sendungen und waren in der TV-Serie «Verlorene Welten» vom Discovery Channel zu sehen, wo Sie exotische Orte und Abenteuer aufsuchten. Sind Sie der zweite Bear Grylls?
Vielleicht ein bisschen, nur weit weniger erfolgreich. Ich durfte bei einigen lustigen Produktionen dabei sein: Wir sind mit dem Snowboard Vulkane runtergefahren, sind als Basejumper in Höhlen gesprungen oder waren in Teilen des Dschungels, wo kein Mensch je zuvor gewesen ist. Die TV-Shows sind lustig und werden gut bezahlt, aber es ist nicht das, wofür ich brenne.
Wie vermarktet man Abenteuer gut im Fernsehen?
Man braucht die Gefahr und das Drama. Bear Grylls ist ein Meister darin. Aber im Fernsehen ist es Fake. Das stört die Zuschauer allerdings meist nicht, weil sie nur unterhalten werden wollen. Als Expeditionsleiter will ich das Gegenteil: Ich möchte jegliche Gefahr vermeiden. Die Erstbegehung am Mount Roraima verlief so reibungslos. Für die Expedition war das super, für eine mögliche Filmproduktion schlecht. Meine Rolle als Leiter steht dann in Konflikt mit der des Filmproduzenten. Zudem ist die Herausforderung, auf einer Expedition zu filmen, doppelt so gross. Deswegen versuche ich jedes Jahr, eine Reise ohne Kamera und Sponsoren zu unternehmen.
Um keinen Druck zu verspüren?
Eher, um sich komplett auf das Klettern zu konzentrieren und weiter ans Limit gehen zu können. Vor einigen Jahren war ich zusammen mit Will Stanhope in den Bugaboos in Kanada. Wir sind die drei Westwände der Howser Towers an einem Tag geklettert. Für jemanden, der sich nicht auskennt, völlig unbedeutend. Für jemanden, der die Schwierigkeiten kennt, ist es eine wahnsinnige Leistung. 2300 Klettermeter bis 5.12+ (7b/7b+) und 58 Seillängen. Es war das erste Mal, dass eine Seilschaft alle drei Türme an einem Tag klettern konnte.
Wie wichtig ist Ihnen der Erfolg einer Expedition?
Natürlich gehe ich mit dem Ziel einer Erstbegehung hin oder will eine bestimmte Route frei klettern. Aber wenn wir am Mount Roraima nicht zum Gipfel gekommen wären? Ja, wir wären gescheitert. Hätten wir trotzdem eine wahnsinnig tolle Zeit tief im Amazonas-Regenwald gehabt? Absolut! Besonders auf den grossen Expeditionen geht es nicht nur darum, nach oben zu kommen.
Sondern?
Viele sprechen bei Kletterern oder Bergsteigern von einem Adrenalin-Rausch, aber das ist es nicht. Die Erlebnisse sind viel tiefer und viel intensiver. Die Expeditionen sind fast schon spirituell. Einer meiner Lieblingsmomente im Amazonas war ein Sonnenaufgang. Wir sassen im Portaledge in der Wand und die Sonne ging langsam über dem wilden Regenwald auf. Das ist kein extremer Moment wie der Kick, den ich verspüre, wenn ich eine Klippe runterspringe. Aber wow, was für ein besonderer Augenblick. Der Sonnenaufgang, eine Tasse Kaffee in der Hand und um uns herum fliegen riesige Papageien. Dieser Moment war schöner als das Klettern der harten Seillängen. Ausserdem reden alle nur von Spinnen, Schlangen und anderen Insekten im Dschungel. Aber niemand von den unfassbar schönen Kolibris, von den Schmetterlingen oder den wahnsinnigen Geräuschen in der Nacht.
Also sind es die kleinen Momente …
Je älter ich werde, desto mehr schätze ich sie. Beim Kiten in der Antarktis sind an einem Tag Tausende Eiskristalle über die Oberfläche geweht. Es sah aus wie ein Teppich voller Diamanten. Natürlich gehören die extremen Dinge dazu, aber oft sind die kleinen Dinge die wirklich grossen.
Bei so teuren Expeditionen wie am Mount Roraima schon. Aber in jedem Vertrag lautet der erste Satz: «Dies ist keine Garantie». Das wäre in jeder anderen Industrie undenkbar. Stellen Sie sich vor, man möchte ein Haus bauen und investiert über 100’000 Euro. Im Vertrag steht aber: «Wir können Ihnen nicht garantieren, es zu bauen». Deswegen unterstützen Fernsehproduktionen keine richtigen Abenteuer. Sie brauchen ein garantiertes Ergebnis – und das steht in Konflikt mit der Natur eines Abenteuers.
In England haben Sie in vielen TV-Serien mitgewirkt, darunter Auftritte in BBCs «Top Gear». Sie produzierten eigene Abenteuer-Sendungen und waren in der TV-Serie «Verlorene Welten» vom Discovery Channel zu sehen, wo Sie exotische Orte und Abenteuer aufsuchten. Sind Sie der zweite Bear Grylls?
Vielleicht ein bisschen, nur weit weniger erfolgreich. Ich durfte bei einigen lustigen Produktionen dabei sein: Wir sind mit dem Snowboard Vulkane runtergefahren, sind als Basejumper in Höhlen gesprungen oder waren in Teilen des Dschungels, wo kein Mensch je zuvor gewesen ist. Die TV-Shows sind lustig und werden gut bezahlt, aber es ist nicht das, wofür ich brenne.
Wie vermarktet man Abenteuer gut im Fernsehen?
Man braucht die Gefahr und das Drama. Bear Grylls ist ein Meister darin. Aber im Fernsehen ist es Fake. Das stört die Zuschauer allerdings meist nicht, weil sie nur unterhalten werden wollen. Als Expeditionsleiter will ich das Gegenteil: Ich möchte jegliche Gefahr vermeiden. Die Erstbegehung am Mount Roraima verlief so reibungslos. Für die Expedition war das super, für eine mögliche Filmproduktion schlecht. Meine Rolle als Leiter steht dann in Konflikt mit der des Filmproduzenten. Zudem ist die Herausforderung, auf einer Expedition zu filmen, doppelt so gross. Deswegen versuche ich jedes Jahr, eine Reise ohne Kamera und Sponsoren zu unternehmen.
Um keinen Druck zu verspüren?
Eher, um sich komplett auf das Klettern zu konzentrieren und weiter ans Limit gehen zu können. Vor einigen Jahren war ich zusammen mit Will Stanhope in den Bugaboos in Kanada. Wir sind die drei Westwände der Howser Towers an einem Tag geklettert. Für jemanden, der sich nicht auskennt, völlig unbedeutend. Für jemanden, der die Schwierigkeiten kennt, ist es eine wahnsinnige Leistung. 2300 Klettermeter bis 5.12+ (7b/7b+) und 58 Seillängen. Es war das erste Mal, dass eine Seilschaft alle drei Türme an einem Tag klettern konnte.
Wie wichtig ist Ihnen der Erfolg einer Expedition?
Natürlich gehe ich mit dem Ziel einer Erstbegehung hin oder will eine bestimmte Route frei klettern. Aber wenn wir am Mount Roraima nicht zum Gipfel gekommen wären? Ja, wir wären gescheitert. Hätten wir trotzdem eine wahnsinnig tolle Zeit tief im Amazonas-Regenwald gehabt? Absolut! Besonders auf den grossen Expeditionen geht es nicht nur darum, nach oben zu kommen.
Sondern?
Viele sprechen bei Kletterern oder Bergsteigern von einem Adrenalin-Rausch, aber das ist es nicht. Die Erlebnisse sind viel tiefer und viel intensiver. Die Expeditionen sind fast schon spirituell. Einer meiner Lieblingsmomente im Amazonas war ein Sonnenaufgang. Wir sassen im Portaledge in der Wand und die Sonne ging langsam über dem wilden Regenwald auf. Das ist kein extremer Moment wie der Kick, den ich verspüre, wenn ich eine Klippe runterspringe. Aber wow, was für ein besonderer Augenblick. Der Sonnenaufgang, eine Tasse Kaffee in der Hand und um uns herum fliegen riesige Papageien. Dieser Moment war schöner als das Klettern der harten Seillängen. Ausserdem reden alle nur von Spinnen, Schlangen und anderen Insekten im Dschungel. Aber niemand von den unfassbar schönen Kolibris, von den Schmetterlingen oder den wahnsinnigen Geräuschen in der Nacht.
Also sind es die kleinen Momente …
Je älter ich werde, desto mehr schätze ich sie. Beim Kiten in der Antarktis sind an einem Tag Tausende Eiskristalle über die Oberfläche geweht. Es sah aus wie ein Teppich voller Diamanten. Natürlich gehören die extremen Dinge dazu, aber oft sind die kleinen Dinge die wirklich grossen.
«Der Grund, warum du dich so lebendig fühlst, ist, weil du sterben könntest.»