Luxus Probleme – Winter-Glamping
Luxus Probleme – Winter-Glamping
 Datum: 15.10.2018  Text: Moritz Becher 

Luxus Probleme – Winter-Glamping

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Luxus Probleme – Winter-Glamping
Warum nicht alpinen Winterspass und Wellness-Campieren miteinander verknüpfen? Dachte sich auch Outdoor Guide Autor Moritz Becher und lud zum winterlichen Glamping am Pizol ein. Eine richtig feine Sache – solange man nicht vom Berg geblasen wird …
«Die Frage ist: Was gewinnen wir, wenn wir bleiben?» Der Wind rüttelt so laut an dem roten Zeltgewebe, dass wir Mühe haben, Angelos Frage zu verstehen. Enttäuscht starren wir anderen zu Boden. Aber eigentlich wissen wir, er hat recht, es wäre zwecklos und dumm, hier auszuharren. 

Rückblende: «Lust auf Winter-Glamping in den Bergen?», lautet der Text meiner SMS. Die Idee: ein Plätzchen, an dem wir uns ein Basecamp der Extraklasse bauen, von dem aus wir schnelle Skitouren unternehmen können, uns mit Gourmet-Speisen verköstigen, ein Iglu mit Schneebar bauen, die Seele baumeln lassen, ein Mix aus Action und Müssiggang. «Mega!» «Voll dabei!» «Unbedingt!»
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Verrückt oder leidenschaftlich?

Ungläubiges Kopfschütteln vier Wochen später am Parkplatz der Pizolbahnen in Wangs. «Ähm, wie sollen wir das alles in unsere Rucksäcke bringen?», fragt David lachend. Jeder von uns hat es etwas zu gut gemeint mit den Leckereien und Komfortutensilien. Die Summe der Einzelteile – von der Skitourenausrüstung über Kochgeschirr, Zelte und Schlafsäcke bis hin zu Gourmet-Zutaten, Rotwein und Whiskey – verwandelt unsere Trekking-Rucksäcke in prall gefüllte 30-Kilo-Monster. Egal, sind ja nur 300 Höhenmeter von der Pizolhütte, zu der wir mit Liftunterstützung «cheaten», bis zum Wildseeluggen. Dahinter, etwas nördlich des Wildsees, wollen wir unser Camp einrichten. Die Bedingungen sind eher gemischt: ein Viele-­Wolken-Sonne-Mix, garniert mit einem Lawinen-­Dreier in exponierten Lagen. 

«Wenn’s ganz gruselig werden sollte, machen wir uns einfach im Zelt eine gute Zeit», sage ich heftig schnaufend. Die ersten Meter auf Skiern fühlen sich an, als wäre dieses Vorhaben die dümmste Idee seit sehr langer Zeit gewesen. Egal, Zähne zusammenbeissen, auf die Belohnung freuen. Und wirklich, nach ein paar Hundert Metern haben wir uns «eingesherpat». Allerdings: Die Höhenmeter kommen uns vor wie Zentimeter. In einer Stunde sind Normalo-Skitourengeher locker von der Hütte bis zum Sattel getrabt, wir benötigen dank Schwertransport fast doppelt so lange.

Als es schon dämmert, erreichen wir den Wildseeluggen auf 2493 Metern. Yeeha! Geschafft! Jetzt geht es nur noch leicht bergab. «Verdammt, die Traverse könnte nochmal ungemütlich werden», ruft uns Angelo zu, der als Erster am anderen Sattelende steht. Die Mischung aus warmer März-Tagluft, kalten Nachttemperaturen und starkem Wind hat den Bergflanken unterhalb der Schwarzen Hörner einen knallharten Eisdeckel verpasst. Abwechselnd balancieren wir auf den Kanten, unterstützt von intensivem Stockeinsatz, um kurz darauf bis zu den Knien einzubrechen. Jeder Meter wird zum Kraftakt. Endlich, Bergmaschine Angelo ist vorge­prescht, um einen guten Camp-Spot zu finden, und winkt uns nun zu einer kleinen Ebene, die für den morgigen Tag eine phänomenale Aussicht auf unser Skitourenziel, den Pizol, verspricht.
Rinderbouillon mit Maultäschle, Chäschnöpfli, dazu ein rassiger Pinot Noir und viel Zeit mit Freunden. Das Leben ist gut – bis wir die Wetter-App checken.
Luxus Probleme – Winter-Glamping
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Im Zeltpalast

Mittlerweile ist es komplett finster. Im Schein unserer Stirnlampen zimmern wir mithilfe von Sonden, Schneesägen und Lawinenschaufeln eine Souterrain-Basis mit windabweisendem Rundum-Mäuerli für unser fürstliches Gemeinschaftszelt. Während drei Innenarchitekten den Boden so abtragen, dass ein windgeschützter Eingang mit Kältegraben aus unserem Nylon-Chalet führt, dazu ein Küchenblock und Sitzbänke stehenbleiben, verwandeln die anderen zwei den Innenraum in eine urgemütliche Liegelandschaft mit handbreit dicken Matten und sich bauschig auftürmenden Winterschlafsäcken. «Morgen erweitern wir unser Wellness-Dorf um eine Schneehöhle und ein Iglu, dann haben wir Schlaf- und Wohnräume getrennt», plant Ben euphorisch ... 

Der Palast steht, die Sterne funkeln darüber, als könnte die Wettervorhersage besser nicht sein. In der Ferne schimmert der Nachthimmel orange von den Lichtern der Zivilisation. «Alles richtig gemacht, oder?», fragt Guido mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht. Unwiderstehlich kriecht der Geruch von schmelzendem Käse in unsere Nasen. Auf den Apéro während der Koch-Schneeschmelze war als Potage eine kräftige Rinderbouillon mit schwäbischen Maultäschle und Backerbsen gefolgt. Jetzt dampfen die Pfannen und Töpfe auf unseren Kochern mit üppigen Chäschnöpfli. Es fühlt sich grossartig an, hier zu sein, mit guten Freunden, rassigem Pinot Noir und viel Zeit. Das Leben ist gut – bis Angelo das Wetter per App checkt: «Oh, oh, vielleicht trifft uns morgen starker Föhnwind, das würde ziemlich ungemütlich.» Ok, keine Traumaussichten, aber jetzt ist jetzt, und im Moment können wir eh nichts ändern. Nur nicht die gute Laune verderben lassen! 

So gerne wir diesen Abend bis in die Ewigkeit hinauszögern würden, doch müde, satt und warm ist eine todsichere Kombination für ein kollektives Koma. Kurz vor Mitternacht verteilen sich fünf dick aufgeplusterte Daunensärge auf ihren fetten Matten über den Zeltboden, begleitet von männerausflugsüblichem Gesäge.
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Patagonien lässt grüssen

Lautes Geblubber. Durch das kleine Atemloch meines Schlafsacks identifiziere ich das Geräusch als frisch aufgekochten Kaffee. «Cappuccino?», kommentiert Guido meinen verschlafenen Blick. «Wie ist die Lage draussen?», tönt es aus ­einem anderen Daunenkokon. «Zum ­Weiterschlafen», lautet Guidos Antwort.

Während Spiegeleier, Speck und Toast die Lebensgeister wecken, schmieden wir Pläne. «Lasst uns heute den Pizol vergessen und ein richtiges Luxus-Iglu bauen», schlägt Ben vor. 30 Minuten später schaufeln und sägen fünf Glamper mit vollen Kalorienspeichern um die Wette. Unser eigentliches Tagesziel, den Pizol-Gipfel, können wir nur erahnen, so suppig ist es. Die Grundmauern stehen, doch je tiefer wir die Schneeziegel aus dem Hang sägen, desto offensichtlicher wird, wie miserabel es um den Schneedeckenaufbau bestellt ist. Zahlreiche Schwachschichten durchziehen unsere Bausubstanz, bereits beim Anheben einzelner Schneequader gleiten diese auseinander. Im Konstruktionseifer haben wir kaum bemerkt, wie stark der Wind zugelegt hat. Jetzt müssen wir uns regelrecht dagegenstemmen. «Schnell, das Zelt!», brüllt Guido. Wir sprinten. Die Böen knallen dermassen ins Gewebe, dass sich die Konstruktion bedrohlich verbiegt. So schnell wir können, erhöhen wir die Schneemauer um unsere Bleibe, doch der Wind scheint davon unbeeindruckt, überschlägt sich und drückt mit voller Wucht von oben auf das Zeltdach. 

Kriegsrat. Das flatternde Nylongewebe hämmert so laut, dass wir uns fast anbrüllen müssen. Angelo checkt seine Wetter-App: Föhnsturm mit 120 km/h, Lawinenwarnstufe 4 oberhalb 
von 2000 Metern …

Rückzug ist die beste Verteidigung

Nach dem Abwägen aller Optionen beschliessen wir einstimmig, abzubrechen. In Rekordzeit verstauen wir unsere gesamte Ausrüstung in den Rucksäcken. Wieder quälen wir uns nur auf den Skikanten Richtung Wildseeluggen. Auf der anderen Seite müssen wir eigentlich nur noch die Südostflanken der Schwarzen Hörner queren. Dennoch, ein mulmiges Gefühl bei Warnstufe 4. Einzeln nacheinander, so zügig es die schlechte Sicht und die viel zu schweren Rucksäcke zulassen, erreichen wir den Twärchamm. Der Plan, uns in der Pizolhütte aufzuwärmen, fällt aus. Das Gebäude ist verschlossen, alle Lifte stehen still. Geisterstimmung bei tobendem Wind. Hier oben irgendwo ein halbwegs geschütztes Fleckchen für die zweite Nacht zu finden, ist aussichtlos. Wieder Wettercheck: «Am Nachmittag oberhalb von 2000 Metern Sturmböen bis 200 km/h», liest Angelo vor. Uns bleibt nichts anderes übrig, als bis zur Mittelstation abzufahren. 

Dort herrscht bei Sonnenschein und Windstille Hochbetrieb, als gäbe es weiter oben kein Lüftchen. «Wie wär’s: Wir nisten uns in einer der Hütten ein und machen uns einen richtig guten Abend», schlägt David vor. Angenommen! Als wir auf der Sonnenterrasse im Shirt sitzen, kommt es uns vor, als wären Zeit und Raum verschoben. Nur die Schneefahnen an den Graten der Schwarzen Hörner lassen erahnen, was dort oben für ein Föhnsturm tobt. «Alles richtig ­gemacht, oder?», wiederholt Guido grinsend.

Heisse Ware

Winter-Glamping verspricht grandiose Nächte und einzigartig ­schöne Erlebnisse. Vorausgesetzt, die Ausrüstung stimmt. Für luxuriösen Schlafkomfort bei tiefen Temperaturen haben wir sechs Top-Wintermodelle im hochalpinen Schlaflabor getestet.
Winter-schlafsäcke – so schläfst du frostfrei
Einfach dicker gefüllt? Nicht ganz. Gute Winterschlafsäcke sind technisch deutlich aufwändiger. Vor allem im Kopf- und Fuss­bereich gilt es, Kältebrücken zu eliminieren. Ein dicker Kragen verhindert, dass die Wärme aus dem Inneren entweicht. Der Aufbau ist im Differentialschnitt gearbeitet, d. h., die Innenhülle ist deutlich kleiner als die Aussenhülle. Im freien Raum dazwischen kann sich die Füllung, aufgeteilt in Kammern, maximal ausdehnen. Je nach Einsatz  wird Daune oder Kunstfaser verwendet. Kunst­fasermodelle eigenen sich aus Packmassgründen nur dann, wenn die Ausrüstung nicht im Rucksack transportiert werden muss.
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Kopf- und Fussbereiche des Altitude Down 5-Season weisen eine komplexe Kammerstruktur auf. Das Kopfteil schmiegt sich hervorragend an. Das Nylon-Aussenmaterial ist gemäss Mammut wasserdicht und zugleich wasserdampfdurchlässig, was den Schlafsack auch für winterliche Biwak-Einsätze prädestiniert. Praktisch: Der kuschelige Fleece-Einsatz im Fussteil kann herausgenommen und ­gewaschen werden. Erhältlich in einer Grösse.

Tester Ben: «Top geschlafen. Angenehm, dass ich mir keine Sorgen um Feuchtigkeit machen musste.»

MAMMUT
«Altitude Down 5-Season»
Preis: CHF 1299.–
Gewicht: 2145 g (inkl. Packsack)
Füllung: Gänsedaune, 95/5 Daune-­Federn-Verhältnis, 800 cuin Füllkraft
Temperaturbereich Komfort: – 30 °C (Herstellerangabe)
mammut.ch

Mountain Equipment ist nicht nur Spezialist für Daunenprodukte, sondern auch Vorreiter in puncto ethischer Daunengewinnung. Der Iceline ist – im Verhältnis zu seiner hohen Isolationsleistung – angenehm leicht, das neue Aussenmaterial, Gore Thermium, hält Feuchtigkeit gut ab. Dies und das relativ geringe Packmass prädestinieren ihn für winterliche Alpin-Einsätze. Erhältlich in zwei Grössen.

Tester David: «Warum in die Hütte gehen?»

MOUNTAIN EQUIPMENT 
«Iceline»
Preis: ab CHF 1099.90
Gewicht: 1886 g
(Grösse Long, inkl. Packsack)
Füllung: Gänsedaune, 90/10 Daune-­Federn-Verhältnis, 800 cuin Füllkraft
Temperaturbereich Komfort: ­– 30 °C (Herstellerangabe)
mountain-equipment.de
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Entwickelt wurde der Odin Neo für extrem tiefe Temperaturen in grossen Höhen. Das Design und die Verarbeitung sind herausragend. Die Daune stammt aus Frankreich und hat laut Valandre einen besonders hohen Fettanteil, was sie feuchtigkeitsresistenter machen soll. Packmass und Gewicht (10 % leichter als der Vorgänger)sind für Hochwintereinsätze absolut rucksacktauglich. Erhältlich in drei Grössen.

Tester Moritz: «Unglaublich warm – den würde ich tatsächlich gerne mal bei – 30 °C testen.»

VALANDRE 
«Odin Neo»
Preis: ab CHF 997.–
Gewicht: 1780 g
(Grösse L, inkl. Packsack)
Füllung: Gänsedaune, 95/5 Daune-­Federn-Verhältnis, 800 cuin Füllkraft
Temperaturbereich Komfort: – 30 °C (Herstellerangabe)
valandre.com
Winter-Isomatten  – komfortable Kältebarrieren
Schlafmatten für komfortable Winternächte sind nicht nur hoch aufgebaut: Um die Wärme möglichst gut zu halten, werden mittlerweile zusätzliche Isolationsmaterialien wie Daune oder Kunstfaser verwendet. Dabei verhindert eine dämmende Mittelschicht den Austausch von bodennaher, kalter Luft mit körpernaher, warmer Luft. Die Isolationskraft einer Matte wird mittels eines Wärmedurchgangskoeffizienten, dem sogenannten R-Wert, angegeben – je höher, desto arktistauglicher. Im Idealfall werden Wintermatten nicht mit dem Mund, also feuchter Atemluft, sondern mit einer Pumpe oder einem Pumpsack aufgeblasen.
197 cm lang, 65 cm breit und 9 cm dick – Winterschlaf­komfort vorprogrammiert. Die DownMat von Exped ist schon fast eine Legende. Die in den Luftkammern enthaltene Daune speichert die vom Körper erwärmte Luft. Mit der Ultralight-Winter-Version in Grösse LW können Glamper eigentlich nichts falsch machen – ausser den äusserst effizienten Pumpsack zu vergessen. Mit einem R-Wert von 7 verspricht Exped gute Nächte bis – 32 °C. Erhältlich in zwei Grössen.

Tester Angelo: «Einfach ein Schlafgarant!»

EXPED
«DownMat UL Winter»
Preis: ab CHF 254.–
Gewicht: 854 g
(Grösse LW, inkl. Pack- & Pumpsack)
R-Wert: 7
exped.com
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201 cm lang, 64 cm breit und 6,3 cm dick – erste Wahl für gross gewachsene Glamper. Der Clou der Comfort Plus Insulated Sleeping Mat von Sea to Summit: Die Luftzellen auf der Ober- und Unterseite können getrennt befüllt werden. Das heisst in der Praxis: Die Unterseite gleicht Bodenunebenheiten aus, während die Oberseite ganz nach Gusto befüllt wird. In die Luftkammern eingearbeitete Kunstfaserwattierungen speichern die warme Luft besser. Erhältlich in fünf Grössen.  

Tester Moritz: «Kein Leichtgewicht, aber schön gross und gemütlich.»

SEA TO SUMMIT  
«Comfort Plus Insulated Sleeping Mat»
Preis: ab CHF 235.–
Gewicht: 1158 g (Grösse L Rectangular, inkl. Packsack)
R-Wert: 5
seatosummit.com
183 cm lang, 51 cm breit und 6,3 cm dick – der schnelle, schlanke Allrounder. Eine dünne Materiallage direkt unter der Oberseite reflektiert die Körperwärme. Beeindruckend schnell funktioniert das SpeedValve-System der Therm-a-Rest NeoAir All Season SV. Durch eine grosse Öffnung wird mit etwas Abstand Leben in die Matte «gehaucht» und per Rolltop-Verschluss auf Spannung gebracht. Über ein Zusatzventil erfolgt das Feintuning des gewünschten Weichheitsgrades.

Tester Guido: «Megaschnelles System – ich will diese Matte haben!»

THERM-A-REST 
«NeoAir All Season SV»
Preis: ab CHF 199.–
Gewicht: 672 g
(Grösse Regular, inkl. Packsack)
R-Wert: 4,9
thermarest.com
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