Der eine schützt den Wald und die Wildtiere, der andere schafft Erlebnisse, die bleiben. Ralf und Severin sind beide nah dran an der Natur, aber aus unterschiedlichen Perspektiven. Ein Gespräch über Grenzbereiche, Verhaltensregeln und warum echte Begegnungen mehr bewirken als jedes Verbot.
Wer seid ihr und was ist euch in eurer Arbeit besonders wichtig?
Ralf: Ich bin Revierförster und Betriebsleiter des Forstbetriebs in den Gemeinden La Punt Chamues-ch / Madulain und damit zuständig für die Forstwirtschaft, die Schneeräumung und die Wasserversorgung. Der Wald ist ein sensibler Lebensraum für Tiere, Pflanzen und auch uns Menschen. Ich wünsche mir, dass das mehr Leute verstehen und respektieren.
Severin: Ich bin Wanderleiter im Val Müstair. Für mich ist die Natur kein „Spielplatz“, sondern ein Raum, der respektiert werden muss. Mein Ziel ist es, Menschen diesen Raum näherzubringen mit Wissen, mit Geschichten, aber auch mit Achtsamkeit. Wer draussen unterwegs ist, sollte wissen, worauf es ankommt und warum.


„Naturerlebnisse sind Geschenke – keine Selbstverständlichkeit.“


„Der Wald ist mehr als eine Kulisse für Freizeit – er ist Lebensraum.“
Was beobachtet ihr unterwegs? Was freut euch, was macht euch Sorgen?
Severin: Schön ist, wenn Menschen staunen, zuhören und fragen. Weniger schön ist, wenn Wege verlassen, Tiere gestört oder Pflanzen zertreten werden. Vielen ist nicht klar, welche Folgen ihr Verhalten haben kann. Das grösste Problem ist aus meiner Sicht Unwissenheit. Viele wissen oft nicht, wie sensibel die Natur sein kann, besonders ausserhalb markierter Wege.
Ralf: Ich sehe es genauso. Besonders im Frühling, wenn Wildtiere Junge haben oder geschwächt aus dem Winter kommen, sind Störungen kritisch. Wenn jemand querfeldein geht, sieht er vielleicht nur Wiese, ich sehe Rückzugsraum für Wildtiere. Darum ist es so wichtig, dass wir Wissen vermitteln, nicht nur Regeln aufstellen.
Warum fällt Rücksicht oft so schwer?
Ralf: Weil viele die Zusammenhänge nicht kennen. Wenn man weiss, was ein Steinbock braucht oder warum ein Weg durch ein Schutzgebiet nicht verlassen werden sollte, verändert sich der Blick. Deshalb ist Dialog so wichtig, nicht nur Kontrolle.
Severin: Und weil es schnell geht. Ein Foto, ein Umweg, ein kurzer Abstecher und schon ist man mitten in einem sensiblen Gebiet. Ich versuche meinen Gästen immer zu erklären, dass respektvolles Verhalten gegenüber Wildtieren entscheidend ist. Die Natur ist ein fein vernetztes System und wir sind ein Teil davon. Um dieses Zusammenspiel zu erkennen, braucht es manchmal etwas Erklärung. Besonders gut funktioniert das mit echten Geschichten aus dem Gelände, die bleiben hängen und schaffen Bewusstsein.
Was hilft konkret, um Verhalten zu verändern?
Severin: Persönliche Begegnungen. Wenn ich als Wanderleiter etwas erzähle, dann hören viele ganz anders zu, als wenn sie nur ein Schild sehen. Darum finde ich Initiativen wie Fairtrail oder die Arbeit der Fairdinands enorm wertvoll. Die Leute sind oft tief berührt von dem was sie unterwegs erleben, weil sie spüren, wie stimmig und wertvoll diese Verbindung zwischen Mensch, Tier Pflanzen und Landschaft ist. Und das funktioniert wiederum nur, wenn man mit Respekt und Achtsamkeit unterwegs ist.
Ralf: Genau. Der direkte Austausch wirkt. Ich glaube nicht an zusätzliche Verbotsschilder, sondern an Verantwortung. Natürlich braucht es Regeln, aber wir müssen erklären, warum sie sinnvoll sind. Und das gelingt nur im Gespräch. Es braucht mehr Informationen und Sensibilisierung und vor allem mehrsprachige Kommunikation. Denn: Wer sich vorbereitet, weiss, wo es heikel werden kann und plant entsprechend um.
Was wünscht ihr euch von den Menschen, die draussen unterwegs sind?
Ralf: Neugier und Respekt. Fragt nach, informiert euch – und verhaltet euch so, wie ihr euch das von anderen auch wünschen würdet. Der Wald ist mehr als eine Kulisse für Freizeit – er ist Lebensraum.
Severin: Ich wünsche mir, dass Menschen sich Zeit nehmen. Nicht nur für die Aussicht, sondern auch für das, was darunter liegt. Pflanzen, Spuren, Stimmungen. Wer mit offenen Augen unterwegs ist, tritt automatisch rücksichtsvoller auf. Und bitte: Bleibt auf den Wegen – auch wenn’s manchmal einen Umweg bedeutet.
Und zum Schluss: Was gebt ihr uns allen mit auf den Weg?
Severin: Naturerlebnisse sind Geschenke und keine Selbstverständlichkeit. Wer draussen unterwegs ist, ist Gast. Und Gäste benehmen sich - hoffentlich - entsprechend. Fairtrail verbindet die Themen: Mensch, Tier Natur, sowie Perspektiven und Lebenswelten miteinander und das unterstütze ich aus voller Überzeugung.
Ralf: Respekt beginnt im Herzen und zeigt sich im Tun. Wenn wir das alle ein bisschen verinnerlichen, dann profitieren am Ende alle: Mensch, Tier und Landschaft.
Über Fairtrail
Fairtrail fördert seit 2019 ein respektvolles Miteinander auf Wander- und Bikewegen und sensibilisiert für Rücksichtnahme gegenüber Mitmenschen, Natur, Landwirtschaft und Wildtieren. Ziel ist es, das für alle frei nutzbare Wegnetz in den Bergen langfristig zu erhalten. Das Prinzip der Koexistenz hat sich bewährt – Sensibilisierung wirkt nachhaltiger als Verbote. Die Kampagne setzt auf klare Botschaften, persönliche Begegnungen und regionale Massnahmen.

