Oben ohne Sorgen – Auf ein Glas Milch mit einer Alp-Managerin
Gesunde Bergluft schnuppern, die Landschaft geniessen und zwischendurch mal schnell ein paar Kühe melken. Wer sich den Alltag auf einer der über 7000 Schweizer Alpbetrieben so vorstellt, der wird von Älplerin Katharina Krepold eines Besseren belehrt. Ein Gespräch über die Arbeit am Berg, körperliche Herausforderungen und anhaltende Bewusstseinsveränderungen.
Der Vibrationsalarm zerschneidet die Nacht. Ein Blick auf das Handy: 3:30 Uhr. Das morgendliche Ringen mit der Müdigkeit beginnt. Den Wecker ausstellen und in das Land der Träume fliehen – das kommt für die Chefin von 350 Mitarbeitern nicht infrage. Die Produktion muss pünktlich beginnen. Also los: Ein blonder Haarschopf schält sich aus dem Bett. Füsse in die Bergschuhe, hinaus in die Nacht und der Kuhglockenfährte folgen. Denn in der Welt einer Milchkuh kommt M vor A – Melken vor Ausschlafen.
Katharina ist Älplerin. Seit sieben Jahren tauscht die 27-jährige Allgäuerin von Juni bis Mitte September ihre Arbeit im kleinen Büro gegen die unendlichen Weideflächen um die Bündner Alp St. Carli. Auf 1700 Metern warten 115 Milchkühe zweimal täglich darauf, gemolken zu werden. Und 230 Stück Jungvieh auf regelmässige Kontrollbesuche ihrer Chefin samt dem zweiköpfigen Alp-Team. Eine Taschenlampe und der Klang der Glocken müssen reichen, um die Tiere im Halbdunklen zu orten, Richtung Stall zu navigieren und an ihren Plätzen anzubinden. Um 4 Uhr morgens akzeptiert Katharina keine Faxen – das merkt auch die Kuh schnell. Fellige 700 kg treffen auf willensstarke 55 kg. Gerade gewinnen 55 kg Willensstärke – wie fast immer.
Aufgewachsen auf einem Bauernhof lernt Katharina früh, wie man sich als Mädchen durchsetzt. Bei drei Brüdern fast schon Überlebensgrundlage. «Das war ein grosser Spielplatz für uns Kinder, aber auch viel Arbeit. Wenn andere an Sommertagen baden gingen, mussten wir Heu machen.» Keine Klage, nur eine sachliche Feststellung. Wer sie beobachtet, merkt schnell, dass Katharina körperliche Arbeit nicht scheut. Eher sucht. An die Grenzen gehen, das brauche sie, um sich überhaupt entspannen zu können. «Sonst macht das ja keinen Spass, wenn ich davor nichts geleistet habe.» Routiniert wuselt sie von Kuh zu Kuh, legt die Melkmaschine an, schiebt wuchtige Hinterteile zur Seite. Nach der Schule beginnt sie eine Lehre zur Industriemechanikerin, legt den Meister und technischen Betriebswirt nach – Maschinen, Schweissgeräte und Zahlen. Dass sie eines Tages auf einer Alp landen würde, hatte sie nicht geplant. «Ich hatte lange Zeit keinen Bezug zu dieser Welt.» Feiern und Shoppingtouren waren ihr wichtiger. Und heute? Nicht viel weist hier oben auf die Alltags-Katharina hin – schicke Kleidung sind nun praktischen Gummistiefeln gewichen.
Katharina ist Älplerin. Seit sieben Jahren tauscht die 27-jährige Allgäuerin von Juni bis Mitte September ihre Arbeit im kleinen Büro gegen die unendlichen Weideflächen um die Bündner Alp St. Carli. Auf 1700 Metern warten 115 Milchkühe zweimal täglich darauf, gemolken zu werden. Und 230 Stück Jungvieh auf regelmässige Kontrollbesuche ihrer Chefin samt dem zweiköpfigen Alp-Team. Eine Taschenlampe und der Klang der Glocken müssen reichen, um die Tiere im Halbdunklen zu orten, Richtung Stall zu navigieren und an ihren Plätzen anzubinden. Um 4 Uhr morgens akzeptiert Katharina keine Faxen – das merkt auch die Kuh schnell. Fellige 700 kg treffen auf willensstarke 55 kg. Gerade gewinnen 55 kg Willensstärke – wie fast immer.
Aufgewachsen auf einem Bauernhof lernt Katharina früh, wie man sich als Mädchen durchsetzt. Bei drei Brüdern fast schon Überlebensgrundlage. «Das war ein grosser Spielplatz für uns Kinder, aber auch viel Arbeit. Wenn andere an Sommertagen baden gingen, mussten wir Heu machen.» Keine Klage, nur eine sachliche Feststellung. Wer sie beobachtet, merkt schnell, dass Katharina körperliche Arbeit nicht scheut. Eher sucht. An die Grenzen gehen, das brauche sie, um sich überhaupt entspannen zu können. «Sonst macht das ja keinen Spass, wenn ich davor nichts geleistet habe.» Routiniert wuselt sie von Kuh zu Kuh, legt die Melkmaschine an, schiebt wuchtige Hinterteile zur Seite. Nach der Schule beginnt sie eine Lehre zur Industriemechanikerin, legt den Meister und technischen Betriebswirt nach – Maschinen, Schweissgeräte und Zahlen. Dass sie eines Tages auf einer Alp landen würde, hatte sie nicht geplant. «Ich hatte lange Zeit keinen Bezug zu dieser Welt.» Feiern und Shoppingtouren waren ihr wichtiger. Und heute? Nicht viel weist hier oben auf die Alltags-Katharina hin – schicke Kleidung sind nun praktischen Gummistiefeln gewichen.
Ausstieg ins Val Lumnezia
Es war keine bewusste Entscheidung, vielmehr Zufall: Der grosse Bruder geht für einen Sommer z’Alp – während eines Besuchs springt der Funke auch auf sie über. «Ich suchte damals eine neue Herausforderung und nach der Gesellenprüfung konnte ich freinehmen.» 2010 verschlägt es sie so das erste Mal in das Val Lumnezia. Wenn sie heute von ihrem «Vorstellungsgespräch» bei den Bauern erzählt, muss sie schmunzeln. «Erst beim Aussteigen aus dem Auto habe ich bemerkt, dass meine Fingernägel knallrot lackiert sind.» Ein zierliches, deutsches Mädchen mit 20 Jahren stellt sich den Anforderungen eingesessener Schweizer Bauern. Ob das gut geht? Anfängliche Zweifel räumt sie mit Ehrgeiz und Tatendrang beiseite. «Ich konnte die Herren scheinbar mit meinen Bergschuhen beeindrucken», lacht sie. Massige Hochtourenschuhe für Gletscher und Expeditionen. Sicher aber auch mit ihrer unendlichen Ausdauer: Elegant wie eine Gämse sprintet Katharina über Steine und Felsen und versperrt zwei Ausreisserinnen den Weg. So nicht!
Sechs Stunden nach Arbeitsbeginn gibt es Frühstück. Bei frischen Crêpes bespricht Katharina die Aufgaben mit ihren zwei Mit-Älplern. Und erneuert nebenbei einen Verband an der Hand. «Da hatte ich eine kleine Meinungsverschiedenheit mit einem Kalb.» Schmerzhaft verzieht sie das Gesicht. Eigentlich hätte sie zum Arzt gehen müssen. Eigentlich. «Ich kann hier nicht einfach schnell weg.» Körperliche Anstrengung, 16-Stunden-Tage, herausforderndes Wetter. Die Kilos purzeln, die Motivation bleibt. Wie? Ihre Augen schweifen erklärend über die Landschaft. Saftige Wiesen, verschneite Gipfel. Sie möchte nicht esoterisch klingen. Aber die Alp hilft ihr, sich selbst zu finden und sich besser kennenzulernen. «Wo liegen meine Grenzen, was kann ich leisten, wie motiviere ich mich und mein Team.» Und am Wichtigsten: «Auf was kann ich verzichten.» Auf das ständige Online-sein zum Beispiel, blödsinnige Fernsehsendungen oder unnötigen Konsum. Im reduzierten Alp-Alltag hat sie gemerkt, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein. Und wie geerdet sie aus einer Saison zurück nach Hause geht.
Sie versteht, dass viele Menschen diese Auszeit in den Bergen suchen. «Wenn wir uns an der frischen Luft bewegen, dann geht es uns immer besser.» Schlagwörter wie Adrenalin und Vitamin D fallen. Daran mangelt es ihrem braungebrannten Körper sicher nicht. Berglauf, Rennrad und Skitouren – mindestens zwei bis drei Mal die Woche versucht sie, ihren Körper auch zu Hause an seine sportlichen Grenzen zu bringen. Ohne das wäre der Saisonauftakt schwer zu meistern. Immerhin legt sie zum Zäune flicken, Herden umstellen und Kühe melken tagtäglich durchschnittlich 25 Kilometer und 2000 Höhenmeter zurück. «Wenn deine Lunge brennt und der Regen dir in das Gesicht peitscht. Du aber weisst, dass diese Kuh der Lebensunterhalt einer Bauernfamilie ist. Dann mobilisierst du abartige Kräfte, um sie vom Abgrund wegzutreiben.» Die Worte sprudeln. «Ein Gipfel oder Siege bei sportlichen Wettkämpfen haben kaum Bedeutung für mich.» Viel wichtiger ist ihr der Respekt gegenüber der Natur. Bei diesen Worten lehnt sie sich zurück, schliesst die Augen. Zumindest kurz. Bewusster leben, bewusster ruhen – ohne ständige Störungen von aussen. Schon bald muss sie sich wieder um ihre vierbeinigen Mitarbeiter kümmern. Die grasen noch gemütlich ganz weit oben – bis zur zweiten Melkschicht.
Sechs Stunden nach Arbeitsbeginn gibt es Frühstück. Bei frischen Crêpes bespricht Katharina die Aufgaben mit ihren zwei Mit-Älplern. Und erneuert nebenbei einen Verband an der Hand. «Da hatte ich eine kleine Meinungsverschiedenheit mit einem Kalb.» Schmerzhaft verzieht sie das Gesicht. Eigentlich hätte sie zum Arzt gehen müssen. Eigentlich. «Ich kann hier nicht einfach schnell weg.» Körperliche Anstrengung, 16-Stunden-Tage, herausforderndes Wetter. Die Kilos purzeln, die Motivation bleibt. Wie? Ihre Augen schweifen erklärend über die Landschaft. Saftige Wiesen, verschneite Gipfel. Sie möchte nicht esoterisch klingen. Aber die Alp hilft ihr, sich selbst zu finden und sich besser kennenzulernen. «Wo liegen meine Grenzen, was kann ich leisten, wie motiviere ich mich und mein Team.» Und am Wichtigsten: «Auf was kann ich verzichten.» Auf das ständige Online-sein zum Beispiel, blödsinnige Fernsehsendungen oder unnötigen Konsum. Im reduzierten Alp-Alltag hat sie gemerkt, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein. Und wie geerdet sie aus einer Saison zurück nach Hause geht.
Sie versteht, dass viele Menschen diese Auszeit in den Bergen suchen. «Wenn wir uns an der frischen Luft bewegen, dann geht es uns immer besser.» Schlagwörter wie Adrenalin und Vitamin D fallen. Daran mangelt es ihrem braungebrannten Körper sicher nicht. Berglauf, Rennrad und Skitouren – mindestens zwei bis drei Mal die Woche versucht sie, ihren Körper auch zu Hause an seine sportlichen Grenzen zu bringen. Ohne das wäre der Saisonauftakt schwer zu meistern. Immerhin legt sie zum Zäune flicken, Herden umstellen und Kühe melken tagtäglich durchschnittlich 25 Kilometer und 2000 Höhenmeter zurück. «Wenn deine Lunge brennt und der Regen dir in das Gesicht peitscht. Du aber weisst, dass diese Kuh der Lebensunterhalt einer Bauernfamilie ist. Dann mobilisierst du abartige Kräfte, um sie vom Abgrund wegzutreiben.» Die Worte sprudeln. «Ein Gipfel oder Siege bei sportlichen Wettkämpfen haben kaum Bedeutung für mich.» Viel wichtiger ist ihr der Respekt gegenüber der Natur. Bei diesen Worten lehnt sie sich zurück, schliesst die Augen. Zumindest kurz. Bewusster leben, bewusster ruhen – ohne ständige Störungen von aussen. Schon bald muss sie sich wieder um ihre vierbeinigen Mitarbeiter kümmern. Die grasen noch gemütlich ganz weit oben – bis zur zweiten Melkschicht.
Gesundes Kraut
Den morgendlichen Push? Den bekommt Katharina nicht durch Kaffee, sondern durch frisch gebrühten Tee aus dem Hause Natur. Nach dem Melken spaziert sie über die Wiesen und sammelt frische Kräuter. Das Wissen, welche Wirkung die unterschiedlichen Blüten haben, holt sie sich aus einem Berg-Kräuterbuch. «Wenn die Natur uns das alles schon zur Verfügung stellt, dann sollte man auch etwas daraus machen!» So entsteht ein farbenfroher Strauss aus weisser Schafgarbe, roten Wiesenkleeblüten, gelbem Frauenmantel und saftig grünem Thymian. Jedes Kraut beeinflusst den Zustand des Körpers: So sagt man der Schafgarbe eine verdauungsfördernde und schmerzlindernde Wirkung nach. Der Rote Klee aktiviert Heilungsprozesse im Körper. Und der Frauenmantel legt einen schützenden Mantel um die Frau. Ob es wirklich etwas hilft, das kann die Kräutersammlerin nicht mit Sicherheit sagen: «Alles Kopfsache.» Wissenschaftliche Erkenntnisse hin oder her. Der Liter Kräutertee gehört für sie zum Start in den Tag. Thymian stärkt übrigens Geist und Körper und verleiht reichlich Mut. Vielleicht liegt genau in diesem wilden Kraut das Geheimnis der gutgelaunten Älplerin.