Eva Riedwyl – Der Preis der Wildnis
Mit Anfang zwanzig wandert Eva Riedwyl in den Norden Kanadas aus. Fernab der Zivilisation lebt die Schweizerin in selbstgebauten Blockhütten im Yukon Territory an der Grenze zu Alaska. Sie verwirklicht ihren Traum eines selbstbestimmten Lebens – und bleibt ihm trotz aller Konsequenzen treu.
Futterzeit. Eva Riedwyl nähert sich mit zwei Eimern dampfender Suppe einem grossen Gehege. Kläffende Huskys springen ans Gitter. Vorsichtig öffnet Eva den Zwinger, doch Sun, ihr ältester, freilaufender Husky, drängt sich zwischen ihren Beinen hindurch und läuft zu den jungen Hunden ins Gehege. Binnen Sekunden stürzt sich das Rudel auf ihn. Die Hundesuppe fällt zu Boden, spritzt Eva ins Gesicht, auf die Kleidung. Eine Hündin rammt ihre Zähne in Suns Nacken. Eva greift den Kiefer, presst ihn auseinander und drückt die anderen Huskys weg. Der alte Leithund liegt wimmernd und blutend am Boden.
Eva steht nackt auf zwei Holzplatten vor dem Haus. Mit frischem Quellwasser versucht sie sich die Hundesuppe von Körper und Haaren zu waschen. In ihrer Kleidung glänzt das Fett der Suppe. «Das jüngere Rudel wollte unseren Ältesten totbeissen. Wie die Wölfe wollen die Huskys die Schwachen aus ihrem Rudel eliminieren», sagt Eva ruhig. «Das liegt in ihren Genen. Es ist der Lauf der Natur.» Einige Tage später ist der Vorfall vergessen. Eva tritt aus der Türe ihres Blockhauses und läuft zum Schuppen. Wie jeden Tag trägt sie Gummistiefel, eine alte Jeans und eine dicke Fleece-Jacke. Obwohl die Sonne scheint und der Schnee langsam schmilzt, ist der kanadische Frühling kalt, die schmalen Wege zu ihren Blockhütten sumpfig.
Vor fast 25 Jahren ist die heute 48-jährige Schweizerin mit ihrem damaligen Ehemann Beat Glanzmann ins Yukon Territory im Norden Kanadas ausgewandert – damals ist sie 23. Nur mit zwei Rucksäcken, aber mit grossen Visionen, kommt das junge Paar in das bergige, wilde, und dünn besiedelte Land, in dem mehr Bären, Elche und Karibus als Menschen leben. Mit einer Fläche von 500’000 Quadratkilometern ist das Yukon Territory elfmal grösser als die Schweiz, hat aber nur knapp 38’000 Einwohner – zwei Drittel davon in der Hauptstadt Whitehorse. Die Sommer am nordwestlichen Ende Kanadas sind kurz, die Winter lang und mit Temperaturen bis zu minus 48 Grad eisig.
Eva steht nackt auf zwei Holzplatten vor dem Haus. Mit frischem Quellwasser versucht sie sich die Hundesuppe von Körper und Haaren zu waschen. In ihrer Kleidung glänzt das Fett der Suppe. «Das jüngere Rudel wollte unseren Ältesten totbeissen. Wie die Wölfe wollen die Huskys die Schwachen aus ihrem Rudel eliminieren», sagt Eva ruhig. «Das liegt in ihren Genen. Es ist der Lauf der Natur.» Einige Tage später ist der Vorfall vergessen. Eva tritt aus der Türe ihres Blockhauses und läuft zum Schuppen. Wie jeden Tag trägt sie Gummistiefel, eine alte Jeans und eine dicke Fleece-Jacke. Obwohl die Sonne scheint und der Schnee langsam schmilzt, ist der kanadische Frühling kalt, die schmalen Wege zu ihren Blockhütten sumpfig.
Vor fast 25 Jahren ist die heute 48-jährige Schweizerin mit ihrem damaligen Ehemann Beat Glanzmann ins Yukon Territory im Norden Kanadas ausgewandert – damals ist sie 23. Nur mit zwei Rucksäcken, aber mit grossen Visionen, kommt das junge Paar in das bergige, wilde, und dünn besiedelte Land, in dem mehr Bären, Elche und Karibus als Menschen leben. Mit einer Fläche von 500’000 Quadratkilometern ist das Yukon Territory elfmal grösser als die Schweiz, hat aber nur knapp 38’000 Einwohner – zwei Drittel davon in der Hauptstadt Whitehorse. Die Sommer am nordwestlichen Ende Kanadas sind kurz, die Winter lang und mit Temperaturen bis zu minus 48 Grad eisig.
Der Drang nach Freiheit und purer Wildnis ist gross
Weder die Kälte noch die Einsamkeit schrecken die jungen Schweizer ab. «Wir lebten mit Schlafsack und Isomatte auf dem Boden, hatten minus 20 Grad in unserer Hütte und bauten nach und nach unser eigenes Haus auf», erzählt Beat. «Hier draussen musst du dir selbst helfen, sonst hast du keine Chance.» Verbunden durch den Drang, ein Leben inmitten der Natur, abseits von gesellschaftlichen Verpflichtungen zu führen, bauen sich Eva und Beat 1995 am Rande des Kluane National Parks eine Existenz auf – 200 Kilometer von der nächst grösseren Stadt Whitehorse entfernt. «Ich musste einfach raus aus diesem normalen Leben», sagt Eva heute. Wenig materieller Besitz, viel Freiheit – schon früh möchte Eva ohne Regeln in der Natur leben. Aufgewachsen in Oberhofen am Thunersee, verbringt sie ihre Kindheit meist im Wald oder bei Bekannten auf einem Bauernhof. Sie füttert Kühe, hilft bei der Ernte auf dem Feld. Mit Anfang zwanzig findet die junge Schweizerin selbst ein uraltes Bauernhaus im Emmental, das sie für wenig Geld mietet: Ein kleiner Garten, eine Rauchküche und eine Stube, die als einziger Raum beheizt werden kann. «Im Winter hatte es minus zehn Grad in der Küche, aber es war mein Traum.» Mit gelegentlichen Jobs hält sich die Schweizerin über Wasser, eine feste Stelle kommt nie in Frage. «Ich wollte für das Leben direkt arbeiten und mich möglichst selbst versorgen. Und nicht Geld verdienen, um mir Materielles zu kaufen.» Ohne Luxus lebt Eva zurückgezogen in ihrer eigenen, kleinen Welt. Sommer wie Winter wäscht sie sich draussen am Brunnen, sammelt Kräuter, backt Brot und pflanzt Gemüse an.
Als Eva und Beat ein Paar werden, ist sie 22. Beat, vier Jahre älter, ist Fotograf mit grossen Träumen. Mit 16 durchsteigt er die Matterhorn-Nordwand, mit Anfang zwanzig lässt er sich mehrere Wochen in Alaska aussetzen, um Bären und Adler zu fotografieren. Über Wochen ernährt er sich nur von ein paar Kilo Reis und dem, was er in der Wildnis findet. Noch bevor die beiden zusammenziehen, fassen sie eine Entscheidung: Sie wollen auswandern, weit weg in die Wildnis. Eva ist jung, unbekümmert und ihr Wunsch nach Freiheit gross – zu gross für die Schweiz. «Ich wäre überall mitgegangen. Nach Russland, sogar nach Südafrika.» Als die beiden sich ein Grundstück in Alaska suchen, werden sie von einem Bekannten spontan ins Yukon eingeladen. Dann geht es schnell: Eva verkauft ihre wenigen Möbel und zieht mit Beat zurück zu ihrer Mutter nach Thun, um Geld zu sparen. «Beide waren immer schon wild. Sie sind mit Hund und Schlafsack auf das Jungfraujoch oder ins Diemtigtal gefahren, haben im Freien geschlafen oder Adler beobachtet», erinnert sich Evas Mutter Lilly Riedwyl. «Eva hatte schon immer einen starken Willen.»
Gleich hinter dem Husky-Gehege führt ein schmaler, ausgetretener Pfad zur «Kluane Cabin». Die kleine Holzhütte aus dicken Tannenstämmen steht am Waldrand. Einige Meter, in geruchsneutraler Entfernung, ein Klohäuschen. Die «Kluane» ist die erste von sechs Blockhütten, die Eva und Beat errichten, kurz nachdem sie ins Yukon kommen. Zuvor hausten sie in einer provisorischen, schlecht gedämmten Hütte, in der heute Kettensägen, Seile und Hundefutter Platz finden.
Als Eva und Beat ein Paar werden, ist sie 22. Beat, vier Jahre älter, ist Fotograf mit grossen Träumen. Mit 16 durchsteigt er die Matterhorn-Nordwand, mit Anfang zwanzig lässt er sich mehrere Wochen in Alaska aussetzen, um Bären und Adler zu fotografieren. Über Wochen ernährt er sich nur von ein paar Kilo Reis und dem, was er in der Wildnis findet. Noch bevor die beiden zusammenziehen, fassen sie eine Entscheidung: Sie wollen auswandern, weit weg in die Wildnis. Eva ist jung, unbekümmert und ihr Wunsch nach Freiheit gross – zu gross für die Schweiz. «Ich wäre überall mitgegangen. Nach Russland, sogar nach Südafrika.» Als die beiden sich ein Grundstück in Alaska suchen, werden sie von einem Bekannten spontan ins Yukon eingeladen. Dann geht es schnell: Eva verkauft ihre wenigen Möbel und zieht mit Beat zurück zu ihrer Mutter nach Thun, um Geld zu sparen. «Beide waren immer schon wild. Sie sind mit Hund und Schlafsack auf das Jungfraujoch oder ins Diemtigtal gefahren, haben im Freien geschlafen oder Adler beobachtet», erinnert sich Evas Mutter Lilly Riedwyl. «Eva hatte schon immer einen starken Willen.»
Gleich hinter dem Husky-Gehege führt ein schmaler, ausgetretener Pfad zur «Kluane Cabin». Die kleine Holzhütte aus dicken Tannenstämmen steht am Waldrand. Einige Meter, in geruchsneutraler Entfernung, ein Klohäuschen. Die «Kluane» ist die erste von sechs Blockhütten, die Eva und Beat errichten, kurz nachdem sie ins Yukon kommen. Zuvor hausten sie in einer provisorischen, schlecht gedämmten Hütte, in der heute Kettensägen, Seile und Hundefutter Platz finden.
Eva Riedwyl
Die 48-jährige Schweizerin ist in Oberhofen am Thunersee aufgewachsen. Schon während ihrer Ausbildung als Werklehrerin ist ihr bewusst, dass sie ein Leben in der Natur führen möchte, fernab von gesellschaftlichen Zwängen. Mit Anfang zwanzig wandert Eva mit ihrem damaligen Ehemann Beat Glanzmann ins Yukon Territory im Norden Kanadas aus. Am Rande des Kluane National Parks, an der Grenze zu Alaska, lebt Eva seitdem in ihrer selbstgebauten Blockhütte inmitten der Natur. Als lizenzierte Wildnis-Führerin ist Eva Sommer wie Winter draussen unterwegs. Ob auf Kanutouren mit Gruppen oder alleine mit ihren Schlittenhunden unter freiem Himmel – die Schweizerin geniesst jeden Moment in der einsamen Wildnis Kanadas.
glanzmanntours.com
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Einen Tag vor Baubeginn fahren Eva und Beat ins nächste Dorf und leihen sich ein Buch über das Bauen von Blockhäusern aus. «Keiner von uns hatte Ahnung, wie ein Blockhaus gebaut wird», erzählt Eva. Noch am selben Tag kommt ein in der Wildnis lebender Mann bei ihnen vorbei und bringt ihnen eine alte Werkzeugkiste. Das sei alles gewesen, was er für sein Haus gebraucht habe, erinnert sie sich. Während Beat kanadische Tannen auf ihrem Grundstück mit der Motorsäge fällt, schält und fräst Eva sie zurecht, macht die Feinarbeit. «Wir haben einander perfekt ergänzt. Wir waren ein super Team», sagt Eva. Im Mai 1995 ist ihre erste Hütte fertig. Um Geld zu verdienen und sich den Traum des einfachen Lebens leisten zu können, bieten Eva und Beat geführte Touren in der Wildnis Yukons an – mit Erfolg. «Noch bevor wir einwanderten und unser Visum hatten, war der Sommer ausgebucht», sagt Eva. Als Fotograf hatte Beat in der Schweiz mit Multivisions-Shows Geld verdient und so auf ihre Touren aufmerksam gemacht.
Mit Anfang zwanzig führt Eva ihre ersten Gruppen durch die einsamen Wälder und Flüsse Kanadas. Ohne Telefon, ohne Backup, nur mit Zelt und Bärenspray. Doch die Bären, Wölfe und anderen Tiere bereiten ihr keine Sorgen, vielmehr die Menschen. «Ich war extrem scheu und schüchtern. Es gab natürlich ältere Männer, die sich gefragt haben, warum sie der Kleinen trauen sollen.» Doch die Gäste merken schnell, dass Eva in der Wildnis zu Hause ist und weiss, was sie tut. Brenzlig wurde es noch nie, weder beim Guiden noch allein in der Wildnis oder am Berg. Auch als sie und Beat 2007 eine Expedition zum Mount Logan (5959), dem höchsten Berg Kanadas, unternehmen, kommen sie unversehrt zurück: Über vier Wochen überleben sie Stürme, Lawinenabgänge und zweistellige Minustemperaturen, ohne schwere Erfrierungen und Blessuren. Und selbst mit den vielen Braunbären und Grizzlies, die ihr oft begegnen, hat es noch nie einen Zwischenfall gegeben: «Ich habe ein Gefühl für die Bären entwickelt und bin überhaupt nicht ängstlich», sagt Eva gelassen. «Wichtig ist, dass du keine Angst zeigst und nicht wegläufst. Manche Begegnungen geniesse ich richtig.»
Die Schweizerin entscheidet sich bewusst für dieses unabhängige Leben. Kinder und eine eigene Familie spielen nie eine Rolle. «Es ist zu egoistisch, wie wir leben. Mit Kindern sollte man ein soziales Leben führen.» Der Wunsch nach einem selbstbestimmten Dasein ist gross. Eva kümmere sich lieber um ihre Huskys und freue sich, wenn zwischendurch die Gäste kommen. Besonders dann, wenn sie mit ihnen in der einsamen Natur Kanadas Zeit verbringen kann.
Mit Anfang zwanzig führt Eva ihre ersten Gruppen durch die einsamen Wälder und Flüsse Kanadas. Ohne Telefon, ohne Backup, nur mit Zelt und Bärenspray. Doch die Bären, Wölfe und anderen Tiere bereiten ihr keine Sorgen, vielmehr die Menschen. «Ich war extrem scheu und schüchtern. Es gab natürlich ältere Männer, die sich gefragt haben, warum sie der Kleinen trauen sollen.» Doch die Gäste merken schnell, dass Eva in der Wildnis zu Hause ist und weiss, was sie tut. Brenzlig wurde es noch nie, weder beim Guiden noch allein in der Wildnis oder am Berg. Auch als sie und Beat 2007 eine Expedition zum Mount Logan (5959), dem höchsten Berg Kanadas, unternehmen, kommen sie unversehrt zurück: Über vier Wochen überleben sie Stürme, Lawinenabgänge und zweistellige Minustemperaturen, ohne schwere Erfrierungen und Blessuren. Und selbst mit den vielen Braunbären und Grizzlies, die ihr oft begegnen, hat es noch nie einen Zwischenfall gegeben: «Ich habe ein Gefühl für die Bären entwickelt und bin überhaupt nicht ängstlich», sagt Eva gelassen. «Wichtig ist, dass du keine Angst zeigst und nicht wegläufst. Manche Begegnungen geniesse ich richtig.»
Die Schweizerin entscheidet sich bewusst für dieses unabhängige Leben. Kinder und eine eigene Familie spielen nie eine Rolle. «Es ist zu egoistisch, wie wir leben. Mit Kindern sollte man ein soziales Leben führen.» Der Wunsch nach einem selbstbestimmten Dasein ist gross. Eva kümmere sich lieber um ihre Huskys und freue sich, wenn zwischendurch die Gäste kommen. Besonders dann, wenn sie mit ihnen in der einsamen Natur Kanadas Zeit verbringen kann.
«Hier draussen ist es so still: Du kannst vor dir selbst und deinen Problemen nicht weglaufen, kannst dich nicht ablenken mit Arbeit oder Freunden.»
Die Einsamkeit ist hart und schwer zu ertragen
Doch die Existenz geprägt von Verzicht, Einsamkeit und Kompromissen in absoluter Zweisamkeit hinterlässt bei Eva und Beat Spuren. «Es war viele Jahre Schwerstarbeit. Bäume fällen, schälen und abschleifen. Daneben Geld verdienen und dann war da noch unsere Beziehung», erzählt Beat. Die harte, gemeinsame Arbeit lässt irgendwann keinen Raum mehr für die Beziehung. 2009 geht es nicht mehr, Eva und Beat trennen sich. Für beide bricht eine Welt zusammen. «Wir waren immer mehr als nur Ehepartner. Wir waren Freunde, waren Arbeitnehmer und Arbeitgeber – und durch die Abgeschiedenheit unwiderruflich aufeinander angewiesen.»
Auf dem acht Hektar grossen Grundstück wohnt Eva heute in einem kleinen Blockhaus, ein paar hundert Meter von Beats Haus entfernt – nicht weit vom Husky-Gehege. Die dicken Holzstämme, die im ersten Stock verbaut sind, hat Eva selbst gefällt, geschliffen, zugeschnitten und mit Hilfe von Bekannten zu ihrem eigenen Haus nach der Trennung gebaut. Der kleine Eingangsbereich ist kalt. Im zweiten Stock liegen Wolldecken auf einem Feldbett, ein paar Bilder von ihrer Familie zieren die Wände. Eva besitzt nur das Nötigste: Ein paar spartanische Möbel und eine Handvoll elektronischer Geräte, die wenig Strom verbrauchen. In der Mitte des Zimmers steht ein kleiner Ofen, der gerade genug Wärme gibt, um die Stube zu heizen. Gekocht wird mit Gas, fliessend Wasser oder ein Badezimmer gibt es nicht. 20 Liter Wasser benötigt Eva am Tag. «Eine kleine Dusche inklusive.» Und die ist, genauso wie die Komposttoilette, draussen.
«Keiner von uns wollte neben der Beziehung auch noch das komplette Leben hier im Yukon verlieren.» Der Weg zurück in die Schweiz stand für sie nicht zur Wahl – obwohl das Leben allein, in aller Einfachheit, hart war. «Hier draussen ist es so still: Du kannst vor dir selbst und deinen Problemen nicht weglaufen. Kannst dich nicht ablenken mit Arbeit oder Freunden», erzählt Eva. Diese Einsamkeit hätte sie fast erstickt. «Wenn du einen Unfall hast oder von einem Ausflug nicht mehr zurück kommst – wer hätte dich denn gesucht?» Diese besondere Art von Einsamkeit würden die meisten Menschen nicht kennen. «Deswegen war es für mich auch okay, meinen Ex-Mann als Nachbarn zu haben.» Dann lacht Eva zurückhaltend. Im Nachhinein war es für sie eine Herausforderung, an der sie wachsen konnte. Mit dem Bau des eigenen Hauses hat Eva einen eigenen Weg gefunden – und Unabhängigkeit gewonnen.
Auf dem acht Hektar grossen Grundstück wohnt Eva heute in einem kleinen Blockhaus, ein paar hundert Meter von Beats Haus entfernt – nicht weit vom Husky-Gehege. Die dicken Holzstämme, die im ersten Stock verbaut sind, hat Eva selbst gefällt, geschliffen, zugeschnitten und mit Hilfe von Bekannten zu ihrem eigenen Haus nach der Trennung gebaut. Der kleine Eingangsbereich ist kalt. Im zweiten Stock liegen Wolldecken auf einem Feldbett, ein paar Bilder von ihrer Familie zieren die Wände. Eva besitzt nur das Nötigste: Ein paar spartanische Möbel und eine Handvoll elektronischer Geräte, die wenig Strom verbrauchen. In der Mitte des Zimmers steht ein kleiner Ofen, der gerade genug Wärme gibt, um die Stube zu heizen. Gekocht wird mit Gas, fliessend Wasser oder ein Badezimmer gibt es nicht. 20 Liter Wasser benötigt Eva am Tag. «Eine kleine Dusche inklusive.» Und die ist, genauso wie die Komposttoilette, draussen.
«Keiner von uns wollte neben der Beziehung auch noch das komplette Leben hier im Yukon verlieren.» Der Weg zurück in die Schweiz stand für sie nicht zur Wahl – obwohl das Leben allein, in aller Einfachheit, hart war. «Hier draussen ist es so still: Du kannst vor dir selbst und deinen Problemen nicht weglaufen. Kannst dich nicht ablenken mit Arbeit oder Freunden», erzählt Eva. Diese Einsamkeit hätte sie fast erstickt. «Wenn du einen Unfall hast oder von einem Ausflug nicht mehr zurück kommst – wer hätte dich denn gesucht?» Diese besondere Art von Einsamkeit würden die meisten Menschen nicht kennen. «Deswegen war es für mich auch okay, meinen Ex-Mann als Nachbarn zu haben.» Dann lacht Eva zurückhaltend. Im Nachhinein war es für sie eine Herausforderung, an der sie wachsen konnte. Mit dem Bau des eigenen Hauses hat Eva einen eigenen Weg gefunden – und Unabhängigkeit gewonnen.
«Ich musste einfach raus aus diesem normalen Leben. Ich wollte für das Leben direkt arbeiten und mich möglichst selbst versorgen. Und nicht Geld verdienen, um mir Materielles zu kaufen.»
Ein Leben geprägt von Verzicht und Kompromissen
Beat zeigt auf ein Gemüsebeet vor seinem Haus: «Hier ist ein Bär reingetrampelt und hat Salat geholt, deswegen habe ich den Zaun höher gemacht.» Er lacht und öffnet seine Haustür. «Das Haus ist effizient gebaut, damit ich nicht nur damit beschäftigt bin, mich warm zu halten, und mich auch um meinen Job als Fotograf kümmern kann.» Beat schaltet sein Macbook an und startet ein Video: Braunbären mit totem Lachs im Mund, kämpfende Weisskopfseeadler, eingeschneite Elche und unendliche Weite – wie in einem Hochglanzreisemagazin erscheinen Bilder, die die Sehnsucht nach einem unbeschwerten Leben in der Wildnis schüren.
Und genau deswegen liebt Eva, trotz aller Härte, ihre Wahlheimat. Im Sommer ist sie auf den Flüssen unterwegs, verbringt unzählige Nächte unter freiem Himmel. Am liebsten aber sei die Schweizerin im Winter draussen: «Der Winter ist die beste Zeit. Die Bären schlafen, die Seen und Sümpfe sind hart gefroren und du hinterlässt Spuren im Schnee.» So könne man sie zumindest finden, wenn etwas passiere. Vor ein paar Wochen war Eva mit vier Hunden, Schlitten und Zelt unterwegs – ganz für sich allein. Ohne Netz, ohne Handy. Prävention sei dabei das Wichtigste. «Es ist nicht wie in der Schweiz. Es kommt kein Helikopter oder eine andere Rettung in wenigen Minuten.» Im Yukon könne Rettung Stunden oder Tage dauern. «Das Alleinsein ist nochmal eine ganz neue Stufe. Die meisten Leute kennen das nicht mehr. Abends sitzen sie wieder alle mit WLAN im Hotel.»
Im Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt, die Bären hungrig aus dem Winterschlaf erwachen, geht Eva wilde Kräuter sammeln. «Das wächst viel früher als Salat oder Spinat.» Sobald es etwas wärmer wird, wird sie in ihrem Garten wieder rote Beete, Karotten oder Kohl anpflanzen. In ihrer Stube hat sie bereits ein paar Salatsprossen vorgezogen. Mit dem Gemüse kommt sie bis in den frühen Winter. Auch Fisch und Fleisch verarbeitet Eva selbst: Sie räuchert Lachs über dem Feuer, macht Elchfleisch für den Winter ein oder geht im Frühjahr auf Bison-Jagd. «Das Fleisch schmeckt extrem gut. Wie eine Bio-Kuh.» Früher hatte sie sich nie vorstellen können, Tiere zu schiessen. Doch das Leben im Yukon änderte Evas Meinung: «Hier draussen bist du ein Teil der Natur. Deswegen darfst du dich als Mensch auch daraus bedienen. Die Menschen hier gehören in das ganze Projekt.»
Bis heute hat sich Evas Wunsch nach diesem naturverbundenen Leben nicht verändert. Obwohl das Bedürfnis nach Freiheit seinen Preis hat, ist sie ihm immer gefolgt – mit all seinen Konsequenzen.
Und genau deswegen liebt Eva, trotz aller Härte, ihre Wahlheimat. Im Sommer ist sie auf den Flüssen unterwegs, verbringt unzählige Nächte unter freiem Himmel. Am liebsten aber sei die Schweizerin im Winter draussen: «Der Winter ist die beste Zeit. Die Bären schlafen, die Seen und Sümpfe sind hart gefroren und du hinterlässt Spuren im Schnee.» So könne man sie zumindest finden, wenn etwas passiere. Vor ein paar Wochen war Eva mit vier Hunden, Schlitten und Zelt unterwegs – ganz für sich allein. Ohne Netz, ohne Handy. Prävention sei dabei das Wichtigste. «Es ist nicht wie in der Schweiz. Es kommt kein Helikopter oder eine andere Rettung in wenigen Minuten.» Im Yukon könne Rettung Stunden oder Tage dauern. «Das Alleinsein ist nochmal eine ganz neue Stufe. Die meisten Leute kennen das nicht mehr. Abends sitzen sie wieder alle mit WLAN im Hotel.»
Im Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt, die Bären hungrig aus dem Winterschlaf erwachen, geht Eva wilde Kräuter sammeln. «Das wächst viel früher als Salat oder Spinat.» Sobald es etwas wärmer wird, wird sie in ihrem Garten wieder rote Beete, Karotten oder Kohl anpflanzen. In ihrer Stube hat sie bereits ein paar Salatsprossen vorgezogen. Mit dem Gemüse kommt sie bis in den frühen Winter. Auch Fisch und Fleisch verarbeitet Eva selbst: Sie räuchert Lachs über dem Feuer, macht Elchfleisch für den Winter ein oder geht im Frühjahr auf Bison-Jagd. «Das Fleisch schmeckt extrem gut. Wie eine Bio-Kuh.» Früher hatte sie sich nie vorstellen können, Tiere zu schiessen. Doch das Leben im Yukon änderte Evas Meinung: «Hier draussen bist du ein Teil der Natur. Deswegen darfst du dich als Mensch auch daraus bedienen. Die Menschen hier gehören in das ganze Projekt.»
Bis heute hat sich Evas Wunsch nach diesem naturverbundenen Leben nicht verändert. Obwohl das Bedürfnis nach Freiheit seinen Preis hat, ist sie ihm immer gefolgt – mit all seinen Konsequenzen.