Einmal um Amerika – die Abenteuer der Extrempaddlerin Freya Hoffmeister
Diese Frau paddelt in ihrem eigenen Universum. Erst umrundete sie per Muskelkraft Inseln im Rekordtempo, dann ganze Kontinente. Zehntausende Kilometer. Allein. In einem 58 Zentimeter breiten Seekajak. Ihr nächstes Projekt: Nordamerika. Was treibt diese Paddelmaschine an?
«Hirn aus und paddeln!»
Die Paddelkarriere der einstigen Miss-Deutschland-Kandidatin begann rasant. Im April 2003 besuchte die ehemalige Landratte, Turnerin, professionelle Bodybuilderin und Fallschirmspringerin erstmals einen Grossgewässergrundkurs an der deutschen Ostseeförde Schlei, im Mai die Brandungsübungen in St. Peter-Ording, und schon zwei Wochen später nahm sie an einer Umrundung der dänischen Insel Samsø teil. Anschliessend umkurvte sie die Nordseeinseln Amrum, Sylt und Borkum. Dann hagelte es Rekorde: Ihr gelang die Umrundung der Isle of Man als schnellster Paddler überhaupt. Weitere Inseln folgten: Island (1620 km in 25 Paddeltagen) und die Südinsel von Neuseeland (2386 km in 48 Paddeltagen). Dort lernte sie Paul Caffyn kennen, der als Erster und Einziger Australien umrundet hatte. Also nahm sie sich Australien vor und umrundete ihren ersten Kontinent in Rekordzeit (13'790 km in 245 Paddeltagen). Darauf folgte ihr bisher grösstes Projekt: die Umrundung Südamerikas. Ursprünglich hatte sie für die circa 27'000 Kilometer lange Strecke zwei Jahre angesetzt. Da Freya jedoch zwei Eisdielen und ein Geschäft für Weihnachtsartikel in ihrer Heimatstadt Husum betreibt, plante sie drei Etappen, die sie in drei Jahren schaffen wollte. Dass die Umrundung dann vier Etappen erforderte, die sich über vier Jahre erstreckten, war den widrigen Verhältnissen zwischen Panama und Brasilien geschuldet. Fast 8000 Kilometer lang musste sie nicht nur gegen den Strom, sondern auch gegen fünf bis sechs Windstärken ankämpfen, was ihr Tempo oft von durchschnittlich circa fünf auf zwei Kilometer pro Stunde drückte. Summa summarum benötigte Freya für «Rund um Südamerika» 605 Paddeltage, was einem Tagesdurchschnitt von 45 Kilometern entspricht. Tatsächlich war sie 850 Tage unterwegs. Denn nicht jeden Tag konnte sie aufs Wasser, sei es, dass sie sich Verpflegung besorgen oder ihre Wunden versorgen musste, dass sie unterwegs mit der Bürokratie von 13 Ländern kämpfen oder Ruhetage einlegen musste. Ende März hat sich Freya Hoffmeister wieder in ihr Boot gesetzt. Diesmal auf ihrer To-do-Liste der Dinge, die noch nie zuvor ein Mensch versucht, geschweige denn geschafft hat: Nordamerika. Acht bis zehn Jahre will sie sich für die Umrundung Zeit nehmen. Der Outdoor Guide hat sie ein paar Wochen vor dem Start getroffen.
Anfang des Jahres hast du dein neues Projekt enthüllt: einmal rund um Nordamerika, von dir scherzhaft «Nordinsel» genannt. Wie viele Kilometer sind das?
Plusminus 50'000. Aber ich mache das nicht am Stück sondern nutze die Jahreszeiten, die Winde, die Strömungen und die eisfreien Zeiten entsprechend. Zunächst paddle ich ab Ende März von Seattle nordwärts bis Alaska. Nach einer Pause im Herbst geht es dann von Seattle mit einem zweiten Boot südwärts Richtung Panamakanal. Ankunft ist dann jedes Mal die Freiheitsstatue in New York, einmal aus dem Norden kommend, einmal aus dem Süden. Idealerweise bin ich mit 60 damit fertig, eventuell dauert es aber auch ein, zwei Jährchen länger.
Was ist die Krux der Reise?
Das ist sicher die Nordwest-Passage. Besonders die Eisbären dort machen mich etwas nervös. Eigentlich bin ich ja gerne allein unterwegs, getreu der Devise: «zwei Paddler, doppelt so viele Probleme». Doch dort oben paddelt man idealerweise als Team, sodass immer einer mit der Flinte in der Hand Nachtwache schieben kann. Dagegen ist die südliche Etappe ein absoluter Spaziergang.
Bei deinen Umrundungen paddelst du durchschnittlich eine Marathondistanz am Tag. Wie hält dein Körper diese Strapazen aus?
(schmunzelt) Man ist solide gebaut. Und ich versuche, durch eine optimale Technik die Strapazen zu mildern. Mit meinem Wingpaddel arbeite ich aus dem gesamten Oberkörper heraus, sodass schwächere Körperteile wie Handgelenke und Unterarme nicht zu viel Arbeit übernehmen müssen.
Und was sagt der Kopf dazu?
Der Kopf verlernt zu denken. Gerade die Bedingungen auf den letzten tausend Kilometern entlang der brasilianischen Küste – der starke Gegenwind, das strikte Diktat von Ebbe und Flut und die schwierige Lagerwahl – versetzten mich ständig in meinen «Survival-Modus». Immer auf der Hut, immer auf der Flucht, immer die volle Konzentration auf die nächste Handlung.
Und dein Freund?
Der weiss zumindest, um was es geht, denn er ist ja bereits in Chile und Peru mit mir gemeinsam gepaddelt. Aber eigentlich bin ich lieber allein unterwegs, denn in den vielen brenzligen Situationen war ich froh, dass ich mich nur um mich kümmern musste und meine schnellen Entscheidungen nicht noch mit ihm abzustimmen brauchte. Ansonsten schätze ich es sehr, dass ich ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit per Satellitentelefon anrufen kann und mir technischen Rat oder auch nur ein paar aufmunternde Worte abholen kann.
Das Paddeln ist das eine, da bist du für dich und kannst dein Ding machen. Doch an Land bist du sicher eine Attraktion …
Ganz genau. Es ist nach dem Paddeln oft schwer, die nötige Ruhe zu finden. Jeder will was, und auch im letzten Indianerdorf hat heute jeder ein Handy mit Kamera, sodass ich stetig am Posieren bin. Ohne die richtige Balance aus Zivilisation und ruhigen Camps fernab aller Menschen geht es aber nicht, denn ohne Regeneration kann ich mein Tagespensum nicht schaffen.
Haben die Südamerikaner überhaupt verstanden, was du da machst?
Nicht wirklich. Als Grund meiner Reise nannte ich stets, dass ich ein Buch schreiben möchte. Auch von meinem Ziel und der Distanz dorthin hatten viele keine Vorstellung. Zur Veranschaulichung habe ich daher eine kleine Karte und alle Länderflaggen auf dem Boot kleben. So zeige ich meine Reiseroute. Doch für jemanden, der sein eigenes Dorf noch nie verlassen hat, ist das ganz schön theoretisch.
Plusminus 50'000. Aber ich mache das nicht am Stück sondern nutze die Jahreszeiten, die Winde, die Strömungen und die eisfreien Zeiten entsprechend. Zunächst paddle ich ab Ende März von Seattle nordwärts bis Alaska. Nach einer Pause im Herbst geht es dann von Seattle mit einem zweiten Boot südwärts Richtung Panamakanal. Ankunft ist dann jedes Mal die Freiheitsstatue in New York, einmal aus dem Norden kommend, einmal aus dem Süden. Idealerweise bin ich mit 60 damit fertig, eventuell dauert es aber auch ein, zwei Jährchen länger.
Was ist die Krux der Reise?
Das ist sicher die Nordwest-Passage. Besonders die Eisbären dort machen mich etwas nervös. Eigentlich bin ich ja gerne allein unterwegs, getreu der Devise: «zwei Paddler, doppelt so viele Probleme». Doch dort oben paddelt man idealerweise als Team, sodass immer einer mit der Flinte in der Hand Nachtwache schieben kann. Dagegen ist die südliche Etappe ein absoluter Spaziergang.
Bei deinen Umrundungen paddelst du durchschnittlich eine Marathondistanz am Tag. Wie hält dein Körper diese Strapazen aus?
(schmunzelt) Man ist solide gebaut. Und ich versuche, durch eine optimale Technik die Strapazen zu mildern. Mit meinem Wingpaddel arbeite ich aus dem gesamten Oberkörper heraus, sodass schwächere Körperteile wie Handgelenke und Unterarme nicht zu viel Arbeit übernehmen müssen.
Und was sagt der Kopf dazu?
Der Kopf verlernt zu denken. Gerade die Bedingungen auf den letzten tausend Kilometern entlang der brasilianischen Küste – der starke Gegenwind, das strikte Diktat von Ebbe und Flut und die schwierige Lagerwahl – versetzten mich ständig in meinen «Survival-Modus». Immer auf der Hut, immer auf der Flucht, immer die volle Konzentration auf die nächste Handlung.
Und dein Freund?
Der weiss zumindest, um was es geht, denn er ist ja bereits in Chile und Peru mit mir gemeinsam gepaddelt. Aber eigentlich bin ich lieber allein unterwegs, denn in den vielen brenzligen Situationen war ich froh, dass ich mich nur um mich kümmern musste und meine schnellen Entscheidungen nicht noch mit ihm abzustimmen brauchte. Ansonsten schätze ich es sehr, dass ich ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit per Satellitentelefon anrufen kann und mir technischen Rat oder auch nur ein paar aufmunternde Worte abholen kann.
Das Paddeln ist das eine, da bist du für dich und kannst dein Ding machen. Doch an Land bist du sicher eine Attraktion …
Ganz genau. Es ist nach dem Paddeln oft schwer, die nötige Ruhe zu finden. Jeder will was, und auch im letzten Indianerdorf hat heute jeder ein Handy mit Kamera, sodass ich stetig am Posieren bin. Ohne die richtige Balance aus Zivilisation und ruhigen Camps fernab aller Menschen geht es aber nicht, denn ohne Regeneration kann ich mein Tagespensum nicht schaffen.
Haben die Südamerikaner überhaupt verstanden, was du da machst?
Nicht wirklich. Als Grund meiner Reise nannte ich stets, dass ich ein Buch schreiben möchte. Auch von meinem Ziel und der Distanz dorthin hatten viele keine Vorstellung. Zur Veranschaulichung habe ich daher eine kleine Karte und alle Länderflaggen auf dem Boot kleben. So zeige ich meine Reiseroute. Doch für jemanden, der sein eigenes Dorf noch nie verlassen hat, ist das ganz schön theoretisch.
Entweder oder ... ?
Salz- oder Süsswasser?
Süsswasser riecht nach nix und ist (meist) vor dem Horizont zu Ende.
Ich brauche das Meeresaroma in der Nase und das Gefühl, auch
«über den Horizont hinaus» zu paddeln.
Facebook oder Telegramm?
Beides nur gezwungenermassen fürs Business, ich selbst könnte wunderbar ohne leben. Grundsätzlich poste ich mehr und folge weniger.
Fallschirm oder Bungee?
Da steht es 1500 zu 4. Man muss ja nicht immer den Boden sehen vor dem Rausspringen ... oder das Ende der Paddelstrecke vor dem Start. In
beiden Fällen habe ich eine klare Vision: wieder heil an Land anzukommen.
Zelt oder Hotel?
Letzteres nur, wenn es mir jemand bezahlt – und selbst dann fühle ich mich in einem Zimmer, wo schon tausend andere ihren Kopf auf dem Kissen gewälzt haben, nicht recht wohl. Manchmal nehme ich meinen Schlafsack mit
ins Hotel. Ich hab mein Zelt auch schon in billigen Hotelzimmern aufgestellt, wenn mir die Tierwelt suspekt erschien.
Fisch oder Fleisch?
Weder das eine noch das andere ist für mich lebensnotwendig, aber
solange es ohne Fett, Knochen, Knorpel, Gräten, Augen und Haut serviert
wird, ist es fein.
Dessert oder Vorspeise?
Nix geht ohne süssen Nachtisch bei mir! Als Vorspeise lieber etwas Flüssiges.
Ski oder Schlitten?
Was ist das? Lange nicht im Schnee gewesen …, aber zwei Bretter besitze ich schon. Auf keinen Fall nur eines, allerhöchstens vor dem Kopf.
Nord- oder Ostsee?
Wenn ich von Beruf Nr. 3, dem Paddeln, Urlaub habe, arbeite ich in
den Berufen Nr. 1 (Eisdielen) und Nr. 2 (Weihnachtsladen). Und wenn man schon die grosse, weite Paddelwelt befahren hat, ist es vor der Haustür leider auch nicht mehr ganz so spannend.
Mit oder ohne Schlagsahne!
Immer mit! Bei allem, was da so kommt.
Was hast du alles im Boot?
Die komplette Campingausrüstung, diverse Kommunikationselektronik, Nahrung für drei bis vier Wochen und Wasser für zehn Tage.
Was ist bei Paddelbruch in rauem Seegang oder wenn im Ernstfall mal die Eskimorolle nicht klappt?
Ganz einfach: Bei Paddelbruch kommt das Ersatzpaddel zum Einsatz, und die Rolle sitzt.
Hätte es jemand bemerkt, wenn du mal 100 Kilometer langweilige Küste mit dem Auto abgekürzt hättest?
Möglichkeiten hätte es gegeben, doch gemacht habe ich es nicht. Warum auch? Aus technischen Gründen fehlen mir allerdings ein paar Kilometer, wie etwa ein Drittel vom Panamakanal, für den es partout keine Erlaubnis gab. Auch wurde ich die gesamte kolumbianische Küste aus Sicherheitsgründen von der Marine begleitet und durfte jede Nacht an Bord eines Kreuzers übernachten. Am Morgen bin ich dann aber immer an der GPS-Position des Vortags weitergepaddelt – egal, wo wir geankert hatten.
Wie muss man sich einen typischen Paddeltag bei dir vorstellen?
Der Start wird meist von Ebbe und Flut diktiert. Ausschlafen ist also selten. Nach einem schnellen Frühstück baue ich das Zelt ab, belade das Boot und lege ab. Oft von einem Strand fernab aller Häfen und sonstigen Starthilfen, sodass ich meist mit einer gehörigen Brandung konfrontiert bin. Da hilft nur ein gutes Timing, um den Wellengürtel im richtigen Moment zu durchbrechen. Ist die Brandung zu stark, muss ich auf bessere Bedingungen warten. Ein mit 50 Kilo beladendes Kajak trägt man nämlich nicht mal eben in die nächste Bucht. Dann heisst es paddeln. Ich bin ein Mensch, der immer direkt von A nach B paddelt. Das beantwortet auch gleich die Frage, in welcher Entfernung vom Ufer ich generell paddle: Das ist mir schietewurscht! Ich gebe morgens mein Ziel ins GPS ein, gucke mir vorher ein paar sinnige Landemöglichkeiten auf Google Earth aus und folge dann den Anweisungen. Abends dann das gleiche Spiel. Nur umgekehrt. Auf einen geeigneten Moment warten, um nicht vom höchsten Brecher auf den Strand geklatscht zu werden, anlanden. Lagerbau, essen, Social Media und schlafen.
In Australien hast du acht Tage lang übers offene Meer eine riesige Bucht abgekürzt. In Südamerika blieb dir das erspart, oder?
Ja, denn derartige Buchten hat die Küstenlinie Südamerikas gar nicht zu bieten. Viele Male musste ich die Nacht durchpaddeln, da es keine Landemöglichkeiten gab, aber da habe ich dann einfach im Anschluss den Schlaf nachgeholt. Und im Amazonasdelta konnte man zum Glück «Inselhopping» machen.
Wie schläft man in einem Kajak während acht Tagen auf offener See?
Ich habe mein Paddel mit normalen Spanngurten hinter der Luke festgeschnallt, an den Paddelblättern spezielle Auftriebskörper befestigt und dann eine Bettstatt gebaut: Unter dem Hintern ein drittes, halb aufgeblasenes Luftkissen, am Hinterdeck lag die Schwimmweste, oben drauf eine gefaltete Thermarest-Matratze und als Kopfkissen noch eine Packsackrolle mit irgendwelchen Klamotten. Das war eine nette Schräge, auf der ich mit ausgebreiteten Armen lag wie Jesus am Kreuz.
Wie bekämpfst du beim Paddeln etwaige Langeweile?
Weder mit Musik noch mit einem Hörbuch. Mein Erfolgsrezept ist einfach und braucht auch keinen Strom: Hirn aus und paddeln.
Lässt sich so eine Unternehmung mit Sponsoren finanzieren?
Bedenkt man den Verdienstausfall daheim, lege ich in jedem Fall drauf. Mein Hauptsponsor Thule zahlt mir jährlich einen relativ geringen Betrag, Haglöfs kleidet mich ein, und Hilleberg spendiert Zelte, von denen auch schon einige unterwegs dran glauben mussten. Das letzte wurde von einer Schildkröte zerlegt, die direkt neben meinem Zelt ihre Eier legen wollte. Geschichte. Aber fürs Geld macht man solch eine Unternehmung eh nicht.
Die komplette Campingausrüstung, diverse Kommunikationselektronik, Nahrung für drei bis vier Wochen und Wasser für zehn Tage.
Was ist bei Paddelbruch in rauem Seegang oder wenn im Ernstfall mal die Eskimorolle nicht klappt?
Ganz einfach: Bei Paddelbruch kommt das Ersatzpaddel zum Einsatz, und die Rolle sitzt.
Hätte es jemand bemerkt, wenn du mal 100 Kilometer langweilige Küste mit dem Auto abgekürzt hättest?
Möglichkeiten hätte es gegeben, doch gemacht habe ich es nicht. Warum auch? Aus technischen Gründen fehlen mir allerdings ein paar Kilometer, wie etwa ein Drittel vom Panamakanal, für den es partout keine Erlaubnis gab. Auch wurde ich die gesamte kolumbianische Küste aus Sicherheitsgründen von der Marine begleitet und durfte jede Nacht an Bord eines Kreuzers übernachten. Am Morgen bin ich dann aber immer an der GPS-Position des Vortags weitergepaddelt – egal, wo wir geankert hatten.
Wie muss man sich einen typischen Paddeltag bei dir vorstellen?
Der Start wird meist von Ebbe und Flut diktiert. Ausschlafen ist also selten. Nach einem schnellen Frühstück baue ich das Zelt ab, belade das Boot und lege ab. Oft von einem Strand fernab aller Häfen und sonstigen Starthilfen, sodass ich meist mit einer gehörigen Brandung konfrontiert bin. Da hilft nur ein gutes Timing, um den Wellengürtel im richtigen Moment zu durchbrechen. Ist die Brandung zu stark, muss ich auf bessere Bedingungen warten. Ein mit 50 Kilo beladendes Kajak trägt man nämlich nicht mal eben in die nächste Bucht. Dann heisst es paddeln. Ich bin ein Mensch, der immer direkt von A nach B paddelt. Das beantwortet auch gleich die Frage, in welcher Entfernung vom Ufer ich generell paddle: Das ist mir schietewurscht! Ich gebe morgens mein Ziel ins GPS ein, gucke mir vorher ein paar sinnige Landemöglichkeiten auf Google Earth aus und folge dann den Anweisungen. Abends dann das gleiche Spiel. Nur umgekehrt. Auf einen geeigneten Moment warten, um nicht vom höchsten Brecher auf den Strand geklatscht zu werden, anlanden. Lagerbau, essen, Social Media und schlafen.
In Australien hast du acht Tage lang übers offene Meer eine riesige Bucht abgekürzt. In Südamerika blieb dir das erspart, oder?
Ja, denn derartige Buchten hat die Küstenlinie Südamerikas gar nicht zu bieten. Viele Male musste ich die Nacht durchpaddeln, da es keine Landemöglichkeiten gab, aber da habe ich dann einfach im Anschluss den Schlaf nachgeholt. Und im Amazonasdelta konnte man zum Glück «Inselhopping» machen.
Wie schläft man in einem Kajak während acht Tagen auf offener See?
Ich habe mein Paddel mit normalen Spanngurten hinter der Luke festgeschnallt, an den Paddelblättern spezielle Auftriebskörper befestigt und dann eine Bettstatt gebaut: Unter dem Hintern ein drittes, halb aufgeblasenes Luftkissen, am Hinterdeck lag die Schwimmweste, oben drauf eine gefaltete Thermarest-Matratze und als Kopfkissen noch eine Packsackrolle mit irgendwelchen Klamotten. Das war eine nette Schräge, auf der ich mit ausgebreiteten Armen lag wie Jesus am Kreuz.
Wie bekämpfst du beim Paddeln etwaige Langeweile?
Weder mit Musik noch mit einem Hörbuch. Mein Erfolgsrezept ist einfach und braucht auch keinen Strom: Hirn aus und paddeln.
Lässt sich so eine Unternehmung mit Sponsoren finanzieren?
Bedenkt man den Verdienstausfall daheim, lege ich in jedem Fall drauf. Mein Hauptsponsor Thule zahlt mir jährlich einen relativ geringen Betrag, Haglöfs kleidet mich ein, und Hilleberg spendiert Zelte, von denen auch schon einige unterwegs dran glauben mussten. Das letzte wurde von einer Schildkröte zerlegt, die direkt neben meinem Zelt ihre Eier legen wollte. Geschichte. Aber fürs Geld macht man solch eine Unternehmung eh nicht.
Kap Hoorn hat dir fast deine Grenzen aufgezeigt. Was genau ist passiert?
Ich habe lange gewartet, um ein gutes Wetterfenster für die Umrundung des Kaps abzupassen, schliesslich hat das Kap Hoorn eine Reputation als gefährlichstes Schifffahrtsrevier der Welt zu verlieren. Auf den ersten 80 Kilometern zum Kap war das Meer richtig ruhig. Stärkerer Wind war erst für den Abend vorhergesagt. So querte ich die letzten neun Kilometer rüber zur Isla Hornos, Kap Hoorn liegt ja auf einer Insel. Wenige Kilometer vor dem Ziel frischte dann urplötzlich der Wind auf und entwickelte sich rasch zu einem Sturm. Einen Kilometer vor dem Ziel kam ich nicht mehr gegen den Wind an und wurde seitlich aufs Meer hinausgeblasen. Die einzige Möglichkeit war, umzudrehen und mit dem Wind in Richtung Osten zur Isla Deceit zu paddeln. Das war die letzte Gelegenheit anzulanden, dahinter kommt dann nur noch die Antarktis. Der Sturm erreichte zwischenzeitlich bis zu 120 Knoten, das sind etwa 220 Stundenkilometer. Das Notlanden auf einem steilen Strand voller Felsen in der Brandung war ein Ding für sich. Nun ja, ich kam mit blauen Flecken davon, das Boot allerdings riss auf, und ich musste es auf der Insel reparieren – und fünf Tage warten, bis ich dort weggekommen bin. Später umrundete ich das Kap in rauen Bedingungen, aber ohne grössere Probleme.
Zur selben Zeit kam ein Freund von dir, Alejandro Daniel Carranza, beim Paddeln ums Leben.
Er und sein Begleiter waren bei Staten Island, etwa 100 Kilometer nördlich von meiner Position, demselben Sturm ausgesetzt. Vorher hatten wir noch überlegt, gemeinsam zu paddeln. Ich hatte abgelehnt, da ich ihre Leistung nicht einschätzen konnte. Erschreckend ist, dass wir zusammen im Spass auch darüber sprachen, wie lange wir noch leben würden. Ich sagte: «Ich werde 111.» Seine Antwort war, er lebe wohl nicht mehr so lange, weil er einfach zu viele gefährliche Sachen mache. Die Nachricht von seinem Tod bekam ich auf der Isla Deceit per Satellitentelefon. Am Kap ging ich dann später in die kleine Kapelle, habe seiner gedacht und mich da oben für mein Überleben bedankt.
Im Amazonasdelta hattest du ein Rendezvous mit der berüchtigten Pororoca-Welle ...
Die Tidenwelle hat mich erwischt, als ich im Dunkeln im Kajak sitzend fünf Kilometer weit draussen im flachen Flussdelta auf die Flut wartete, um weiterpaddeln zu können. Ich hörte ein lautes Rauschen, das ich zunächst für einen typischen Tropenschauer hielt. Kurz bevor mich die Welle traf, wurde mir klar, was da kommt, und ich konnte im letzten Moment noch das Paddel grapschen. Dann wurde ich mitgeschleift. Orientierungslos im Dunkel der Nacht versuchte ich, in die Welle stützend, mein Leben zu retten. 30 Stundenkilometer Geschwindigkeit zeigte hinterher mein GPS. Ich wurde irgendwann umgeworfen und konnte einmal rollen. Beim zweiten Mal war ich so tief mit dem Kopf im Dreck vor der Welle, dass das nicht gelang. Ich musste aussteigen und das Boot loslassen. Zum Glück hatte ich eine Lifeline zum Boot. So konnte ich es zu mir hinziehen, während ich im Liegen mit den Füssen voran weiter mitgespült wurde, bis ich schliesslich irgendwann an einer flachen Stelle ausgespuckt wurde. Bei der Aktion habe ich nur eine Sandale verloren. Der ins Boot gepresste Matsch war so fest, dass ich ihn mit einem Löffel auskratzen konnte.
Wie navigierst du?
Südamerika immer schön auf der rechts liegen lassen (lacht). Ich habe mit meinem GPS und zwei Reservergeräten ein redundantes System dabei. GPS deswegen, weil man damit nicht nur weiss, wo man sich genau befindet, sondern, was noch viel wichtiger ist, die Strömung einschätzen kann. Wenn die Paddelgeschwindigkeit auf null sinkt oder ins Minus gerät, der Kurspfeil auch noch anzeigt, dass man seitlich abgetrieben wird, dann ist es Zeit, umzukehren.
Dein emotionalster Moment?
Die erste Ankunft in Buenos Aires nach der Südamerika-Umrundung. Ich hatte diese ein paar Tage vorverlegt, um den Moment privat geniessen zu können. Vor der ersten Etappe hatte ich das Musical «Don’t Cry For Me Argentina» in Hamburg angeschaut. Nun fuhr ich mit diesem Lied auf den Lippen bei rotem Sonnenuntergang in die Bucht von Buenos Aires ein und vergoss beim Anblick meiner wartenden Familie und Freunde die eine oder andere Träne. Die offizielle Ankunft war ein paar Tage später. Schliesslich wollte ich dabei gut aussehen und mich vorher ein wenig erholen.
Wird noch mal jemand so bekloppt sein und deine Touren nachpaddeln?
Das wird mir wohl keiner nachmachen. Die Australien-Umrundung wurde zwar bereits zwei Mal wiederholt, aber in deutlich längerer Zeit und mit Segel-Unterstützung. Die achttägige Buchtquerung haben sie sich auch gespart. Aber Australien ist nicht Süd- geschweige denn Nordamerika – das ist noch mal eine ganz andere Prüfung für Körper und Geist.
Ich habe lange gewartet, um ein gutes Wetterfenster für die Umrundung des Kaps abzupassen, schliesslich hat das Kap Hoorn eine Reputation als gefährlichstes Schifffahrtsrevier der Welt zu verlieren. Auf den ersten 80 Kilometern zum Kap war das Meer richtig ruhig. Stärkerer Wind war erst für den Abend vorhergesagt. So querte ich die letzten neun Kilometer rüber zur Isla Hornos, Kap Hoorn liegt ja auf einer Insel. Wenige Kilometer vor dem Ziel frischte dann urplötzlich der Wind auf und entwickelte sich rasch zu einem Sturm. Einen Kilometer vor dem Ziel kam ich nicht mehr gegen den Wind an und wurde seitlich aufs Meer hinausgeblasen. Die einzige Möglichkeit war, umzudrehen und mit dem Wind in Richtung Osten zur Isla Deceit zu paddeln. Das war die letzte Gelegenheit anzulanden, dahinter kommt dann nur noch die Antarktis. Der Sturm erreichte zwischenzeitlich bis zu 120 Knoten, das sind etwa 220 Stundenkilometer. Das Notlanden auf einem steilen Strand voller Felsen in der Brandung war ein Ding für sich. Nun ja, ich kam mit blauen Flecken davon, das Boot allerdings riss auf, und ich musste es auf der Insel reparieren – und fünf Tage warten, bis ich dort weggekommen bin. Später umrundete ich das Kap in rauen Bedingungen, aber ohne grössere Probleme.
Zur selben Zeit kam ein Freund von dir, Alejandro Daniel Carranza, beim Paddeln ums Leben.
Er und sein Begleiter waren bei Staten Island, etwa 100 Kilometer nördlich von meiner Position, demselben Sturm ausgesetzt. Vorher hatten wir noch überlegt, gemeinsam zu paddeln. Ich hatte abgelehnt, da ich ihre Leistung nicht einschätzen konnte. Erschreckend ist, dass wir zusammen im Spass auch darüber sprachen, wie lange wir noch leben würden. Ich sagte: «Ich werde 111.» Seine Antwort war, er lebe wohl nicht mehr so lange, weil er einfach zu viele gefährliche Sachen mache. Die Nachricht von seinem Tod bekam ich auf der Isla Deceit per Satellitentelefon. Am Kap ging ich dann später in die kleine Kapelle, habe seiner gedacht und mich da oben für mein Überleben bedankt.
Im Amazonasdelta hattest du ein Rendezvous mit der berüchtigten Pororoca-Welle ...
Die Tidenwelle hat mich erwischt, als ich im Dunkeln im Kajak sitzend fünf Kilometer weit draussen im flachen Flussdelta auf die Flut wartete, um weiterpaddeln zu können. Ich hörte ein lautes Rauschen, das ich zunächst für einen typischen Tropenschauer hielt. Kurz bevor mich die Welle traf, wurde mir klar, was da kommt, und ich konnte im letzten Moment noch das Paddel grapschen. Dann wurde ich mitgeschleift. Orientierungslos im Dunkel der Nacht versuchte ich, in die Welle stützend, mein Leben zu retten. 30 Stundenkilometer Geschwindigkeit zeigte hinterher mein GPS. Ich wurde irgendwann umgeworfen und konnte einmal rollen. Beim zweiten Mal war ich so tief mit dem Kopf im Dreck vor der Welle, dass das nicht gelang. Ich musste aussteigen und das Boot loslassen. Zum Glück hatte ich eine Lifeline zum Boot. So konnte ich es zu mir hinziehen, während ich im Liegen mit den Füssen voran weiter mitgespült wurde, bis ich schliesslich irgendwann an einer flachen Stelle ausgespuckt wurde. Bei der Aktion habe ich nur eine Sandale verloren. Der ins Boot gepresste Matsch war so fest, dass ich ihn mit einem Löffel auskratzen konnte.
Wie navigierst du?
Südamerika immer schön auf der rechts liegen lassen (lacht). Ich habe mit meinem GPS und zwei Reservergeräten ein redundantes System dabei. GPS deswegen, weil man damit nicht nur weiss, wo man sich genau befindet, sondern, was noch viel wichtiger ist, die Strömung einschätzen kann. Wenn die Paddelgeschwindigkeit auf null sinkt oder ins Minus gerät, der Kurspfeil auch noch anzeigt, dass man seitlich abgetrieben wird, dann ist es Zeit, umzukehren.
Dein emotionalster Moment?
Die erste Ankunft in Buenos Aires nach der Südamerika-Umrundung. Ich hatte diese ein paar Tage vorverlegt, um den Moment privat geniessen zu können. Vor der ersten Etappe hatte ich das Musical «Don’t Cry For Me Argentina» in Hamburg angeschaut. Nun fuhr ich mit diesem Lied auf den Lippen bei rotem Sonnenuntergang in die Bucht von Buenos Aires ein und vergoss beim Anblick meiner wartenden Familie und Freunde die eine oder andere Träne. Die offizielle Ankunft war ein paar Tage später. Schliesslich wollte ich dabei gut aussehen und mich vorher ein wenig erholen.
Wird noch mal jemand so bekloppt sein und deine Touren nachpaddeln?
Das wird mir wohl keiner nachmachen. Die Australien-Umrundung wurde zwar bereits zwei Mal wiederholt, aber in deutlich längerer Zeit und mit Segel-Unterstützung. Die achttägige Buchtquerung haben sie sich auch gespart. Aber Australien ist nicht Süd- geschweige denn Nordamerika – das ist noch mal eine ganz andere Prüfung für Körper und Geist.